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Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung


ULD: Ohne den Verdienst grundrechtsrelevanter demokratischer Transparenz anzuerkennen, verfolge die US-Regierung Edward Snowden weltweit und fordere Staaten dazu auf, ihn in die USA auszuliefern, weil er gegen US-Gesetze verstoßen haben soll
Mit seinen Enthüllungen habe Edward Snowden zur Aufdeckung von Verletzungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger auch in Deutschland beigetragen, die durch die Überwachungsmaßnahmen betroffen sind

(23.07.13) - Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) appellierte an die deutsche Bundesregierung und an alle weiteren politisch Verantwortlichen in Deutschland, dem US-amerikanischen Staatsbürger Edward Snowden Schutz vor politischer Verfolgung anzubieten. Edward Snowden habe mit seinen bisherigen Enthüllungen dafür gesorgt, dass die grundrechtswidrige Überwachung von Telekommunikationsdiensten und des Internet durch die Geheimdienste von den USA und Großbritannien, insbesondere durch die National Security Agency (NSA) und die Government Communications Headquarters (GCHQ), bekannt und zum Gegenstand einer globalen demokratischen Diskussion gemacht wurden.

Diese Praktiken verstoßen laut ULD in vieler Hinsicht gegen das Prinzip des Schutzes des Privatlebens, so wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 (Art. 12), im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 (Art. 17) und in der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 (Art. 8) vorgesehen ist, sowie zusätzlich gegen das Grundrecht auf Datenschutz bzw. auf informationelle Selbstbestimmung, wie es in der europäischen Grundrechte-Charta (Art. 7, 8) und im deutschen Grundgesetz (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1) gewährleistet wird. Die bekannt gewordenen Praktiken von US-Sicherheitsbehörden missachten laut ULD zugleich die "vernünftigen Erwartungen an Privatheit" (reasonable expectations of privacy), wie sie vom Supreme Court aus der US-Verfassung abgeleitet werden.

Mit seinen Enthüllungen habe Edward Snowden zur Aufdeckung von Verletzungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger auch in Deutschland beigetragen, die durch die Überwachungsmaßnahmen betroffen sind.

Informationelle Selbstbestimmung setze voraus, so das deutsche Bundesverfasssungsgericht, dass die Menschen "wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß". Das bisher bekannt gewordene Wissen über die Überwachungsmaßnahmen von NSA und GCHQ genüge noch lange nicht diesem verfassungsrechtlichen Erfordernis. Ein Aufenthalt von Edward Snowden in Deutschland könne dazu genutzt werden, weitere Aufklärung zu erhalten und Vorkehrungen zu treffen, künftig Datenschutzverstöße wirksamer zu vermeiden.

Ohne den Verdienst grundrechtsrelevanter demokratischer Transparenz anzuerkennen, verfolge die US-Regierung Edward Snowden weltweit und fordere Staaten dazu auf, ihn in die USA auszuliefern, weil er gegen US-Gesetze verstoßen haben soll. Nach Ansicht des ULD darf das Offenlegen weltweiter, die gesamte Bevölkerung potenziell erfassender Datenschutzverstöße nicht zu einer Bestrafung führen. Edward Snowden habe mit seinen Enthüllungen – soweit dies erkennbar ist – bisher keinem einzelnen Menschen Schaden zugefügt. Es sei vielmehr sein erklärtes Ziel, mit den Enthüllungen Schaden von den Menschen abzuwenden. Seine Verfolgung durch die US-Regierung müsse deshalb als politische Verfolgung betrachtet werden. Gemäß Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz würden politische Verfolgte in Deutschland Asylrecht genießen.

Edward Snowden sei bisher nur in Staaten Asyl angeboten worden, in denen der Schutz informationeller Selbstbestimmung nicht als zentraler gesellschaftlicher Wert anerkannt sei. Er sei dadurch bisher dem politischen Kalkül von Staaten ausgeliefert, deren Gesellschaftsordnung nicht mit seinen – auch von europäischem Verfassungsrecht geschützten – Beweggründen und Werten in Einklang stehe. Wirklichen Schutz könne Edward Snowden nur in einem Staat finden, in dem sein Handeln und seine Motive unter besonderem Schutz stunden.

Wirtschaftliche oder kurzfristige diplomatische Erwägungen dürften nicht dem Schutz der Grundrechte, die zum Kern unserer rechtsstaatlichen Demokratie gehören, untergeordnet werden. Durch das Angebot politischen Schutzes würde Deutschland gegenüber den USA unmissverständlich die Bedeutung des Grundrechtes auf Datenschutz zum Ausdruck bringen. Die Anerkennung der Relevanz des informationellen Grundrechtschutzes für eine freiheitliche Informationsgesellschaft durch die US-Administration sei eine zentrale Voraussetzung für das Aufrechterhalten der bestehenden informationellen Beziehungen zwischen Deutschland und Europa einerseits und den USA andererseits, wie sie über viele Abkommen, z. B. in Bezug auf Unternehmensdaten (Safe Harbor), Flugpassagierdaten (Passenger Name Records) oder Banktransaktionsdaten (Terrorist Finance Tracking Program), bestehen.

Man müsse den USA dankbar sein, dass dieses Land vor über 60 Jahren dazu wesentlich beitrug, Deutschland von der nationalsozialistischen Diktatur, die zugleich ein Überwachungsstaat war, befreit zu haben. Gerade angesichts dieser historischen Leistung müsse es heute die Aufgabe Deutschlands sein, die US-Gesellschaft darauf hinzuweisen, dass eine staatliche Rundumüberwachung nicht im Interesse des Schutzes der gemeinsamen Freiheitsrechte und demokratischer Prinzipien sein kann.

Das ULD betrachte es deshalb als dringend geboten, Edward Snowden in Deutschland Schutz anzubieten. Hiermit würde zugleich ein Beitrag zum Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geleistet. (ULD: ra)



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