Fortentwicklung des Meldewesens
Bundesmeldegesetz: Ein in einer "Nacht- und Nebelaktion" unter fragwürdigen Umständen zustanden gekommene Beschluss stieß im Bundesrat auf große öffentliche Empörung
ULD erklärt: "Das Entgegenkommen gegenüber der Adress- und Inkassowirtschaft hätte zur Folge, dass auf die Melde- und die Datenschutzbehörden ein erhöhter Prüfaufwand zukommt"
(27.09.12) - Nur wenig Begeisterung lösten die Vorschläge des Innen- und des Rechtsausschusses des Bundesrates zum "Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens" beim Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) aus. Vorausgegangen waren ein Entwurf der Bundesregierung vom November 2011 und eine Änderung durch den Bundestag mit der Mehrheit der Regierungsfraktionen Ende Juni 2012. Hintergrund der Änderung ist Lobbyarbeit der Werbe- und Inkassowirtschaft, die Adressdaten der hoheitlichen Melderegister bei Vorliegen von früheren Adressen erhalten möchte, ohne dass die Betroffenen dem wirksam widersprechen können, geschweige denn gefragt werden.
Dieser in einer "Nacht- und Nebelaktion" unter fragwürdigen Umständen zustanden gekommene Beschluss stieß auf große öffentliche Empörung. Daraufhin signalisierten Vertreter der Regierungsparteien ihre Bereitschaft, die bisher von der Bundestagsmehrheit beschlossene Regelung in der Sitzung des Bundesrates am 21.09.2012 zu stoppen und den Vermittlungsausschuss anzurufen, um die privatwirtschaftliche Nutzung von Meldedaten datenschutzkonform zu regeln.
Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder machte hierzu mit Entschließung vom 22.08.2012 konstruktive Vorschläge, die beispielsweise den Verzicht auf die Mitwirkung des Wohnungsgebers vorsehen. Statt nun demgemäß eine umfassende datenschutzrechtliche Überarbeitung des Meldegesetzentwurfes vorzunehmen, beschränken sich die Bundesratsvorschläge nach Ansicht des ULD auf den konkreten öffentlichen Aufreger. Sie würden aber weiterhin versuchen, den Datenbedürfnissen von Werbung und Adresshändlern entgegenzukommen.
Thilo Weichert, Leiter des ULD, erklärte: "Das Entgegenkommen gegenüber der Adress- und Inkassowirtschaft hätte zur Folge, dass auf die Melde- und die Datenschutzbehörden ein erhöhter Prüfaufwand zukommt. Die Durchführung von Stichproben bei behaupteten Einwilligungen und das Kontrollieren von absehbar mehr Einzelanfragen und Beschwerden sind ein hoher Preis dafür, dass der Privatwirtschaft insbesondere für Werbezwecke hoheitliche Meldedaten bereitgestellt werden."
Die von den Ausschüssen dem Bundesrats-Plenum vorgeschlagenen drei Alternativen berücksichtigen in unterschiedlichem Maße das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Nach Ansicht des ULD müssen zumindest folgende Aspekte bei der Behandlung im Bundesrat am 21.09.2012 berücksichtigt werden:
>> Sicherstellung, dass die Einwilligungen zu Datenübermittlungen für Werbe- und Adresshandelszwecke tatsächlich freiwillig erteilt werden,
>> Nachweispflicht auf Verlangen der Meldebehörden über das Vorliegen einer Einwilligung,
>> Sicherstellung der Zweckbindung beim Auskunftsempfänger,
>> Protokollierung der Zwecke bei den Meldebehörden,
>> Verbot des bisher von einigen Firmen praktizierten Adresspooling, bei dem für Dritte abgefragte Adressdaten für eigene Auskunfteizwecke zweckentfremdet werden,
>> Bußgeldregelungen bei Verletzung der Zweckbindung.
Die Vorschläge der Bunderatsausschüsse sind im Internet abrufbar unter
www.bundesrat.de/cln_236/SharedDocs/Drucksachen/2012/0401-500/489-1-12
Die Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 22.08.2012 ist abrufbar unter
www.datenschutzzentrum.de/melderecht/entschliessung-der-konferenz.htm
Eine Dokumentation der Diskussion über die aktuelle Melderechtsreform finden Sie unter
www.datenschutzzentrum.de/melderecht/adresshandel-2012.htm
(ULD: ra)
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