Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesarbeitsgericht

Unwirksamkeit einer Kündigung


Bundesarbeitsgericht: Unterlassene Anhörung eines Betriebsrats vor Ausspruch einer Kündigung
Die Kündigung der Beklagten vom 22. September 2008 ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, weil sie ohne Anhörung des Betriebsrats erklärt wurde


(01.07.11) - Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Die Nichtbeachtung des Mitwirkungsrechts des Betriebsrats führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dies gilt auch dann, wenn die Wahl des Betriebsrats beim Arbeitsgericht angefochten wurde und nach dem Zugang der Kündigung rechtskräftig für ungültig erklärt wird, die Wahl aber nicht von Anfang an nichtig war. Im Fall der Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder in gleichartigen Fällen der Personalgestellung ist allerdings grundsätzlich nur der Betriebs- oder Personalrat des Vertragsarbeitgebers zu beteiligen.

Der Kläger wurde von der beklagten Stadt befristet für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 31. Dezember 2011 eingestellt. Mit seinem Einverständnis wurde er einer von der Beklagten und der örtlichen Agentur für Arbeit gemäß § 44b SGB II zur einheitlichen Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in der Rechtsform einer GmbH gebildeten gemeinsamen Einrichtung zugewiesen. Diese verfügte mit Ausnahme des Geschäftsführers über kein eigenes Personal.

Der Geschäftsführer konnte den zugewiesenen Arbeitnehmern zwar fachliche Weisungen erteilen, hatte jedoch keine weitergehenden Kompetenzen im personellen und sozialen Bereich. Am 13. August 2008 fand bei der gemeinsamen Einrichtung eine Betriebsratswahl statt. Die Beklagte kündigte mit einem Schreiben vom 22. September 2008 nach Beteiligung der bei ihr gebildeten Personalvertretung, aber ohne Anhörung des neu gewählten Betriebsrats, ihr Arbeitsverhältnis mit dem Kläger innerhalb der vereinbarten Probezeit. Das Hessische Landesarbeitsgericht erklärte danach mit Beschluss vom 3. September 2009 die Betriebsratswahl für ungültig, ohne allerdings deren Nichtigkeit von Anfang an festzustellen.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Er hat gemeint, die Beklagte hätte den am 13. August 2008 gewählten Betriebsrat vor der Kündigung anhören müssen.

Die Vorinstanzen sind dem gefolgt und haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg.

Die Kündigung der Beklagten vom 22. September 2008 ist nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, weil sie ohne Anhörung des Betriebsrats erklärt wurde. Maßgebend ist, dass die Voraussetzungen für einen gemeinsamen Betrieb der Beklagten und der örtlichen Agentur für Arbeit nicht erfüllt waren und nicht die gemeinsame Einrichtung, sondern die Beklagte Arbeitgeberin des Klägers war. Nur sie war befugt, ihre arbeitsrechtlichen Beziehungen mit dem Kläger durch Kündigung zu beenden. Den nicht bei ihr gebildeten Betriebsrat musste sie vor der Kündigung nicht gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG anhören. Die bei ihr errichtete Personalvertretung hat sie vor der Kündigung ordnungsgemäß beteiligt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9. Juni 2011 - 6 AZR 132/10 -
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 18. Dezember 2009 - 19/3 Sa 323/09 -
(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundesarbeitsgericht

  • (Gesundheits-)Daten betroffener Arbeitnehmer

    Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch einen Medizinischen Dienst, der von einer gesetzlichen Krankenkasse mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten beauftragt worden ist, kann nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DSGVO* auch dann zulässig sein, wenn es sich bei dem Versicherten um einen eigenen Arbeitnehmer des Medizinischen Dienstes handelt.

  • Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen

    Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beabsichtigt, sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen anzuschließen, wonach ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen hat, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden.

  • Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung. Entscheidungserheblich ist, ob diese bei der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß angezeigt wurde.

  • Arbeitgeberin hat Wahl für nichtig gehalten

    Bewerben sich bei einer Betriebsratswahl weniger Arbeitnehmer um einen Betriebsratssitz als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, kann ein "kleinerer" Betriebsrat errichtet werden. Die Arbeitgeberin ist Trägerin einer Klinik mit in der Regel 170 beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

  • Arbeitsverhältnis & katholischen Kirche

    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Auslegung des Unionsrechts zu der Frage ersucht, ob ein der katholischen Kirche zugeordneter Arbeitgeber, der von den bei ihm tätigen Arbeitnehmern im Übrigen nicht verlangt, dass sie der katholischen Kirche angehören, das Arbeitsverhältnis allein aufgrund der Beendigung der Mitgliedschaft zur katholischen Kirche kündigen darf, wenn der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche austritt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen