Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesgerichtshof

Bildveröffentlichung und Schutzkonzept


Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung zusteht
Im Streitfall handelte es sich bei der aktuellen Berichterstattung über die Urteilsverkündung um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand


(01.07.11) - Die Beklagte ist Herausgeberin der "Bild"-Zeitung. Der Kläger wurde durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2008 zusammen mit zwei Mitangeklagten wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Beteiligung an einem Mord zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt (Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Juli 2008; BGH, Beschluss vom 22. September 2009 - 3 StR 203/09, Pressemitteilung Nr. 203/2009). Er nimmt die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch, weil in der Ausgabe der Bild-Zeitung vom 16. Juli 2008 im Rahmen einer Berichterstattung über die Urteilsverkündung unter der Überschrift "Irak-Terroristen müssen für Attentatsplan ins Gefängnis!" ein Foto des Klägers veröffentlicht wurde, auf dem sein Gesicht zu erkennen ist.

Das Strafverfahren hatte einen geplanten Anschlag der Terrorgruppe "Ansar al-Islam" auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Allawi zum Gegenstand. Während der Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart waren Fernseh- und Bildaufnahmen nach der sitzungspolizeilichen Anordnung der Vorsitzenden nach § 176 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)* am Tag der Urteilsverkündung nur mit der Maßgabe zulässig, dass bei Abbildungen der Angeklagten deren Gesichter durch geeignete Maßnahmen (pixeln) unkenntlich gemacht werden.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, das Foto ungepixelt oder sein Antlitz in anderer Weise unkenntlich gemacht zu verbreiten. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Auf die Revision der Beklagten hat der u. a. für das Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der ihn identifizierenden Bildberichterstattung zusteht.

Die Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung ist grundsätzlich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG** zu beurteilen. Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren - hier nicht vorliegenden - Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Im Streitfall handelte es sich bei der aktuellen Berichterstattung über die Urteilsverkündung um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 KUG, an dem ein erhebliches Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand. Demgegenüber musste der Persönlichkeitsschutz des Klägers zurücktreten. Dem Umstand, dass der Kläger nur im Vertrauen auf die sitzungspolizeiliche Anordnung die Fotoaufnahmen ermöglicht haben will, kommt nicht das vom Berufungsgericht angenommene Gewicht zu. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass nach dem Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG ungepixelte Bildaufnahmen auch ohne Einwilligung des Klägers zulässig gewesen wären und er letztlich durch sein Verhalten allenfalls Bildaufnahmen hätte vereiteln können, die wegen des erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit grundsätzlich zulässig waren. Das Persönlichkeitsrecht ist auch im Rahmen der Sitzungspolizei nicht in weiterem Umfang zu schützen als dies nach §§ 22, 23 KUG der Fall ist.

Urteil vom 7. Juni 2011 - VI ZR 108/10
Landgericht Berlin - Urteil vom 26. Februar 2009 – 27 O 982/08
Kammergericht - Urteil vom 6. April 2010 – 9 U 45/09
(veröffentlicht in AfP 2010, 385 und in NJW-RR 2010, 1417)

* § 176 GVG
Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.

**Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie
Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. ………..

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:
1.Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.
(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 2011: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Weitere Urteile

  • Gewinnermittlung nach der Tonnage

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 19.10.2023 - IV R 13/22 dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob § 52 Abs. 10 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -) verstößt, soweit diese Vorschrift die rückwirkende Anwendung des § 5a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG für Wirtschaftsjahre anordnet, die nach dem 31.12.1998 beginnen.

  • Wettbewerbsverstöße von Drittanbietern

    In dem Grundsatzverfahren der Wettbewerbszentrale zur Frage der Reichweite der Haftung von Marktplatzbetreibern für Wettbewerbsverstöße von Drittanbietern hat jüngst das OLG Frankfurt am Main geurteilt (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2023, Az. 6 U 154/22 - nicht rechtskräftig). Es hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und die Berufung gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main (LG Frankfurt am Main, Urteil vom 02.09.2022, Az. 3-12 O 42/21) zurückgewiesen.

  • Rahmenbedingungen der Steuerberaterprüfung

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 11.07.2023 - VII R 10/20 weitere Klarheit in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen der Steuerberaterprüfung geschaffen. Die Entscheidung bestätigt die Rechtmäßigkeit der Möglichkeit, die schriftlichen Prüfungsarbeiten ohne Verwendung eines anonymisierten Kennzahlensystems anfertigen zu lassen.

  • Aufwendungen für Ferienimmobilienanbieter

    Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 17.08.2023 - III R 59/20 entschieden hat, können Aufwendungen, die ein Ferienimmobilienanbieter tätigt, damit ihm die Eigentümer von Ferienimmobilien diese zur Vermietung an Reisende überlassen, als Mieten zu qualifizieren sein und zu einer gewerbesteuerrechtlichen Hinzurechnung zum Gewinn führen. Die Klägerin, eine Verwaltungs - und Beteiligungs-Gesellschaft mbH, war im Streitjahr 2010 zu 100 Prozent an einer Firma (X) beteiligt, die Reisenden Ferienimmobilien über Kataloge, eine Internet-Plattform und über Vermittler, wie zum Beispiel Reisebüros anbot. Zudem war die Klägerin Organträgerin der X, weshalb ihr das Ergebnis der Organgesellschaft steuerlich zugerechnet wurde.

  • Bestehen einer steuerlichen Organschaft

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 11.07.2023 - I R 21/20 für den Fall der Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft entschieden, dass der übernehmende Rechtsträger als ("neuer") Organträger auch dann in die bereits beim übertragenden Rechtsträger (als "alter" Organträger) erfüllte Voraussetzung einer finanziellen Eingliederung der Organgesellschaft eintritt, wenn die Umwandlung steuerlich nicht bis zum Beginn des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft zurückbezogen wird.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen