Anpassung des Energiewirtschaftsrechts
Energiewirtschaftsrecht: Experten kritisieren Anpassung
Bereits heute können erhebliche Teile des Potenzials zur Erzeugung erneuerbaren Stroms nicht genutzt werden
Der Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat sich im Rahmen einer Anhörung mit dem "Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Energiewirtschaftsrechts an unionsrechtliche Vorgaben und zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften" (20/7310) befasst. Anlass der Anpassung ist die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), dass Deutschland die Elektrizitäts- und die Erdgasbinnenmarkt-Richtlinien nicht zutreffend umgesetzt hat. Um die Entscheidung des EuGH umzusetzen, sieht der Gesetzentwurf vor, bisherige Verordnungsermächtigungen der Bundesregierung durch Festlegungskompetenzen der Bundesnetzagentur zu ersetzen.
Für den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) stellte Paula Hahn eingangs fest, in Umsetzung des Urteils brauche es einen zukunftsfesten und von der EU-Kommission bestätigten europarechtskonformen Rechtsrahmen. Der Gesetzentwurf setze dies weitgehend um. Rechtsstaatlich seien aber dringend weitere Vorkehrungen zu treffen, die das behördliche Handeln absichern.
Stefan Rogat von der Netze BW GmbH sprach von "einer echten Zeitenwende": Die bisherige normative Regelung, die auf Verordnungsermächtigungen der Bundesregierung basierte, werde nun durch eine administrative Regulierung ersetzt, die auf Festlegungskompetenzen der Bundesnetzagentur fuße. Legislative und Exekutive fielen damit zusammen. Deshalb plädierte Rogat für die Schaffung eines wissenschaftlichen Beirats, der für eine bessere Nachvollziehbarkeit der Regulierungsentscheidungen sorgen könne.
Auch Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht sieht in der Neuregelung einen großen Machtzuwachs für die Bundesnetzagentur. Aus großer Macht ergebe sich eine Verantwortung, sagte Müller. Das Vorgehen - Abschaffung der Verordnungsermächtigungen, Schaffung entsprechender Festlegungsbefugnisse der Bundesnetzagentur bei befristeter Fortgeltung der heutigen Regelungen in den Strom- und Gaszugangsverordnungen, den Strom- und Gasnetzentgeltverordnungen und der Anreizregulierungsverordnung - sei aber "unionsrechtlich nicht zu kritisieren".
Der Einfluss des Bundestags beschränke sich künftig darauf, dass 16 Parlamentsmitglieder im Beirat der Bundesnetzagentur säßen, sagte Rechtsanwalt Stefan Wollschläger. Die Funktionen des Beirats bestünden im Energiebereich im Wesentlichen daraus, die Bundesnetzagentur bei der Erstellung von Berichten zu beraten. Wollschlägers Forderung: "Im Rahmen der vom EuGH aufgestellten Grundparameter sollten die Rechte des Beirates gestärkt und ein Stellungnahmerecht in allgemeinen Festlegungsverfahren eingeführt werden."
Volle Zustimmung gab es dafür von Andreas Zuber vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), dem es ebenfalls um die Sicherung der parlamentarischen Checks-and-Balances im Regulierungsverfahren ging. Auch eine unabhängige Regulierungsbehörde dürfe nicht vollkommen der parlamentarischen Kontrolle entzogen sein, sagte Zuber. Deswegen sollten die Beteiligungsrechte des Beirats entsprechend den im Gesetzentwurf vorgesehenen Beteiligungsrechten für den Länderausschuss gestaltet werden.
Christoph Maurer, Geschäftsführer der Consentec GmbH, konzentrierte sich in seiner Stellungnahme auf die Regelungen zur Vermeidung der Abregelung von erneuerbarem Strom durch zuschaltbare Lasten. Die netzbedingte Abregelung erneuerbarer Energien habe 2022 bei rund 8 TWh gelegen. Damit könnten bereits heute erhebliche Teile des Potenzials zur Erzeugung erneuerbaren Stroms nicht genutzt werden. Maurer nannte es "vorzugswürdig", wenn möglichst große Anteile der von Netzengpässen betroffenen Strommengen nicht abgeregelt, sondern in der Nähe der Erzeugungsstandorte durch zusätzlichen Stromverbrauch sinnvoll genutzt würden.
Matthias Dümpelmann, Geschäftsführer der 8KU GmbH, legte, sein Augenmerk auf den Ausbau des Wasserstoffkernnetzes. Der erfordere beträchtliche Investitionen, die im direkten Kapitalmarktwettbewerb mit den Ausbauten der Stromnetze und anderen Infrastrukturprojekten stehe. Der jetzt Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes sei deshalb im Hinblick auf dessen Auslastung mit erheblichen Risiken verbunden, die bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen seien: Nur dann fänden sich Unternehmen, die bereits seien zu investieren.
Für Tim Meyerjürgens als Vertreter der Übertragungsnetzbetreiber 50hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW war der wichtigste Punkt neben der Regulierungsfrage die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Höchstspannungsleitungen. Die Übertragungsnetzbetreiber würden es zugleich sehr begrüßen, so Meyerjürgens, wenn die EU-Notfall-Verordnung verlängert würde, damit sichergestellt sei, dass fürs erste auch künftig keine UVP sowie Artenschutz-Prüfung durchzuführen seien.
René Mono (E.ON) begrüßte die Möglichkeit zum vorausschauenden Netzausbau und unterstrich die Bedeutung dieses Regelungsvorschlages für die weitere Integration sowohl von Erneuerbare-Energien-Anlagen als auch von neuen Verbrauchseinrichtungen. Sicherzustellen sei hier aber insbesondere, "dass die anerkannten regulatorischen Kosten nicht nachträglich, etwa durch überzogene Effizienzanforderungen, neutralisiert werden".
Für Florian Valentin vom Bundesverband Energiespeicher Systeme (BVES) steht außer Frage: Ohne Energiespeicher werde die erfolgreiche Fortsetzung der Energiewende zunehmend in Frage gestellt. Mit den derzeit bestehenden Rahmenbedingungen für den Betrieb und Einsatz von Energiespeichern seien die ambitionierten Speicher-Ausbau-Pläne aber nicht zu erreichen, sagte Valentin. Er rate dringend, bestehende Hürden wie zum Beispiel die nur vorübergehende Befreiung von Netzentgelten zu beseitigen.
Weitere Informationen zur Anhörung, etwa die Stellungnahmen der Sachverständigen, auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw39-pa-klimaschutz-energiewirtschaftsrecht-966082
(Deutscher Bundestag: ra)
eingetragen: 20.10.23
Newsletterlauf: 15.12.23
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