Betriebsrätemodernisierungsgesetz umstritten
Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz)
Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wird mit dem Entwurf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat noch stärker reguliert und neue Bürokratie geschaffen - Nach Einschätzung des Fachanwalts für Arbeitsrecht, Nils Kummert, reichen die Verbesserungen beim Kündigungsschutz aber nicht aus
Ob der Gesetzentwurf "zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt" (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) (19/28899) tatsächlich zu der von der Bundesregierung erhofften Vereinfachung von Betriebsratswahlen sowie einer Stärkung der Betriebsräte führt, ist unter Sachverständigen umstritten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales deutlich. Der Entwurf sieht unter anderem vor, Betriebsratswahlen zu vereinfachen, indem im Betriebsverfassungsgesetz der Anwendungsbereich des "verpflichtenden vereinfachten Wahlverfahrens" und des "vereinfachten Wahlverfahrens nach Vereinbarung" sowohl für die Wahl des Betriebsrats als auch für die Wahl der Jugend- und Auszubildendenvertretung ausgeweitet wird. Um den Schutz von Arbeitnehmern bei der Gründung eines Betriebsrats zu verbessern, soll zudem der Kündigungsschutz verbessert werden.
Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung. Mit der Ausweitung des vereinfachten Wahlverfahrens könnten Betriebsratswahlen in der Tat vereinfacht werden, sagte DGB-Vertreterin Micha Klapp. Gut sei auch, dass die Gestaltungsmöglichkeiten der Betriebsräte beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in den Unternehmen angepackt werden, indem das Hinzuziehen externen Sachverstands ermöglicht werde. Zu kritisieren sei, dass es im Vergleich zur Referentenentwurf inhaltliche Rückschritte beim Kündigungsschutz gegeben habe, sagte Klapp.
Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) wird hingegen mit dem Entwurf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat noch stärker reguliert und neue Bürokratie geschaffen. Eine grundlegende Modernisierung werde so nicht erreicht, sagte BDA-Vertreter Roland Wolf. Bei der Ausgestaltung der Zusammenarbeit gingen die Vorstellungen der Sozialpartner sicherlich weit auseinander, schätzte er ein. Gesichert bleiben müsse in jedem Fall, dass die Entscheidung über eine Vertretung durch den Betriebsrat die Arbeitnehmer im jeweiligen Betrieb und nicht etwa Außenstehende treffen.
Auch nach Einschätzung von Alexander Zumkeller vom Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen bleibt der Entwurf "weit hinter dem Möglichen und von den Betriebspartnern wie auch Belegschaften gewünschten Optionen zurück". Er vermisse insbesondere die Legalisierung von heute bereits in anderen Feldern vielfach umgesetzten elektronischen Wahlen, virtuellen Betriebsversammlungen, virtuellen gemeinsamen Verhandlungen oder vereinfachter Regelungen zum Abschluss von Vereinbarungen sowie die Klarstellung, dass die "Auslage" von Betriebsvereinbarungen auch elektronisch erfolgen kann.
Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht, Franz Josef Düwell, hält die Verstärkung der Zulässigkeit des Hinzuziehens von externen Sachverständigen im Falle des Einsatzes von KI für richtig. Auch gesellschaftspolitisch sei das sehr sinnvoll, da es darum gehe, die Akzeptanz für die Transformation in eine Arbeitsgesellschaft 4.0 zu fördern. "Da kann Sachkunde nur förderlich sein", befand Düwell.
Wenn das Ansinnen einer Betriebsratsgründung auf mitbestimmungsfeindliche Arbeitgeber trifft, "brauchen wir Kündigungsschutz für die Initiatoren und Wahlvorstände", sagte Kai-Uwe Hemmerich, Betriebsratsvorsitzender des Chemie-Unternehmens Clariant. Die Erhöhung im Kündigungsschutzgesetz auf sechs zu schützende Einladende zu Wahlversammlungen sei gut, der neue spezielle Vorfeld-Initiatoren-Schutz ein erster richtiger Schritt, urteilte er.
Nach Einschätzung des Fachanwalts für Arbeitsrecht, Nils Kummert, reichen die Verbesserungen beim Kündigungsschutz aber nicht aus. Benötigt werde die Etablierung eines zweistufigen Kündigungsschutzes. Nur dann, wenn der Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung der Vorfeld-Initiatoren von der rechtlichen Prüfung und rechtskräftigen Zustimmungserklärung des Arbeitsgerichts abhängig gemacht wird, könne von einem echten Sonderkündigungsschutz gesprochen werden, befand Kummert.
Rückschritte beim außerordentlichen Kündigungsschutz im Vergleich zum Referentenentwurf beklagte Johanna Wenckebach von der Hans-Böckler-Stiftung. So sei der Schutz nur fragmentarisch und verfehle das Ziel des Gesetzgebers. Eine weitere Schutzlücke, die dringend geschlossen werden müsse, gebe es bei den Befristet-Beschäftigten, deren Anteil an den Belegschaften immer weiter steige.
Die Rechtsanwältin Sirkka Schrader verlangte ebenfalls, den Kündigungsschutz auf betriebsbedingte und außerordentliche Kündigungen auch für Vorfeld-Initiatoren auszuweiten. Es seien eben solche Kündigungen, die in der Praxis ausgesprochen würden, um Betriebsratswahlen zu verhindern, sagte sie. (Deutscher Bundestag: ra)
eingetragen: 29.06.21
Newsletterlauf: 21.09.21
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