Compliance-System stärken


Transaktionen mit Wirecard-Aktien von BaFin-Mitarbeitern
Fragerunde drehte sich sowohl um die Nachverfolgung vermeintlicher Verfehlungen als auch um die Lehren, die man im Untersuchungszeitraum und teils darüber hinaus aus dem größten Finanzskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte ziehe



Mehr als 500 Transaktionen mit Wirecard-Aktien von Mitarbeitern hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen der internen Meldepflichten zwischen Januar 2018 und September 2020 registriert. Das erklärte die Exekutivdirektorin Innere Verwaltung und Recht der BaFin, Béatrice Freiwald, in der öffentlichen Zeugenvernehmung des 3. Untersuchungsausschusses ("Wirecard").

Bei der Befragung der zweiten Zeugin dieses Verhandlungstages stand das Handelsverhalten von BaFin-Mitarbeitern im Mittelpunkt. Freiwald erläuterte die Bemühungen ihres Hauses, Interessenkonflikte der Beschäftigten zwischen ihrer beruflichen Aufgabe der Wertpapieraufsicht und privaten Wertpapiergeschäften auszuschließen. Gegen Verstöße werde ermittelt.

Die Zeugin und die Mitglieder des Ausschusses streiften bei ihren Ausführungen und Fragen die Entstehung von Compliance-Regeln in Deutschland in öffentlichen Einrichtungen wie der BaFin und der Deutschen Bundesbank, die Weiterentwicklung dieser Regeln, die Mitwirkungsrechte der Personalräte, die Einsprüche von Mitarbeitern und das Warten auf Gerichtsurteile, die Kontrolle auf europäischer Ebene durch die EZB und die Rolle des Deutschen Bundestages bei der Weiterentwicklung gesetzlicher Regelungen statt lediglich betrieblicher Vorgaben.

Gesetzliche Regelungen seien betrieblichen Vereinbarungen gegenüber ausdrücklich zu befürworten, betonte Freiwald, sei doch die Abwägung von Eingriffen in die Grundrechte beim Gesetzgeber besser aufgehoben als im innerbetrieblichen Disput zwischen Dienstherren und Beschäftigten. "Je klarer eine gesetzliche Vorgabe ist, desto besser."

Die gesamte Fragerunde drehte sich sowohl um die Nachverfolgung vermeintlicher Verfehlungen als auch um die Lehren, die man im Untersuchungszeitraum und teils darüber hinaus aus dem größten Finanzskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte ziehe.

Die BaFin-Managerin unterstrich, wie sehr ihre Behörde den Wirecard-Fall als Anstoß für Veränderungen begreife. "Wirecard war ein Einschnitt, der uns zum Nachdenken gebracht hat. Über das, was Aufseher leisten müssen und wie sie ihre Aufsichtstätigkeit wahrnehmen."

Noch im Vorgriff auf eine künftige gesetzliche Verschärfung und Präzisierung aktualisiere man die eigenen Vorschriften und schaue auf andere vergleichbare Einrichtungen. Über ein Regelwerk verfüge die BaFin seit ihrer Gründung im Jahr 2002, das immer weiter ausgebaut werde. Man habe eine auf 10.000 Euro gesenkte Bagatellgrenze für nachzuweisende Mitarbeitergeschäfte. Seit vergangenem Oktober gelte ein Handelsverbot für Papiere von Banken und Versicherungen, die die BaFin gerade beaufsichtige. Es gebe die unmittelbare Anzeigepflicht sowie die jährlichen Kontrollen. Die mögliche Nicht-Meldung anzeigepflichtiger Geschäfte "versuchen wir durch Stichproben herauszufinden".

Parallel liefen mehrere Sonderauswertungen von Mitarbeitergeschäften, intern und auf parlamentarische Anfragen hin. "Wir haben uns bemüht, immer nach bestem Wissen und Gewissen" alles zusammenzutragen, beteuerte Freiwald. "Unser System ist nicht perfekt. Aber ich kenne keine Institution, die ihnen Auskünfte geben kann über die privaten Geschäfte ihrer Mitarbeiter." Man greife alle Hinweise auf die dazu dienten, "wie wir unser Compliance-System stärken können".

Ihr Haus werde noch einen zusätzlichen Bericht vorlegen "über alle Mitarbeiter, die im Untersuchungszeitraum zum Wirecard-Fall Insiderwissen hatten". Durch die Untersuchungen und die verschärften Regeln sei die Zahl der angezeigten Fälle im vergangenen Jahr auf das Doppelte gestiegen, auf etwa 17.000 bis 18.000 Transaktionen. Es werde einfach mehr erfasst.

Der Abgeordnete Frank Schäffler (FDP) wollte wissen: "Warum haben Sie für Mitarbeitergeschäfte in der Vergangenheit nicht engagierter ein System eingeführt? Warum sind Sie das Thema nicht energischer angegangen?" Warum beispielsweise gelte bei der BaFin, die an alle Finanzmarktteilnehmer strengste Maßstäbe anlege, nicht selbst das gängige Zweitschriftverfahren? Und: "Sie machen das für ihre eigenen Mitarbeiter sehr langsam als eine Behörde, die anderen Marktteilnehmern umfassende Verhaltensregeln auferlegt."

"Wir waren in den Jahren 2017, 2018, 2019 in einer Änderungsphase des Regelwerkes", erläuterte die Zeugin. Das sei ein langer Prozess. Nach umfassenden Verhandlungen mit dem Personalrat habe man sich neu aufgestellt. Eine verschärfte Stichprobenprüfung sei 2019 auf den Weg gebracht worden. Man habe außerdem mit Spannung auf ein Gerichtsurteil zu den neuen Regeln innerhalb der Bundesbank im Mai 2020 gewartet.

Das gebe nun Rechtssicherheit für die eigene Regelung. Die jüngste Prüfung der EZB "ergab, dass unsere Regelungen den Anforderungen entsprechen." Und als man im Frühjahr vermehrt Geschäfte von Mitarbeitern mit Wirecard-Aktien registriert habe "haben wir schnell reagiert und eine Sonderermittlung angestoßen, da wir uns in einem Aufsichtsverfahren gegenüber ebendiesem Unternehmen befanden".

Die Verbote zu verschärfen sei das eine. "Aber es ist schwierig, ein vollständig wirksames Kontrollverfahren aufzustellen, das alle Fehler aufgreifen kann." Man müsse versuchen, "ausbalancierte Kontrollen aufzusetzen." "Schärfe Kontrollmechanismen" seien "eigentlich schon fruchtbar." Sie setze lieber darauf, "dass die Leute sich von sich aus regelkonform verhalten". Das sei doch eine Selbstverständlichkeit. Eine volle Kontrolle jedoch nicht.

Die Zeugenvernehmung wurde am Abend fortgeführt mit zwei Referatsleitern des Bundesministeriums der Finanzen: Christof Harzer, Leiter des Referats Kreditanstalt für Wiederaufbau; Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung; und Dominik Böllhoff, der das Referat Institutionelle Aufsicht über die BaFin leitet. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 27.04.21
Newsletterlauf: 13.07.21


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