Datenschutzaffäre bei der DB AG
Aufklärung der Datenschutzaffäre bei der Deutschen Bahn AG: Keine neuen Erkenntnisse
Bei der DB AG wurden mehrere Räume einer 'Datenquarantäne' eingerichtet, in denen "alle unzulässig erhobenen Daten (…) verbracht" worden sind
(27.08.10) - Nach übereinstimmender Erkenntnis der Sonderermittler, der Deutschen Bahn AG (DB AG) und des Berliner Datenschutzbeauftragten gibt es keine neuen Erkenntnisse über nicht bereits im Rahmen der Sonderermittlung identifizierte Begehungsformen.
Dies erklärt die Deutsche Bundesregierung in ihrer Antwort (17/2714) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (17/2604). Die Abgeordneten verlangten dabei Informationen über die Aufklärung der Datenschutzaffäre bei der DB AG (Nachfrage zur Bundestagsdrucksache 17/2229).
Vorbemerkung der Linksfraktion
"'Das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie: einen Staatskonzern, der mit illegalen Methoden in großem Ausmaß gegen Datenschutzgesetze und Persönlichkeitsrechte verstößt.' So lauten die einleitenden Sätze zum Kapitel 'Besser als die Stasi – wie die Bahn ihre Mitarbeiter ausspähte' im Schwarzbuch Deutsche Bahn von Christian Esser und Astrid Randerath (München 2010, S. 133 ff.).
In den Jahren 1998 bis Anfang 2009 wurden bei der Deutschen Bahn AG (DB AG) Hunderttausende persönliche Daten von 170 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern illegal erhoben. Vordergründig ging es um Korruptionsbekämpfung. Faktisch sprechen das Ausmaß der Bespitzelung und viele einzelne Aktivitäten im Rahmen dieser Flächenrasterung für eine andere Interpretation. Es sollten auch die Masse der Bahnmitarbeiter eingeschüchtert und diszipliniert und Kritiker der Bahnprivatisierung in der Belegschaft und Kontakte von Bahnmitarbeitern mit Kritikern des Bahnbörsengangs identifiziert werden.
'Bei der Aktion ,leakage‘ wollten die konzerninternen Sicherheitsleute wissen, ob Bahnmitarbeiter Journalisten oder Kritiker des geplanten Bahnbörsengangs mit Informationen versorgten […].Von März 2005 bis Oktober 2008 wurden täglich rund 145 000 Mails automatisch auf bestimmte Adressaten hin kontrolliert.' (stern vom 2. April 2009).
Der Vertreter der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Frank M. Hülsberg, konkretisierte am 27. Mai 2009 auf der Sitzung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages sinngemäß, es habe in der Zeit von 2004 bis 2008 eine sogenannte E-Mail-Logfile-Filterung gegeben, wo anlassbezogen diese Logfiles nach bestimmten Schlagworten durchsucht worden seien. Bei der Schlagwortliste sei es zu Hinzufügungen und auch Streichungen gekommen.
Der neue Bahnchef Dr. Rüdiger Grube teilte auf derselben Sitzung mit, dass er über eine Liste mit den Namen, nach denen der E-Mail-Verkehr durchsucht wurde, verfügen würde. Er schlug dort vor, vorab diejenigen zu kontaktieren, die auf der Filterliste stehen, bevor man mit der Liste möglicherweise an die Öffentlichkeit gehe. Der Journalist Günter Wallraff berichtete in der Wochenzeitung 'Die Zeit' (Ausgabe vom 23. April 2009) darüber, dass die Anzahl von Kündigungen gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn ab dem Zeitpunkt anstieg, als 'Hartmut Mehdorn den großen strategischen Plan durchsetzen wollte, die Bahn an die Börse zu bringen'.
Eine größere Zahl von Bahnbeschäftigten, die den Bahnbörsengang kritisch sahen, seien 'nach der Ausforschung ihrer Arbeitscomputer entlassen' worden. Die Personalabteilung der Bahn habe dabei Kündigungen 'häufig mit E-Mails [begründet], die die Betroffenen verfasst haben sollen – entweder sei der Inhalt des elektronischen Briefes gegen die Bahnprivatisierung gerichtet gewesen oder der Adressat sei als Gegner der Bahnprivatisierung bekannt, sei womöglich gar Journalist gewesen.'
Bei einigen derjenigen, denen – zum Teil erfolglos – gekündigt wurde, hätten sich auf deren Arbeitscomputer tierpornografische Inhalte bzw. Adolf Hitlers 'Mein Kampf' befunden, Material, das mutmaßlich durch Manipulationen Dritter auf die PCs der Betroffenen gelangte. Auf der angeführten Ausschusssitzung vom 27. Mai 2009 erklärte ein Vertreter der Kanzlei Baum, Reiter & Collegen, in technischer Hinsicht habe sich der Wallraff-Bericht bestätigt.
Die Sonderermittler hätten die Akten dazu angefordert, diese jedoch bis Ende ihrer Ermittlungen nicht erhalten. 15 Monate nach dem Wechsel an der Bahnspitze spricht Einiges dafür, dass das Ausmaß der Bespitzelungen weit größer war, als bisher bekannt ist, dass die Weiterungen des Skandals auch von der neuen Führung des Konzerns nicht öffentlich gemacht werden und dass Topmanager, die für die illegalen Maßnahmen mitverantwortlich waren, im Bahnkonzern weiter Führungspositionen innehaben und zum Teil Karrierestufen nach oben rückten.
Im Juni 2010 bestätigte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke. (Bundestagsdrucksache 17/2229) erstmals, dass bei der DB AG mehrere Räume einer 'Datenquarantäne' eingerichtet wurden, in denen 'alle unzulässig erhobenen Daten (…) verbracht' worden sind. Daniela Kuhr berichtete in der 'Süddeutschen Zeitung' (SZ) über die Kleine Anfrage und die Antwort der Bundesregierung auf dieselbe unter der Überschrift 'Die Geheimräume der Bahn' (Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 2010). Daniela Kuhr schrieb dabei über 'acht Räume' in der Bahnzentrale mit 'geheimen Akten und Unterlagen, die keiner der Sonderermittler je zu Gesicht bekommen hat', und darüber, dass 'diese Daten in Kürze gelöscht zu werden [drohen]'.
Die Autorin bzw. die Zeitung geht davon aus, dass 'eine vollumfängliche Aufarbeitung der Affäre, wie Grube sie immer versprach, dann nicht mehr möglich' sein würde. Zitiert werden in dem Bericht auch Aussagen, wonach nach Auffassung des Bahnvorstands 'nur der Staatsanwalt oder Opfer der Datenaffäre Zutritt' zu den Räumen mit dem Material zur Datenaffäre, nicht aber die Sonderermittler haben sollten.
In ihrer Antwort zu den Fragen 20 bis 25 der Kleinen Anfrage führte die Bundesregierung aus: 'Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist darauf verzichtet worden, ein Inhaltsverzeichnis der eingelieferten Daten und Unterlagen zu führen.' Inwieweit die Staatsanwaltschaft über die Kapazität verfügt, das Material in der Datenquarantäne zu sichten, ist unklar. Das fehlende Inhaltsverzeichnis (Register) verunmöglicht eine gezielte Einsichtnahme in jedem Fall. Opfer wiederum haben keine Möglichkeit, einen Zutritt zu den Datenquarantäneräumen zu verlangen, da sie keine Kenntnis davon haben können, dass in diesen Unterlagen zu ihrer Person gelagert sind. Im Übrigen wäre es offenkundig nicht möglich für Außenstehende nachzuvollziehen, wenn Unterlagen vernichtet bzw. Daten gelöscht wären bzw. würden." (Deutsche Bundesregierung: ra)
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