"Lex Hypo Real Estate" beschlossen


Beim Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) strebt der Bund nun die 100-prozentige Kontrollmehrheit an
- Die Bundesregierung werde allerdings alles versuchen, um einen Enteignungsschritt zu vermeiden
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dieses Vorgehen des Staates in dieser besonderen Lage als "alternativlos" bezeichnet


(23.03.09) - Der Deutsche Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, auf dessen Grundlage Banken im Notfall enteignet werden können. Systemrelevante Banken, deren Existenz auf dem Spiel steht, können so neu strukturieren werden. Die Bundesregierung weist darauf hin, letztendlich gehe es darum, die gesamte Volkswirtschaft vor größerem Schaden zu bewahren. Dafür brachte die Bundesregierung Ergänzung des so genannten Finanzmarktstabilisierungsgesetzes letzen Monat auf den Weg.

In dem Gesetzpaket, das konkret auf den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) abzielt, ist das so genannte Rettungsübernahmegesetz enthalten. Es regelt als allerletztes Mittel ("Ultima Ratio") im Einzelfall die zeitlich befristete Enteignung und zeitweise Verstaatlichung eines vor dem Scheitern stehenden, systemrelevanten Finanzinstituts.

Der Bund rette also nicht einzelne Bankhäuser, sagt die Bundesregierung, sondern sorge für ein stabiles Finanzsystem: Um einen Domino-Effekt zu verhindern. Es gehe nicht darum, den staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft zu erweitern. Es gehe darum, das, was an öffentlichen Mitteln bereitgestellt sei, im Interesse der Steuerzahler abzusichern.

Beim Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) strebt der Bund nun die 100-prozentige Kontrollmehrheit an. Die Bundesregierung wolle so verhindern, dass die HRE in eine Lage gebracht werde, die nicht nur den deutschen, sondern auch die internationalen Märkte erschüttern würde. Die Bundeskanzlerin hatte dieses Vorgehen des Staates in dieser besonderen Lage als "alternativlos" bezeichnet.

Hypo Real Estate stabil halten
Der Bund habe zur Stabilisierung der Bank mittlerweile Bürgschaften in Höhe von 87 Milliarden Euro gegeben. Diese Garantien gelte es zu sichern. Die HRE sei vor allem auf dem Pfandbriefmarkt eine wichtige, systemrelevante Bank. Sie finanziere zahlreiche öffentliche Investitionen. Dabei refinanziere sie das Kapital unter anderem mit Anleihen von Versicherungen.

Müsste die HRE tatsächlich aufgeben, wäre das mit gravierenden Folgen für die gesamte Volkswirtschaft verbunden. Deshalb werde derzeit pragmatisch geprüft, wie das Institut stabil und die Belastung der Steuerzahler möglichst gering gehalten werden könne.

Um beide Ziele zu erreichen, müsse der Bund die Kontrollmehrheit über die HRE bekommen. Die Bundesregierung werde alles versuchen, um einen Enteignungsschritt zu vermeiden. Die gesetzliche Regelung hierfür ist notwendig, um im schlimmsten Fall schnell handeln zu können.

Zwei-Stufen-Plan
Alle Möglichkeiten müssen geprüft und auch in Gang gesetzt werden, die eine Kontrollübernahme des Bundes über eine solche Bank mit milderen Mitteln ermöglichen. Das Ergänzungsgesetz sehe dafür gesellschaftsrechtliche Erleichterungen vor.

In einer ersten Stufe sei ein so genannter Kapitalschnitt mit anschließender Kapitalerhöhung erforderlich. Die dafür erforderlichen Mehrheiten in der Hauptversammlung werden daher gesetzlich gesenkt. Außerdem könne die Hauptversammlung innerhalb einer verkürzten Frist von einem Tag einberufen werden. Das Gesetz enthalte zudem zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen Aktionäre, die eine für den Fortbestand der Gesellschaft erforderliche Kapitalmaßnahme verzögern oder vereiteln.

Die zweite Stufe - also die Verstaatlichung - komme erst in Betracht, wenn die übrigen, milderen, rechtlich und wirtschaftlich zumutbaren Lösungen für den Erhalt des Unternehmens gescheitert seien.

Eine Enteignung sei also nur möglich, wenn zuvor in der Hauptversammlung die für eine entsprechende Kapitalmaßnahme notwendige Mehrheit nicht erreicht würde. Die Entschädigung der Aktionäre bei einer Enteignung richtee sich allein nach dem Börsenkurs.

Option der Verstaatlichung zeitlich befristet
Die Bundesregierung sagt, sie wolle damit nicht das Modell der sozialen Marktwirtschaft aushöhlen. Die Möglichkeit, ein Enteignungsverfahren einzuleiten, ende zum 30. Juni 2009. Die Option der Verstaatlichung stehe somit nicht auf Dauer zur Verfügung. Sie soll allein zur Bewältigung der Finanzkrise zulässig sein.

Würde die Möglichkeit zur Verstaatlichung tatsächlich genutzt, so sei das Unternehmen nach seiner nachhaltigen Stabilisierung unverzüglich wieder zu privatisieren.

Zügiges Verfahren
Der Gesetzentwurf soll bereits am 3. April abschließend im Bundesrat beraten werden. Kurz darauf will der Bundesfinanzminister Anfang April die Hauptversammlung der HRE einberufen.
(Deutsche Bundesregierung: ra)

Kontext (externer Link):
Video:
Bundesminister Steinbrück äußert sich zur Notwendigkeit des Gesetzes

Lesen Sie auch:
Marktkapitalisierung der HRE nur bei 190 Millionen
Banken sollen verstaatlicht werden können
Verstaatlichung von Banken als "ultima ratio"


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • PKGr-Bericht über Kontrolltätigkeit vorgelegt

    Als Unterrichtung durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) liegt dessen "Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß Paragraf 13 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes" (21/12) für den Berichtszeitraum Oktober 2023 bis Februar 2025 vor. Das PKGr kontrolliert die Bundesregierung hinsichtlich der Tätigkeit der Nachrichtendienste des Bundes (Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst, Bundesnachrichtendienst).

  • Deutsche Bahn dominiert

    Die Bundesregierung hat eine auf das 9. Sektorgutachten Bahn der Monopolkommission (20/8027) bezogene Stellungnahme vorgelegt (21/21). Dabei werde auf die Marktsituation bis zum 1. Halbjahr 2024 sowie auf Maßnahmen der Bundesregierung Bezug genommen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen worden sind oder deren Umsetzung bevorsteht, heißt es in der Unterrichtung.

  • Internationale Standards und Normen

    Nach Ansicht der Bundesregierung werden im Amtsblatt der EU veröffentlichte harmonisierte europäische Normen nicht generell Teil des Unionsrechts, auch wenn die EU-Kommission aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes eine andere Meinung vertritt. Dies erklärt die Bundesregierung in der Antwort (20/15026) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/14834).

  • Treibhausgas (THG)-Emissionen

    Die sektorenübergreifenden Treibhausgas (THG)-Emissionen sind seit dem Jahr 2021 deutlich gesunken,wobei alle Sektoren bis auf den Verkehr Rückgänge verzeichneten. Die Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung variiert erheblich zwischen den Sektoren. Das geht aus einer Unterrichtung der Bundesregierung zum Gutachten des Expertenrats für Klimafragen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen, Trends der Jahresemissionsmengen und zur Wirksamkeit von Maßnahmen hervor (20/14900).

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen