Reformbedarf bei EU-Finanzaufsicht
Deutsche Kreditwirtschaft sagt: "Aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich", dass Maßnahmen der Aufsichtsbehörden "nicht justiziabel sind und auch keiner rechtlichen Überprüfung durch die Kommission beziehungsweise den europäischen Gesetzgeber unterliegen"
Kritisch, dass von den ESAs erlassene Leitlinien weder der Kontrolle noch der Annahme durch die EU-Institutionen unterliegen
In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses ist Reformbedarf bei den europäischen Finanzaufsichtsbehörden deutlich geworden. In der Anhörung ging es um die Erfahrungen mit der "European Banking Authority (EBA) für den Bereich Bankenaufsicht, die European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge sowie die European Securities and Markets Authority (ESMA) für die Aufsicht über Wertpapiere und Märkte. Für die drei Institutionen wird der Begriff European Supervisory Authorities (ESAs) verwendet. So bezeichnete es die Deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Bankenverbände, als "aus rechtsstaatlicher Sicht bedenklich", dass Maßnahmen der Aufsichtsbehörden "nicht justiziabel sind und auch keiner rechtlichen Überprüfung durch die Kommission beziehungsweise den europäischen Gesetzgeber unterliegen.
Es gebe zum Beispiel bei der EBA Anhörungen, "aber keinen echten Dialog". Die Bankenverbände verlangten daher Kontrollmechanismen beziehungsweise "echten Rechtsschutz gegen Maßnahmen der ESAs". Notwendig wäre zum Beispiel ein Verbandsklagerecht.
Ganz ähnlich argumentierte der Fondsverband BVI: "Kritisch sehen wir, dass von den ESAs erlassene Leitlinien weder der Kontrolle noch der Annahme durch die EU-Institutionen unterliegen. Weder Marktteilnehmern noch nationalen Aufsichtsbehörden stehen Rechtsmittel gegen die Leitlinien zu." Bert Van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik (CEP) verlangte in seiner Stellungnahme, das Mandat der ESAs müsse "leicht" eingeschränkt werden: "Sie sollten Pläne zur Ausarbeitung von Leitlinien nur dann verfolgen können, wenn sich Rat und Parlament nicht dagegen aussprechen". Das Europäische Parlament habe schon wiederholt sein Unbehagen über "Ausmaß und Anzahl der Leitlinien" der ESAs geäußert.
Der Verband der Auslandsbanken in Deutschland lehnte es in seiner Stellungnahme ab, den ESAs Kompetenzen zur direkten laufenden Aufsicht und zur Ergreifung von Maßnahmen gegenüber Instituten zu geben. Der Bankenverband erklärte zur Arbeit der ESAs, es erscheine "uns augenfällig, dass ein immer größerer Teil der Regeln einen immer kleineren Nutzen hat". Die Regulierung laufe Gefahr, durch allgemeine Kostensteigerungen für das Finanzsystem und alle seine Teilnehmer die Finanzstabilität und den Kundenschutz auszuhöhlen. Eine direkte Aufsicht der Versicherungen durch EIOPA lehnte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) ab. Die Zuständigkeiten zwischen EIOPA und den nationalen Aufsehern müssten klar festgelegt sein. Auch sei eine europäische Verbraucherschutzbehörde nicht notwendig. Verbraucherschutz solle "vor Ort" gewährleistet werden. Mit den heutigen Strukturen zeigte sich der GdV zufrieden, während EIOPA in der Anhörung um mehr Kompetenzen warb.
Professor Reiner Lenz von "Finance Watch" begrüßte, "dass wir die Bankenunion haben". In seiner Stellungnahme verlangte er "eine Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit von Aufsichtsbehörden". Benötigt würden starke europäische Aufsichtsbehörden, ausgestattet mit qualifiziertem Personal und genug Haushaltsmitteln. Nur könnten sich diese Behörden gegen politische Interessen durchsetzen und Banken abwickeln. Denn der Zustand des europäischen Finanzsystems sei keinesfalls stabil. 2017 habe es ein Rettungsprogramm für italienische Banken in Höhe von 20 Milliarden Euro gegeben, und Bankensysteme anderer europäischer Länder würden einen untragbar hohen Bestand an notleidenden Krediten aufweisen. Es handele sich um ein Volumen von einer Billion Euro. Die oft geforderte Subsidiarität könne nicht darin bestehen, dass der Staat die Banken mit Steuergeldern rette, und die Banken würden dann die Rettungskosten über den Kauf von Staatsanleihen finanzieren, für die sie kein Eigenkapital hinterlegen müssten. Diese "unheilvolle Verbindung zwischen Staaten und nationalen Banken" müsse gekappt werden.
Die Deutsche Bundesbank erklärte in ihrer Stellungnahme, die den Aufsichtsbehörden übertragenen Befugnisse und Instrumentarien seien "im Wesentlichen ausreichend". Die Notwendigkeit für eine große Strukturreform werde nicht gesehen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) schloss sich dieser Auffassung an, und auch von der Europäischen Zentralbank hieß es, die Aufsicht sei eng verbunden. Es gebe keine großen Abweichungen. Nicoals Veron (Bruegel und Peterson Institute for International Economics) erklärte, die europäischen Aufsichtsbehörden seien heute unabhängiger als früher die nationalen Aufsichtsbehörden. Andererseits seien sie nicht so nah am Geschehen. Das könne sich aber noch verbessern. (Deutscher Bundetag: ra)
eingetragen: 28.06.17
Home & Newsletterlauf: 06.07.17
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