Einführung einer Finanztransaktionssteuer
Anhörung vor dem Finanzausschuss: Finanztransaktionssteuer bleibt in der Fachwelt umstritten
Im Gegensatz zur Bankenabgabe könne die Finanztransaktionsteuer eine gewünschte Lenkungswirkung haben
(20.05.10) - Die in mehreren Bundestagsanträgen geforderte Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist unter Fachleuten heftig umstritten. Auch über die von der Bundesregierung erwogene "Bankenabgabe" gaben die Fachleute in einer Anhörung des Finanzausschusses am Montag völlig unterschiedliche Urteile ab. So erklärte Professor Christoph Kaserer (TU München) zu den verschiedenen Anträgen der SPD-Fraktion, der Linksfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/527, 17/518, 17/471, 17/1422), in denen die Einführung einer Transaktionssteuer gefordert wird, er lehne diese Steuer ab, da sie die Preisbildungseffizienzen der Märkte reduzieren würde.
Die Ausweichaktivitäten seien nicht unter Kontrolle zu bringen. Die immer wieder als Vorbild angeführte Schweizer und die britische Stempelsteuer seien wegen ihrer Ausnahmen "löchriger als ein Schweizer Käse". Die Einführung einer solchen Steuer sei "ein Experiment mit äußerst ungewissem Ausgang".
Die Deutsche Bundesbank teilte mit, die Steuer sei grundsätzlich geeignet, Transaktionen zu verteuern und damit deren Häufigkeit zu reduzieren. Es seien jedoch nicht nur spekulative Geschäfte, sondern auch Anlagen von Versicherungen und Investmentfonds betroffen. Falls eine globale Umsetzung nicht gelinge, sei von Ausweichreaktionen der Marktteilnehmer auszugehen.
Die "Gruppe Deutsche Börse" ergänzte in diesem Zusammenhang, die Steuer würde Anreize schaffen, noch stärker als bisher in die Nischen auszuweichen, die von der Steuer nicht erfasst seien.
Beatrice di Mauro, Mitglied des Sachverständigenrates, erklärte, Ziele der Steuer seien das Erzielen von Einnahmen und die Verhinderung gesellschaftlich unerwünschten Verhaltens. Für beide Ziele sei die Steuer jedoch wenig geeignet. Sie sprach sich für die Einführung einer "Stabilitätsabgabe" auf systemische Risiken aus.
Die Deutsche Bank Research sah die Bankenabgabe hingegen als das geeignetere Mittel an. Damit werde Kapital geschaffen, um die Abwicklung systemischer Institute zu ermöglichen.
Der Bankenverband zeigte ebenfalls Sympathien für die Bankenabgabe. Der Verband der Pfandbriefbanken sah erhebliche Probleme bei der Finanztransaktionssteuer.
Dagegen bezeichnete Marit Schratzensteller-Altzinger vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschungen die Finanztransaktionssteuer als "unseren Favoriten". Bei einem Steuersatz von 0,01 Prozent je Transaktion werde sie europaweit 80 Milliarden Euro einbringen, davon in Deutschland 12 Milliarden Euro. Die Steuer habe ein viel höheres Aufkommen als die von der Bundesregierung erwogene Bankenabgabe und habe Stabilisierungswirkungen gegen die kurzfristige Spekulation, was die Bankenabgabe nicht habe. Bei der Bankenabgabe sah Schratzensteller-Altzinger das Problem, dass sie wegen ihrer Versicherungswirkung (das Aufkommen soll in einen Fonds zur Bewältigung künftiger Krisen fließen) die Risikobereitschaft der Banken sogar noch erhöhe.
Auch der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sowie der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken befürworteten die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Eine Bankenabgabe werde sie als Kreditgeber des Mittelstands stärker treffen als die Finanztransaktionssteuer, betonten sie.
Auch Professor Max Otte (Fachhochschule Worms) wies auf die Belastung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken durch die Bankenabgabe hin. Dagegen habe die Finanztransaktionsteuer die gewünschte Lenkungswirkung. Je langfristiger angelegt werde, desto geringer falle die Belastung aus, sagte Otte.
Professor Rudolf Hickel (Universität Bremen) wies Befürchtungen zurück, Kleinsparer könnten durch eine Finanztransaktionsteuer übermäßig belastet werden. Es gehe allein darum, die kurzfristige Spekulation durch die Steuer zu verteuern. Die Bankenabgabe lehnte Hickel mit dem Hinweis ab, sie bestrafe genau diejenigen Institute, die sich in der letzten Krise ordentlich verhalten hätten.
Die österreichische Wirtschaftskammer bezeichnete die Finanztransaktionssteuer als fair, weil sie langfristiges Investment schone und kurzfristiges belaste. Wichtig sei auch, mit den Erträgen die Haushalte zu sanieren. "Wir sind doch alle in Richtung Griechenland unterwegs – mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten", sagte ein Sprecher der Kammer in der Anhörung.
Der österreichische Finanzstaatssekretär Andreas Schieder erklärte, ein Signal des Deutschen Bundestages für die Steuer könnte "den Durchbruch in dieser wichtigen Frage bedeuten".
Ganz anders argumentierte Professor Roland Vaubel (Universität Mannheim). Eine Steuer auf Transaktionen dämpfe nicht die spekulativen Kursausschläge, sondern verhindere Transaktionen, die Käufer und Verkäufer besser stellten. Damit sei außer dem Fiskus niemandem gedient. "Spekulation ist eine volkswirtschaftlich nützliche Tätigkeit", schrieb Vaubel, der eine Bankenabgabe als Versicherungslösung begrüßte, in seiner Stellungnahme. (Deutscher Bundestag: ra)
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