Schleichende Flucht aus der Mitbestimmung?


Sachverständige erörtern Anträge zur Stärkung der Unternehmensmitbestimmung
Mitbestimmungsgesetz von 1976 eine "Scheinmitbestimmung"?


(13.05.11) - Die Anträge der SPD-Fraktion mit dem Titel "Demokratische Teilhabe von Belegschaften und ihren Vertretern an unternehmerischen Entscheidungen stärken" (17/2122) sowie der Fraktion Die Linke mit dem Titel “Unternehmensmitbestimmung lückenlos garantieren" (17/1413) waren Gegenstand der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt in seiner Stellungnahme die Fraktionsanträge für eine Erstreckung der Mitbestimmungsgesetze auf Gesellschaften ausländischer Rechtsformen, die in Deutschland ansässig sind. "Offenkundig sind im Schutzbereich der Unternehmensmitbestimmung in Deutschland durch die Europäisierung des Gesellschaftsrechts Lücken entstanden", schreibt der DGB und äußert sich besorgt über "eine schleichende Flucht aus der Mitbestimmung".

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnt hingegen die Forderungen der Fraktionen ab und warnt in seinem Papier vor einer "Isolierung des deutschen Mitbestimmungssystems in Europa". Roland Wolf von der BDA betonte, die geforderte Ausweitung der Unternehmensmitbestimmung auf ausländische Kapitalgesellschaften sei mit den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs nicht vereinbar und verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit.

Das Berlin Center of Corporate Governance Technische Universität Berlin schreibt, das Ziel, einer überzogenen Shareholder-Value-Orientierung der Unternehmensführung entgegenzuwirken, sei grundsätzlich zu begrüßen. “Die Annahme, dass sich das Regime der unternehmerischen Mitbestimmung bewährt hat und einen Standortvorteil darstellt, ist in dieser Form jedoch pauschal nicht haltbar", heißt es weiter.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln hinterfragt in seinem Papier die Begründung der Anträge und den dort enthaltenen Verweis der Fraktionen auf die gestiegene Anzahl von in Deutschland ansässigen Firmen, die sich aufgrund der Wahl einer ausländischen Rechtsform der Unternehmensmitbestimmung entzögen. “Die insgesamt in beiden Anträgen aufgeführte Anzahl von Firmen - 37 - kann angesichts einer Gesamtzahl von 700 Unternehmen, die unter das Mitbestimmungsgesetz" fallen, "kaum als Beleg für die Ausbreitung einer mitbestimmungsfreien Zone gewertet werden."

Professor Heinz-J. Bontrup gehen die Fraktionsanträge hingegen nicht weit genug. Diese wiesen zwar in die richtige Richtung, betont er in seiner Stellungnahme. Aber selbst bei vollständiger Umsetzung könne auch in Zukunft nicht von einer Wirtschaftsdemokratie gesprochen werden. Diese sei aber längst überfällig, sagte er während der Anhörung. Er bezeichnete außerdem das Mitbestimmungsgesetz von 1976 als "Scheinmitbestimmung" und wies auf die zentrale Rolle der Arbeitnehmer für die Wertschöpfung hin. "Ein Unternehmen ohne Beschäftigte ist ein Museum", sagte er. (Deutscher Bundestag: ra)



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Gleichstellung als verbindliches Förderkriterium

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in einem Antrag (21/790) die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichstellung von Frauen und Mädchen im organisierten Sport in Deutschland deutlich zu verbessern.

  • Ausbau der digitalen Infrastruktur

    Die von der schwarz-roten Koalition geplante Novelle des Telekommunikationsgesetzes ist bei einer Mehrheit der Sachverständigen auf Zustimmung zu den Zielen und Kritik an Details gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses zum TKG-Änderungsgesetz 2025 bezeichnete eine Reihe von Sachverständigen den Entwurf als ein wichtiges Signal für die Branche.

  • Auskunft zum Cum/Ex und Cum/Cum

    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

  • Kosten der Vermeidung von CO2-Emissionen

    Keine konkreten Angaben zu den Kosten, die ihre Pläne zur Vermeidung von CO2-Emissionen verursachen, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/715) auf eine Kleine Anfrage (21/296) der AfD-Fraktion. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein "breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen" setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität. Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen gehe dabei über eine "kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten" hinaus.

  • Steuerung des Windenergieausbaus

    An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen