Streit über Ausschreibung für Zytostatika


Immer mehr Krankenkassen gehen dazu über, die Herstellung und Lieferung der kostspieligen Zytostatika mit Hilfe von Ausschreibungen an jene Apotheken mit dem günstigsten Preis zu vergeben
Flächendeckende Versorgung mit Spezialapotheken sei durch die Ausschreibungspraxis gefährdet



Krankenkassen, Apotheker und Ärzte streiten heftig über die bisher mögliche Ausschreibung für die Herstellung von Krebsmedikamenten (Zytostatika). In einer Expertenrunde im Gesundheitsausschuss machten die Vertreter der an dem Prozess beteiligten Stellen ihre gegensätzlichen Auffassungen zu dem Thema deutlich. Das Bundeskabinett hatte unlängst mit dem Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV" eine Vorlage beschlossen, in der vorgesehen ist, dass auf die Ausschreibungsmöglichkeit künftig verzichtet wird.

Immer mehr Krankenkassen gehen dazu über, die Herstellung und Lieferung der kostspieligen Zytostatika mit Hilfe von Ausschreibungen an jene Apotheken mit dem günstigsten Preis zu vergeben. In Deutschland gibt es nach Angaben der Pharmazeuten rund 300 speziell ausgerüstete Apotheken, die in der Lage sind, Zytostatika herzustellen. Onkologen und Apotheker wehren sich gegen die Ausschreibungen, weil sie befürchten, dass darunter die flächendeckende Versorgungsqualität leidet.

Stephan Schmitz, Vorstandschef beim Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (BNHO), sagte im Ausschuss, die Zytostatika-Herstellung sei ein ausgesprochen komplexer Prozess. Mit den Ausschreibungen werde die ganze bewährte Prozesskette ausgeschaltet. Das habe Folgen für die Patienten, denn es gehe nicht nur um die Krebsmittel, sondern auch um die Begleitmedikation, die aus einer Hand organisiert werden müsse, um die Patienten nicht zu überfordern.

Die Spezialmedikamente müssten auch ganz kurzfristig bereitgestellt werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und eine hohe Qualität zu gewährleisten. Dies sei über ortsferne Ausschreibungen nicht zu erreichen. Vielmehr könne es sein, dass teure Medikamente nicht zur rechten Zeit verabreicht und so unbrauchbar würden. Dies sei nicht zu akzeptieren, wenn eine Fusion 8.000 Euro koste. Mit den Ausschreibungen werde überdies in das Arzt-Patienten-Verhältnis eingegriffen.

Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, warnte, die flächendeckende Versorgung mit Spezialapotheken sei durch die Ausschreibungspraxis gefährdet. Er betonte: "Wenn die Labors mal zu sind, geschieht nichts mehr." In der Folge könnten nur noch wenige qualifizierte Apotheken übrig bleiben und frisch hergestellte Präparate über weite Wege zu spät zu den Patienten gelangen.

Vertreter der Krankenkassen und des GKV-Spitzenverbandes widersprachen der Darstellung, die Ärzte würden übergangen und das System ausgehebelt. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, sagte, es entscheide weiter der Arzt darüber, was verordnet werde. In dessen Entscheidungshoheit werde nicht eingegriffen.

Das Problem mit schnell verfallenden Arzneimitteln habe mit der Ausschreibung nichts zu tun. Die Patienten bekämen auch keine vergammelten Medikamente. "Das ist alles sauber." Für die Patienten ändere sich nichts, weil sie die Arzneimittel nicht selbst in der Apotheke abholen müssten. Das laufe alles über den Arzt.

Johannes Thormählen, Vorstand der Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen (GWQ) betonte, bei einer Ausschreibung würden Onkologen von maximal drei statt einer Apotheke beliefert. Das könne ja kein Problem sein. Die Praxis zeige, dass die Ausschreibungen auch wohnortnah funktionierten. Es gebe sogar erstmals eine klare Definition für sogenannte ad-hoc-Lieferungen der Zytostatika. So seien 30 Minuten Herstellungszeit vorgesehen und 60 Minuten Lieferzeit. Er könne hier keine verschlechterte Versorgung erkennen. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 28.10.16
Home & Newsletterlauf: 14.11.16


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