Disput um Videoüberwachung


Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes: Ebnet Gesetzentwurf "einen Weg für eine Totalüberwachung des öffentlichen Raums"?
Das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz sieht Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes vor



Zwei Gesetzesvorlagen der Deutschen Bundesregierung zum verstärkten Einsatz von Videotechnik stoßen bei Experten auf unterschiedliche Einschätzungen. Dies wurde bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses zu den Regierungsentwürfen eines "Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes" (18/10941) und eines "Gesetzes zur Verbesserung der Fahndung bei besonderen Gefahrenlagen und zum Schutz von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei durch den Einsatz von mobiler Videotechnik" (18/10939) deutlich.

Das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz sieht Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes vor mit dem Ziel, bei einem Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen in Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs und öffentlichen Anlagen wie Sportstätten und Einkaufszentren festzuschreiben, dass der "Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit dort befindlicher Personen als besonders wichtiges Interesse gilt". Diese Wertung soll bei der Abwägung über den Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen zu berücksichtigen sein.

Mit dem zweiten Gesetzentwurf soll "eine Stärkung der polizeilichen Befugnisse zum Einsatz von technischen Mitteln erreicht werden". Vorgesehen ist unter anderem eine Verbesserung des Schutzes von Polizeibeamten sowie der "Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung" durch die Befugnis, mobile Videotechnik einzusetzen. Wie die Regierung dazu ausführt, haben die Erfahrungen in einzelnen Ländern gezeigt, dass mobile Videotechnik erfolgreich zur Eindämmung von Gewaltdelikten gegen Polizeibeamte eingesetzt werden kann. Durch den Einsatz körpernah getragener Kameras würden auch die Möglichkeiten zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung verbessert.

Professor Hans Peter Bull bewertete den Entwurf des Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes als von Zielrichtung und Inhalt her "richtig, angemessen, legitim, verfassungsgemäß". Die Regelung werde praxisgerecht sein, sagte er. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung könne er nicht erkennen, und auch europarechtliche Bedenken sehe er nicht.

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Professor Johannes Caspar, kritisierte dagegen, der Gesetzentwurf ebne "einen Weg für eine Totalüberwachung des öffentlichen Raums". Dabei werde die Neuregelung keinen präventiven Schutz vor Terroranschlägen bieten, da sich Terroristen von Videoüberwachung nicht abschrecken ließen.

Professor Kai von Lewinski von der Universität Passau entgegnete, Videoüberwachung wirke sich sowohl auf das Verhalten von Tätern als auch von Unbeteiligten und die Gesellschaft insgesamt aus. Welchen Aspekt davon man betonte, scheine ihm "eher eine Frage der politischen Rhetorik zu sein". In dem Entwurf des Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes gehe es wahrscheinlich "um so etwas wie eine informationelle Sozialpflichtigkeit: dass man sich im Dienste der allgemeinen Sicherheit beobachten lassen muss."

Für die Gewerkschaft der Polizei begrüßte Jörg Radek den Einsatz mobiler Videotechnik. Ebenfalls begrüße man, dass diese zum Schutz der Beamten eingesetzt werden solle. Dies sei eine "neue Qualität in der Diskussion". In dem Gesetz müsse aber auch verankert sein, dass der Beamte, der die Aufzeichnungen vornimmt, seine eingesetzten Kollegen darüber informiert. Notwendig sei zudem, die Beamten hinreichend zu schulen.

Andreas Ruch von der Ruhr-Universität Bochum sagte mit Blick auf den Einsatz sogenannter Bodycams, grundsätzlich spreche nichts dagegen, dass die Bundespolizei "die Technik nutzt, die mittlerweile fast jeder Bürger nutzt". Allerdings könnten Bodycams "niemals die ganze Geschichte" mit allen Facetten erfassen. Die Aufnahmen müssten auch genutzt werden, "um polizeiliches Fehlverhalten zu dokumentieren".

Für den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen machte Jan Schilling deutlich, dass seine Organisation das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz ebenfalls begrüße. Der Entwurf stelle eine "geeignete, erforderliche und auch angemessene Lösung" dar, sagte Schilling. Dabei sehe sein Verband auch eine präventive Wirkung der Videoüberwachung.

Jörg Töpfer vom Bundespolizeipräsidium verwies auf positive Ergebnisse einer Erprobung von Bodycams durch die Bundespolizei. Aus Sicht der Bundespolizei und ihrer Beschäftigten sei die Einführung des neuen Paragrafen zum Einsatz dieser Geräte in das Bundespolizeigesetz "konsequent und notwendig". (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 12.04.17
Home & Newsletterlauf: 21.04.17


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Stand zum Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

    Die Bundesregierung wird ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen, das im Zeitraum bis zum Jahr 2030 auch Maßnahmen zur Treibhausgasminderungsquote im Bereich der durch die EU-Lastenverteilungsverordnung (ESR) erfassten Sektoren Gebäude und Verkehr enthalten wird. Die Maßnahmen für das Programm werden derzeit entwickelt. Das geht aus der Antwort (21/1072) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/762) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.

  • Fluggastrechteverordnung für reformbedürftig

    Die Bundesregierung lehnt die Erhöhung von Zeitschwellen für Entschädigungen in der Fluggastrechteverordnung der EU ab. Sie stellt sich damit gegen einen entsprechenden Beschluss des Rates der EU-Verkehrsminister, wie aus einer Antwort (21/962) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (21/749) hervorgeht. Eine solche "Abschwächung des Verbraucherschutzniveaus" lehne die Bundesregierung ab. Sie trete für einen "ausgewogenen Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen sowie der Reisewirtschaft" ein.

  • Digitalisierung des Gesundheitswesens

    Der Petitionsausschuss hält mehrheitlich an der Widerspruchslösung (Opt-out-Lösung) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. In der Sitzung verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Beschlussempfehlung an den Bundestag, das Petitionsverfahren zu der Forderung, die elektronische Patientenakte nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen anzulegen (Opt-in-Lösung), abzuschließen, weil keine Anhaltspunkte für parlamentarische Aktivitäten zu erkennen seien.

  • Angaben zu Cum-Cum-Geschäften

    Derzeit befinden sich 253 Cum-Cum-Verdachtsfälle mit einem Volumen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro bei den obersten Behörden der Länder und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/915) auf eine Kleine Anfrage (21/536) der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu den rechtswidrigen Steuergeschäften.

  • Konformitätsbewertung von Produkten

    In einer Kleinen Anfrage (21/946) möchte die AfD-Fraktion von der Bundesregierung wissen, wie die EU-Maschinenverordnung (EU/2023/1230) im Hinblick auf KI-basierte Sicherheitssysteme angewendet und begleitet werden soll. Die Verordnung, die ab dem 20. Januar 2027 gilt, stellt laut Vorbemerkung der Anfrage neue Anforderungen an Maschinen mit eingebetteter Künstlicher Intelligenz.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen