VW-Abgasbetrug vermutlich kein Einzelfall


Kalifornische Umweltbehörde Carb will weitere Autohersteller intensiver unter die Lupe nehmen
Die Prüfungen der Behörde, die im Gegensatz zum deutschen Kraftfahrtversicherung-Bundesamt eigene Labore unterhält, reichen im Fall VW bis ins Jahr 2012 zurück




Nach der Aufdeckung des Abgasbetruges bei Volkswagen will die kalifornische Umweltbehörde Carb weitere Autohersteller intensiver unter die Lupe nehmen. VW sei vermutlich kein Einzelfall, sagte die Carb-Chefin Mary Nichols bei einer Befragung durch den Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Aktuell liefen Tests wegen Auffälligkeiten bei Fiat Chrysler. Zudem wolle man weitere Diesel-, aber auch benzingetriebene Fahrzeuge untersuchen. Vertrauen sei gut, Kontrolle aber besser, sagte Nichols. Die 71-Jährige wurde per Videokonferenz durch den Ausschuss befragt.

Nichols steht seit 2007 an der Spitze des mächtigen California Air Resources Board, ernannt wurde sie vom damaligen Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Von 1975 bis 1983 hatte sie den Posten schon einmal inne. In den 90er Jahren arbeitete sie für die Bundesbehörde EPA. Nichols nannte die Carb eine der effizientesten Regulierungsbehörden der Welt. In Kalifornien mit seinen 38 Millionen Bewohnern gelten besonders strenge Abgasnormen. Die Carb war es auch, die dem Abgasbetrug durch VW auf die Spur kam.

Die Prüfungen der Behörde, die im Gegensatz zum deutschen Kraftfahrtversicherung-Bundesamt eigene Labore unterhält, reichen im Fall VW bis ins Jahr 2012 zurück. Eigentlich seien VW Diesel in Kalifornien als sparsame Autos beliebt, sagte Nichols. Die Behörde glaubte, dass VW es geschafft hatte, "extrem gute Verbräuche" mit entsprechend niedrigen CO2-Werten bei gleichzeitiger Senkung der Stickoxid-Emissionen hinzubekommen. Die Tests bei VW hätten zunächst als Forschungsauftrag begonnen. Dann seien aber starke Abweichungen der NOx-Werte mit einer bis zu einer 40-fachen Überschreitung festgestellt worden, was die Carb zu intensiveren Tests veranlasste. Parallel hatten der Forscherverbund ICCT und die West Virginia University Tests an VW vorgenommen und 2014 ihren Bericht veröffentlicht.

VW hat sich nach Aussage von Nichols wenig kooperativ verhalten. Bei der Carb habe man geglaubt, VW wolle sie "an der langen Hand verhungern lassen". Dokumente seien spät und unvollständig eingereicht oder es sei auf Übersetzungsprobleme verwiesen worden. Im Frühjahr 2015 habe sich anhand zahlreicher Indizien der Eindruck verfestigt, das VW eine verbotene Einrichtung verwendet, um die Abgasreinigung auf der Straße abzuschalten. Im August 2015 habe VW dies schließlich zugegeben. Die Carb habe damit den exakten Nachweis nicht mehr führen müssen. Am 18. September 2015 machten Carb und EPA die Vorwürfe öffentlich. Die Verzögerung um einige Wochen erklärte Nichols mit der Sicherstellung von Akten.

Bei der Einigung über Strafzahlungen musste VW die beanstandeten Autos nicht zu 100 Prozent in einen rechtskonformen Zustand bringen, sondern nur zu 85 Prozent, wie Nichols weiter erläuterte. Dafür mussten VW etwa Gelder in einen Treuhandfonds zahlen, um andere Projekte zu finanzieren, so dass für die Umwelt unter dem Strich kein Nachteil entstehe. Dieses Vorgehen der Verrechnung sei für die Kunden besser, sagte Nichols. Vom Skandal Betroffene können in den USA ihre Diesel auch zurückgegeben. Sie wisse nicht genau, wie viele Kunden dies in Anspruch nähmen, es sei aber eine ganze Reihe.

Nichols war am 14. April 2010 auch bei einem Treffen Schwarzeneggers mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dabei. Es habe sich um ein Frühstück in einem Hotel in Beverly Hills gehandelt, es sollte um Fragen des Klimaschutzes gehen. Nichols bestätigte dabei Vorgänge, die bereits durch die Presse gingen. Merkel hat sich demnach zu Beginn des Gesprächs über die strengen Abgasnormen in Kalifornien beklagt, die den deutschen Herstellern schadeten. Nichols sagte, sie sei überrascht gewesen, dass eine Regierungschefin über dieses Thema so gut informiert gewesen sei. Umgekehrt würde sie das von einem US-Präsidenten nicht erwarten. Eine ähnliche Intervention eines Politikers gegen die kalifornischen Umweltgesetze habe sie weder zuvor noch später erlebt, hatte Nichols der "Wirtschaftswoche" gesagt. Merkel wird am Mittwoch im Ausschuss erwartet.

Kontakt zur deutschen Bundesregierung hat es vor dem 18. September 2015 laut Nichols nicht gegeben. Auch danach hätten deutsche oder europäische Behörden nicht um einen Austausch gebeten. Nichols sprach sich für ein weltweites Netzwerk der Behörden aus, um effektiver zu sein. Der Fall VW sei auch für die Carb, bei der sich rund 300 Mitarbeiter mit Emissionen befassen, sehr zeitintensiv gewesen. Nichols warb zugleich für möglichst einheitliche weltweite Teststandards. Auch die Autoindustrie beklage oft die mehrfachen Zertifizierungen in unterschiedlichen Regionen. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 12.04.17
Home & Newsletterlauf: 27.04.17


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • E-Rechnung: E-Mail-Postfach reicht aus

    Für den Empfang einer E-Rechnung reicht künftig die Bereitstellung eines E-Mail-Postfachs aus. Das erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/12742) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/12563). Allerdings können die beteiligten Unternehmen auch andere elektronische Übermittlungswege vereinbaren.

  • Flächenkreislaufwirtschaft angestrebt

    Die Nutzung neuer Flächen für Bau- und Verkehrsprojekte soll weiter reduziert und bis 2050 auf "Netto-Null" reduziert werden. Dieses Ziel wird in dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (20/12650) vorgelegten Transformationsbericht zum Bereich Nachhaltiges Bauen und Verkehrswende formuliert.

  • Förderung für Reparaturinitiativen statt Reparatur

    Die Bundesregierung will laut einer Antwort (20/12723) auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke (20/12495) Reparaturinitiativen mit insgesamt drei Millionen Euro fördern. Die Einführung eines Reparaturbonus auf Elektrogeräte lehnt sie mit Verweis auf die Haushaltslage ab.

  • Vor möglichen Lieferengpässen gewarnt

    Eine Bedrohung der Arzneimittelversorgung ist nach Angaben der Bundesregierung durch das novellierte chinesische Anti-Spionage-Gesetz derzeit nicht zu befürchten. Es gebe einen engen Austausch mit den Ländern, um mögliche Bedenken und Risiken bei künftigen Inspektionsreisen zu minimieren, heißt es in der Antwort (20/12695) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/12482) der Unionsfraktion.

  • Bericht zur Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt

    Die Bundesregierung hat den "Bericht über die für die Europäische Kommission zu erstellenden Berichte über die durch die Strukturfonds geleisteten Beiträge zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt" als Unterrichtung (20/12550) vorgelegt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen