Rolle der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung


Christine Lambrecht sagte zum Fall Wirecard aus
Im Zuge der Wirecard-Krise habe man sich das zweistufige Prüf-Konstrukt dann genauer angeschaut



Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wurde am vom 3. Untersuchungsausschuss ("Wirecard") befragt. Dabei ging es vor allem um die Rolle der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), die den Bilanzbetrug der Wirecard AG nicht aufdeckte, und deren Verbindung zum Bundesministerium der Justiz. Entsprechend dem vom Deutschen Bundestag 2004 einstimmig beschlossenen Bilanzkontrollgesetz führe die 2005 vom Finanzministerium zertifizierte privatrechtlich organisierte DPR seit 2005 stichprobenartig Bilanzkontrollverfahren bei Kapitalmarktunternehmen auf der ersten Stufe eines zweistufigen Verfahrens durch, erläuterte Lambrecht. Auf der zweiten Stufe werde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Teil der hoheitlichen Verwaltung tätig.

Für dieses Verfahren habe man sich in Reaktion auf die großen Unternehmensskandale vom Anfang der 2000er Jahre entschieden, sagte die Ministerin und erinnerte daran, dass es in Deutschland vorher gar keine Bilanzkontrolle gegeben habe. Man sei damals der Idee der Selbstregulierung der Wirtschaft gefolgt, habe eine mit hochkarätigen Experten aus der Wirtschaft besetzte Einrichtung geschaffen, mit Leuten, die sich auf Augenhöhe mit den zu kontrollierenden Unternehmen bewegten und wüssten, wo sie bei der Prüfung hinschauen müssen. Unstimmigkeiten sollten zunächst auf Ebene des Privatrechts gelöst werden.

Noch 2017 habe die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA das deutsche Verfahren als vorbildlich bezeichnet. 1.500 Prüfverfahren habe die DPR bis heute durchgeführt und in einzelnen Fällen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt, den Finanzbetrug bei Wirecard jedoch leider nicht entdeckt. "Da ist das zweistufige Verfahren an seine Grenzen gestoßen." Für Bilanzbetrug, kriminelle Strukturen, kriminelle Energie sei die DPR auch nicht zuständig, sondern lediglich für die Bilanzkontrolle und gegebenenfalls die Feststellung von Fehlern in der Rechnungslegung.

Ihr Haus, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) selbst sei nicht Teil des Enforcement-Geschehens, habe keinen Einblick in Einzelfälle, erläuterte Lambrecht. Informationspflichten der DPR bestünden ausschließlich gegenüber der BaFin. Die Beschäftigten der DPR unterlägen sogar einer strafrechtlich bewährten Verschwiegenheitspflicht.

Das sei "das Konstrukt, wie es der Gesetzgeber 2004 einstimmig beschlossen hat." Daher habe das BMJV auch nicht über das laufende Prüfverfahren gegen die Wirecard AG informiert werden können. Im Zuge der Wirecard-Krise habe man sich das zweistufige Prüf-Konstrukt dann aber genauer angeschaut. Um Rechtssicherheit herzustellen und politischen Handlungsspielraum für eine Neuordnung zu bekommen, habe ihr Haus den Vertrag mit der DPR am 29. Juli 2020 im Rahmen einer ordentlichen Kündigung aufgelöst. Dieser laufe nun noch bis Ende 2021. Dies sei ausdrücklich nicht als Schuldvorwurf gegen die DPR zu verstehen. Die Bilanzkontrolle werde im Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz neu geregelt.

Die Ausschussmitglieder konfrontierten die Ministerin mit der Frage, wie sich die vom Gesetzgeber geforderte personelle Unabhängigkeit der DPR-Prüfer damit vertragen habe, dass der Leiter der Prüfstelle, Edgar Ernst, bis zuletzt drei Aufsichtsratsmandate bei den Unternehmen Metro, Tui und Vonovia inne hatte.

Lambrecht klärte auf, dass der damals laufende Dienstvertrag des Prüf-Chefs dies durchaus erlaubt habe. Die 2016 novellierte Verfahrensordnung der DPR habe dann ausgeschlossen, neue Aufsichtsratsmandate anzunehmen, jedoch auf zukünftige Dienstverträge gezielt und zudem Ausnahmen für die DPR-Spitze vorgesehen. Und: "Uns ist dann klar geworden: Da warten wir nicht, bis jemand neues kommt," sondern man fordere das bereits vom aktuellen Präsidenten an, wenn es zu dessen Vertragsverlängerung komme. Bei bestehenden Aufsichtsratsmandaten könne der für die DPR zuständige Nominierungsausschuss Ausnahmen zulassen. Demnach dürften der Präsident und sein Vize jeweils höchstens drei Aufsichtsratsmandate behalten, bei Ernst eben die von Metro, Tui und Vonovia. Es dürften jedoch keine neuen Engagements übernommen werden.

"Die drei bestehenden Aufsichtsratsmandate durfte er behalten", monierte Matthias Hauer (CDU/CSU). "Das hört sich an wie ein Placebo: Nach außen verschärfen wir die Regeln, und nach innen bleibt alles so wie es ist."

Hauer brachte auch die "nicht besonders tief gehenden Regelungen" des Anerkennungsvertrags zu Sprache, der das Verhältnis zwischen DPR, BaFin und BMJV zum Gegenstand hat. Eine in diesem Papier vorgesehene Präzisierung der Arbeitsbeziehungen durch eine weitere gesonderte Vereinbarung zwischen Behörde, Prüfstelle und Ministerien habe es wohl auch nie gegeben, stellte der CDU-Mann fest.

"Das zugrunde liegende Gesetz stellt keine schärferen Anforderungen", machte Lambrecht klar, die das Amt erst seit knapp zwei Jahren bekleidet. "Und jetzt soll ja alles neu geregelt werden." Die Ministerin unterstrich, dass es sich bei der DPR um eine unabhängige, privatwirtschaftlich organisierte Stelle handele, die dem Zeitgeist von 2004/2005 entsprechend, unabhängig, mit Experten aus der Wirtschaft ausgestattet, auf Kooperation ausgerichtet, handeln sollte. Man müsse bedenken: "Vorher gab es nichts" dergleichen. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 29.04.21
Newsletterlauf: 28.07.21


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Bitcom lobt und kritisiert Kryptopolitik

    Der Branchenverband Bitcom warnt davor, dass Deutschland seine gute Ausgangsposition im Bereich der Kryptowirtschaft nicht aufs Spiel setzen solle. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Finanzmarktdigitalisierungsgesetz (20/10280) sagte Bitcom-Vertreter Benedikt Faupel: "Der Standort Deutschland hat gute Voraussetzungen, ich erinnere an die Blockchain-Strategie."

  • Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte

    Der Kulturausschuss hat sich in einem öffentlichen Fachgespräch mit den Chancen und Risiken des Einsatzes von Künstlicher Intelligenz im Medienbereich auseinandergesetzt. Geladen hatte er Sachverständige von Gewerkschaften, Berufsverbänden, Unternehmen und aus der Wissenschaft.

  • Modernisierung des Postrechts

    In einer Anhörung beschäftigten sich neun Sachverständige mit dem Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Modernisierung des Postrechts (20/10283). Dieses beinhalte eine "grundlegende Novellierung des Postrechts", schreibt die Bundesregierung zu dem Entwurf.

  • Einnahmen aus dem Energiekrisenbeitrag

    Die im Zuge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine massiv gestiegenen Preise für Erdgas, Wärme und Strom haben zeitweise eine existenzbedrohende Belastung für die Bevölkerung und Unternehmen in Europa und nicht zuletzt in Deutschland dargestellt. Dabei sorgten das Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) und das Strompreisbremsegesetz (StromPBG) für eine zeitlich befristete, schnelle Entlastung in der Breite der Bevölkerung und der Unternehmen in Deutschland, welche durch ihre konkrete Ausgestaltung die Anreize zum Energiesparen aufrechterhalten hat.

  • Soziale und ökologische Nachhaltigkeit

    Eine nachhaltige Künstliche Intelligenz (KI) braucht politische Rahmenbedingungen. Das machte Kilian Vieth-Ditlmann, stellvertretender Leiter des Policy- & Advocacy-Teams bei der AW AlgorithmWatch gGmbH während eines öffentlichen Fachgespräches im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung deutlich. Als ersten Schritt bewertete er die im EU-Parlament verabschiedete KI-Verordnung.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen