Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Gesetze

Schutz vor verseuchten Lebensmitteln


Experten sehen höhere Kosten durch mehr Kontrollen bei Futtermitteln
Dioxinskandal: Meldepflicht für Labore - Staatsanwaltschaften fehle es oft an Know-how


(15.04.11) - Die deutsche Bundesregierung will Konsequenzen aus dem Dioxinskandal Anfang dieses Jahres ziehen und hat deshalb zum besseren Schutz vor verseuchten Lebensmitteln den Gesetzesentwurf "Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften" (17/4984) vorgelegt, der Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz war.

Dabei traf die Regierungsinitiative bei den Experten auf ein geteiltes Echo. Gegensätzlich waren die Meinungen bei der Meldepflicht für Labore. Bei Grenzwertüberschreitungen von Lebensmittelproben sollen die Labors künftig verpflichtet werden, die zuständigen Behörden zu informieren. Auch sollen Unternehmen Ergebnisse eigene Analyse übermitteln. Kritisch bewerteten alle Sachverständigen den zu erwartenden höheren Kontrollaufwand und den damit einhergehenden Anstieg der Kosten.

Für eine Trennung der Produktströme und die Überprüfung jeder Produktionscharge Fett, dem hauptsächlichsten Trägerstoff von Dioxin in Nahrungsmitteln, sprach sich bei der Anhörung Ludger Leifker von Agravis, einem Agrarunternehmen der Raiffeisen AG, aus. Leifker schlug vor, zu überprüfen, ob die bisherigen Zulassungskriterien für Futtermittelhersteller ausreichend sind. Eine weitere Ausweitung der Meldepflicht hingegen hält er nicht für notwendig.

Als massiven Eingriff in das Prinzip der Eigenverantwortung der Unternehmen kritisierte Marcus Grinau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde die Ausweitung der Meldepflicht. Nach seiner Auffassung verstößt der Gesetzentwurf gegen geltendes EU-Recht. Der Mehraufwand, der durch die verstärkten Kontrollen entstünde und die damit verbundene Kostensteigerung, würde zu Wettbewerbsnachteilen deutscher Unternehmen führen.

Für die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung stehe schon jetzt zu wenig Personal zur Verfügung, betonte Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure. Er sieht mit dem Gesetzentwurf dem Verbraucherschutz nur ungenügend Rechnung getragen und schlug vor, jede Charge Futterfett einer Kontrolle zu unterziehen. Zwar stimmte er zu, dass den Unternehmen, Laboren und Behörden mit verstärkten Kontrollen ein Mehraufwand entstünde, dieser sei allerdings mit der Intension der Lebensmittelsicherheit hinreichend entschuldbar.

Die Meldepflicht sollte auf EU-Ebene einheitlich und verbindlich gestaltet werden, merkte Horst Lang vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels an. Zur angestrebten Regelung, dass die Unternehmen ihre internen Untersuchungsergebnisse offen legen sollen, stellte Lang fest, dass diese unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis fielen.

Die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften schlug Micha Heilmann vor, Vertreter der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die bestehenden strafrechtlichen Sanktionen seien oft nicht ausreichend, nicht zuletzt, da es den Staatsanwaltschaften oft an Know-how fehle.

Für eine Ausweitung der Meldepflicht über die Labore hinaus, spracht sich Peter Knitsch vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen aus. Ebenso erwarte er eine grundsätzliche Zulassungspflicht für Futtermittelhersteller.

Den Gesetzentwurf der Bundesregierung betrachte er nur als ersten Schritt und plädierte für eine rasche Umsetzung des 14-Punkte-Aktionsplans, der von Bund und Ländern nach dem Dioxinskandal ausgearbeitet worden sei.

Mit dem Gesetzentwurf ziehe die Bundesregierung keine ausreichenden Konsequenzen auf den Dioxinskandal, stellte Katrin Lompscher, Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Berlin, fest. Insbesondere die Neuregelungen der Meldepflicht gingen ihr nicht weit genug. Es müsse ebenfalls über eine Überprüfung des Strafrahmens für Unternehmer nachgedacht werden. Eine Verletzung der Meldepflicht werde zur Zeit lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet

Burkhard Erbacher, Josera Tierernährung GmbH, hingegen hält die bestehenden gesetzlichen Regelungen für ausreichend. Die geplante Neuregelung würde in seinem Unternehmen Innovationen bremsen und viele Mitarbeiter überflüssig machen. Er warnte allerdings vor Preissteigerungen von Lebensmitteln, da die Unternehmen den Mehraufwand, der mit erhöhten Kontrollen einhergehe, auf den Verkaufspreis aufschlagen würden. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Gesetze

  • Datenübermittlung und Datenpflege

    Als Unterrichtung durch die Deutsche Bundesregierung liegt der "Evaluierungsbericht des Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken" (20/10200) vor.

  • Durchsetzung des DSA

    Die Deutsche Bundesregierung hat das Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene vorgelegt. Während die ab 17. Februar 2024 in der Europäischen Union geltende DSA-Verordnung etwa Sorgfaltspflichten für Online-Dienste im Kampf gegen Desinformation und Hassrede im Internet und die Durchsetzung auf EU-Ebene regelt, konkretisiert der Gesetzentwurf der Bundesregierung Zuständigkeiten der Behörden in Deutschland.

  • Klarstellung für Betriebsräte und Unternehmen

    Die Bundesregierung will das Betriebsverfassungsgesetz ändern. Durch einen entsprechenden Gesetzentwurf (20/9469) sollen nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom Januar 2023 entstandene Rechtsunsicherheiten beseitigt werden.

  • 1:1-Umsetzung wird angestrebt

    Die von der Bundesregierung geplante Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung in nationales Recht war Thema einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages am. Die Sachverständigen sahen den Opferschutz durch den Regierungsentwurf gestärkt, sprachen sich aber für eine Reihe von Nachbesserungen aus.

  • Modernisierung der Registerlandschaft

    Mit der Annahme eines Gesetzentwurfs (20/8866) der Deutschen Bundesregierung in geänderter Fassung hat der Wirtschaftsausschuss in seiner Sitzung einer Änderung des Unternehmensbasisdatenregistergesetzes einstimmig zugestimmt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen