Gewerbemietrecht und Grundstücksversteigerung
Erwerb von Immobilien im Zwangsversteigerungsverfahren kann risikobehaftet sein
Sonderkündigungsrecht: Risiko bei gewerblichen Ersteigerungen
(18.01.10) - Nach seriösen Schätzungen kommt es in Deutschland bis zum Ende dieses Jahres erstmalig zu mehr als 60.000 Zwangsversteigerungen. Für Immobilienbesitzer oft die letzte Möglichkeit Liquidität zu erhalten, für die Ersteigerer eine Chance, günstig Eigentum zu erwerben. Auf zwei aktuelle BGH-Entscheidungen weist die Kanzlei Aulinger Rechtsanwälte hin. Diese würden verdeutlichen, dass der Erwerb von Immobilien im Zwangsversteigerungsverfahren risikobehaftet sein kann.
Das Gesetz gewährt demjenigen, der ein Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren durch Zuschlag ersteigert, hinsichtlich der bestehenden Mietverhältnisse ein Sonderkündigungsrecht mit dem Effekt, dass nicht das Ende der vertraglich vereinbarten Mietzeit abgewartet werden muss. Vielmehr kann der neue Eigentümer bestehende Mietverhältnisse mit der gesetzlichen Frist kündigen - vorausgesetzt die Kündigung erfolgt zum erstmöglichen Termin (§ 57 a Zwangsversteigerungsgesetz, ZVG). Das Sonderkündigungsrecht gilt für alle Miet- und Pachtverhältnisse. Praktische Bedeutung hat die Regelung aber hauptsächlich für Gewerberaummietverhältnisse.
Hier sind feste Vertragslaufzeiten von fünf, zehn und noch mehr Jahren der Regelfall. Daher kann die Ausübung des Sonderkündigungsrechts gemäß § 57 a ZVG durch den neuen Eigentümer für den Mieter gravierende Folgen haben. Vor allem, wenn er die von ihm bei Vertragsabschluss geplante Nutzungsdauer der Mietsache möglicherweise bei weitem nicht ausschöpfen kann.
Besonders nachteilig ist in solchen Fällen die Ausübung des Sonderkündigungsrechts durch den Ersteigerer für den Mieter dann, wenn er bei Mietbeginn oder während der Vertragszeit an der Mietsache unter Umständen kostspielige Investitionen vorgenommen hat. Diese würden sich für ihn selbstverständlich nur dann amortisieren, wenn er die Mietsache über die gesamte vertraglich vereinbarte Mietzeit auch tatsächlich nutzen kann. Im Falle einer vorzeitigen Beendigung der Mietzeit kann sich die Investition als Fehlinvestition erweisen.
Zu Fallkonstellationen dieser Art hat jüngst der Bundesgerichtshof (BGH) in zwei Urteilen im Abstand von nur wenigen Monaten Entscheidungen getroffen, die dem Mieter zugute kommen können und umgekehrt für den Ersteigerer erhebliches Risikopotential offenbaren:
Mit seinen Urteilen vom 29. April (A.Z. XII ZR 66/07) und 16. September (A.Z. XII ZR 71/07) dieses Jahres hat der BGH entschieden, dass dem Mieter im Falle einer planwidrigen vorzeitigen Beendigung seines Mietvertrages wegen nicht amortisierter Investitionen an der Mietsache ein Bereicherungsanspruch zustehen kann. Anspruchsgegner eines solchen Anspruchs ist dann nicht etwa der ursprüngliche Vermieter (bei dem in aller Regel infolge des Zwangsversteigerungsverfahrens ohnehin nichts mehr "zu holen" ist), sondern der Ersteigerer des Grundstücks.
Die besondere Problematik dieser Entscheidungen liegt - wie so oft - in der genauen Bezifferung der Höhe des Bereicherungsanspruchs des Mieters: "Nach der Rechtsprechung des BGH ist nicht der Umfang der Investitionen maßgeblich, sondern allein die Erhöhung des Ertragswertes der Mietsache infolge der vom Mieter geschaffenen Investitionen", erläutert Dr. Matthias Koch, Mietrechtsexperte bei Aulinger Rechtsanwälte. Es ist also zu klären, welchen Mehrbetrag der Ersteigerer nach Vertragskündigung durch eine Folgevermietung gerade wegen der vom Vormieter erbrachten Investitionen erzielen kann.
Bei anderweitiger Vermietung durch den Ersteigerer ist ein Vergleich zwischen der vom früheren Mieter gezahlten und vom Folgemieter geschuldeten Miete noch relativ einfach; bloße Mehreinnahmen infolge von Marktveränderungen kommen dem gekündigten Vormieter natürlich nicht zugute. Schwieriger wird die Berechnung des Bereicherungsanspruchs des Vormieters dann, wenn die Vergleichsberechnung über viele Jahre in die Zukunft vorgenommen werden muss und dabei eventuell zusätzlich noch Mietentwicklungen aufgrund vertraglich vereinbarter Wertsicherungsklauseln zu berücksichtigen sind.
Vermietet der Ersteigerer die Mietsache gar nicht an einen neuen Mieter, sondern nutzt er die gekündigten Flächen zu eigenen Zwecken, wird zur Bezifferung des Bereicherungsanspruchs in aller Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs des Mieters praktisch unumgänglich.
"Angesichts der schwierigen Rechtslage und der Kürze geltender Fristen ist sowohl dem Ersteigerer, der eine Sonderkündigung aussprechen möchte als auch dem Mieter, der sich einer solchen Kündigung ausgesetzt sieht, kompetenter Rechtsrat zu empfehlen", rät Dr. Matthias Koch.
Die Rechtsprechung des BGH macht es deshalb für Ersteigerer wie Mieter erforderlich, folgende Praxistipps zu beherzigen:
Ersteigerer:
Der Ersteigerer muss rechtzeitig vor dem Ersteigerungstermin prüfen, ob ihm eine Inanspruchnahme durch den Mieter nach den oben geschilderten Grundsätzen droht.
Am ehesten durch Auswertung des Mietvertrages und gegebenenfalls durch klärende Kontaktaufnahme mit dem Mieter.
Insbesondere bei Mietverträgen, die noch eine erhebliche Restlaufzeit aufweisen, kann sich über Jahre hinweg ein erheblicher Bereicherungsanspruch des Mieters ergeben. Erst recht bei Verträgen, die Optionsmöglichkeiten zur Vertragsverlängerung zugunsten des Mieters vorsehen. Diese Umstände muss der Ersteigerer bei seiner Gesamtkalkulation zwingend berücksichtigen, um keine Fehlinvestition zu tätigen.
Mieter:
Der Mieter muss die von der BGH-Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze kennen und zur Wahrung seiner Rechte geltend machen.
Dabei ist der Mieter erheblichem Zeitdruck ausgesetzt, da die Bereicherungsansprüche gegen den Ersteigerer unter die kurze - sechsmonatige - Verjährungsfrist des § 548 BGB fallen dürften. Bei deren Durchsetzung ist es von elementarer Bedeutung, zu beachten, dass die ohnehin kurze Verjährungsfrist mit Mietende zu laufen beginnt. Also zu dem Zeitpunkt, zu dem die vom Ersteigerer unter Bezugnahme auf das Sonderkündigungsrecht ausgesprochene Kündigung wirkt. Eine verspätete Rückgabe der Mietsache durch den Mieter führt also nicht zu einer Fristverlängerung. (Aulinger Rechtsanwälte: ra)
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