HzV-Verträge: OVG stützt Beurteilung des ULD
Hausarztzentrierte Versorgung: Die vom HzV-Vertrag vorgesehene Verarbeitung der Patientendaten verstößt gegen datenschutzrechtliche Anforderungen und zwingt die Ärzte zum Verletzen ihrer Schweigepflicht
Datenschutzverletzung: Die Entscheidung des OVG ist für diese Form der Abwicklung der HzV vernichtend und geht in ihrer Begründung über die Verfügung des ULD hinaus
(18.01.11) - Mit Beschluss vom 12. Januar 2011 wies das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) den Antrag des Hausärzteverbands Schleswig-Holstein (HÄV) gegen eine Verfügung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) zurück.
Am 15. Juni 2010 kam zwischen dem Hausärzteverband Schleswig-Holstein (HÄV) und einigen Krankenkassen, u. a. der AOK, auf der Basis eines Schiedsspruchs ein Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung (HzV) zustande. Ziel der HzV-Verträge ist es, die Behandlungsqualität durch die Lotsenfunktion der Hausärzte und durch Qualitätsvorgaben zu verbessern. Eine gesonderte Vergütung, für die Hausärzte als Finanzanreiz gedacht, sollte nach dem Vertrag über den HÄV, eine Hausärztliche Vertragsgemeinschaft (HÄVG) und weitere insgesamt 13 Unterauftragnehmer abgewickelt werden.
Mit Bescheid vom 21. Juli 2010 stellte das ULD fest, dass die vom HzV-Vertrag vorgesehene Verarbeitung der Patientendaten gegen datenschutzrechtliche Anforderungen verstößt und die Ärzte zum Verletzen ihrer Schweigepflicht zwingt. Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wandte sich der HÄV zunächst erfolglos an das Verwaltungsgericht Schleswig (VG). Das OVG bestätigte auf die Beschwerde der HÄV hin nun den Beschluss des VG.
Der OVG-Beschluss befasst sich ausführlich mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Vertrags, mit dem die HÄVG zur Datenverarbeitung beauftragt wird und der den Verträgen in vielen anderen Bundesländern im Wesentlichen entspricht.
Die Entscheidung des OVG ist für diese Form der Abwicklung der HzV vernichtend und geht in ihrer Begründung über die Verfügung des ULD hinaus:
Dem Arzt, der mit dem HzV-Vertrag verpflichtet wird, seine Patientendaten an die HÄVG weiterzugeben, wird keine Möglichkeit der Auswahl des Auftragnehmers gegeben. Will also ein Arzt an der HzV teilnehmen, bleiben ihm keine Alternativen.
Er ist gezwungen, die sensiblen Daten an die HÄVG und deren Dienstleister weiterzugeben. Entgegen den Vorgaben des Gesetzes bestehen für den teilnehmenden Arzt keine oder zumindest nur geringe Einflussmöglichkeiten. Selbst eine Direktübermittlung der Abrechnungsdaten an die Krankenkasse wird ihm untersagt.
Das OVG stellt klar, dass wegen der Verantwortlichkeit des Auftraggebers diesem die vollständige Einsichts- und Kontrollmöglichkeit über die Datenverarbeitung bewahrt bleiben muss, was den Hausärzten gegenüber der HÄVG jedoch verwehrt wird. Schließlich betont das OVG den Interessenwiderspruch, der im Fall eines Musterprozesses durch die HÄV bei der Auftragsverarbeitung nach Abtretung einer Ärzteforderung entstünde.
Über den Bescheid des ULD hinausgehend, prüft das OVG zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen der Auftragsdatenverarbeitung die des Sozialrechts und stellt fest, dass die Auftragserteilung gegenüber den privaten Stellen HÄV und HÄVG nicht mit einer gesetzlich geforderten "Störung im Betriebsablauf" begründet wird. Es sieht die Unterbeauftragung durch die HÄVG im diametralen Widerspruch zu der gesetzlichen Forderung, dass der überwiegende Teil des Datenbestandes beim Auftraggeber verbleiben muss, was auch im Verhältnis Auftragnehmer zu Unterauftragnehmern gilt.
Als Ergebnis stellt das OVG fest:
"Ein Verstoß gegen materielles Datenschutzrecht im Sinne von § 38 Abs. 5 BDSG liegt somit vor."
Die sofortige Vollziehung der Anordnung des ULD war deshalb zu Recht erfolgt. Inwieweit die formellen Anforderungen dieser Anordnung erfüllt sind, ließ das OVG offen und verwies insofern auf das anhängige Hauptsacheverfahren vor dem VG Schleswig.
Thilo Weichert, Leiter des ULD,sagte:
"Die Aussagen des OVG sind an Klarheit und Eindeutigkeit kaum zu überbieten. Die Datenverarbeitung der HzV-Verträge muss jetzt bundesweit diesen Vorgaben angepasst werden. Es wäre kein Dienst für die Patienten sowie für die um die korrekte Abrechnung sorgenden Hausärzte, wenn die HÄVG und die Hausarztverbände weitere Scharmützel mit uns Datenschützern austrügen. Dafür ist die Vertraulichkeit der Patientendaten und des Arzt-Patienten-Verhältnisses viel zu wertvoll. Wir Datenschützer stehen weiterhin bereit zur Diskussion über datenschutzkonforme HzV-Abrechnungen. Politik und Hausarztverbände sollten unser Votum – anders als bisher – bitte künftig berücksichtigen."
Der Beschluss des OVG ist im Internet abrufbar unter
https://www.datenschutzzentrum.de/medizin/gkv/20110112-beschluss-ovg.pdf
(ULD: ra)
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