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Cyber-Kriminalität und Industriespionage


Europäische Kommission schlägt Vorschriften gegen Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen vor
Zwischen den in den EU-Ländern geltenden Rechtsvorschriften zum Schutz vor rechtswidriger Aneignung von Geschäftsgeheimnissen bestehen erhebliche Unterschiede

(18.12.13) - Die Europäische Kommission hat neue Vorschriften zum Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vorgeschlagen. Der vorgelegte Richtlinienentwurf sieht zum einen eine gemeinsame Definition des Begriffs "Geschäftsgeheimnis" vor, zum anderen Mittel und Wege, wie Opfer einer rechtswidrigen Aneignung von Geschäftsgeheimnissen eine Wiedergutmachung erlangen können. Die Richtlinie wird es den nationalen Gerichten erleichtern, Fälle einer rechtswidrigen Aneignung vertraulicher Geschäftsinformationen zu behandeln und Produkte, durch die Geschäftsgeheimnisse verletzt werden, vom Markt zu nehmen. Gleichzeitig soll es für die Opfer rechtswidriger Handlungen leichter werden, Schadenersatz zu erhalten.

In der heutigen wissensbasierten Wirtschaft kann die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ernsthaft beeinträchtigt werden, wenn vertrauliche Informationen gestohlen oder missbräuchlich verwendet werden. Eine kürzlich durchgeführte Befragung ergab, dass eines von fünf Unternehmen mindestens ein Mal in den letzten zehn Jahren Opfer eines versuchten Diebstahls von Geschäftsgeheimnissen wurde. Einer anderen neueren Studie zufolge2 steigen die Zahlen weiter an: 25 Prozent der Unternehmen gaben an, im Jahr 2013 Opfer eines Informationsdiebstahls gewesen zu sein; im Jahr 2012 waren es nur 18 Prozent.

Zwischen den in den EU-Ländern geltenden Rechtsvorschriften zum Schutz vor rechtswidriger Aneignung von Geschäftsgeheimnissen bestehen erhebliche Unterschiede. Einige Länder verfügen über gar keine spezifischen Rechtsvorschriften in diesem Bereich. Die Unternehmen empfinden es als schwierig, die Systeme anderer Mitgliedstaaten zu verstehen und Zugang zu ihnen zu erhalten, und wenn sie Opfer einer rechtswidrigen Aneignung vertraulichen Know-hows werden, scheuen sie davor zurück, die Zivilgerichte anzurufen, da sie sich nicht sicher sein können, dass ihre Geschäftsgeheimnisse von den Gerichten gewahrt werden. Das derzeitige fragmentierte System wirkt sich negativ auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungspartnern aus und erweist sich als erhebliches Hindernis für eine Mobilisierung des EU-Binnenmarkts als Motor für Innovation und Wirtschaftswachstum.

Dazu sagte der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige EU-Kommissar Michel Barnier: "Cyber-Kriminalität und Industriespionage sind leider Teil der Realität, mit der sich Unternehmen tagtäglich konfrontiert sehen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Gesetze mit der Zeit gehen und dass die strategischen Trümpfe unserer Unternehmen ausreichend vor Diebstahl und missbräuchlicher Nutzung geschützt werden. Beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen geht es aber um mehr. Ziel unseres Vorschlags ist es, das Vertrauen von Unternehmen, Kreativen, Forschern und Innovatoren in eine kooperative Innovation im gesamten Binnenmarkt zu stärken. Sie sollen nicht weiter von Investitionen in neues Wissen abgehalten werden, weil sie fürchten müssen, dass ihre Geschäftsgeheimnisse gestohlen werden. Dies ist ein weiterer Schritt der Kommission in ihren Bemühungen, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der Innovation und intelligentes Wachstum fördert."

Und Vizepräsident Antonio Tajani fügte hinzu: "Besonders wichtig ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen für kleinere, weniger gut etablierte Firmen in der EU. Sie setzen in stärkerem Maße als größere Unternehmen auf Geschäftsgeheimnisse. Zum Teil liegt dies an den Kosten einer Patenterteilung und des Schutzes vor Verletzungen ihrer Rechte. Der Verlust eines Geschäftsgeheimnisses und die Offenlegung einer wichtigen Erfindung gegenüber den Wettbewerbern bedeutet für ein KMU einen katastrophalen Wertverlust und Ergebniseinbruch. Mit den vorgeschlagenen Rechtvorschriften will die Kommission das Auskommen der Unternehmen in der EU und deren Geschäftsgeheimnisse, die daran einen zentralen Anteil haben, sichern."

Ziel des heute vorgelegten Vorschlags ist es, den Unternehmen ein angemessenes Schutzniveau zu garantieren und wirksame Rechtsbehelfe an die Hand zu geben für den Fall, dass ihre Geschäftsgeheimnisse gestohlen oder missbräuchlich verwendet werden. Ein solides, ausgewogenes und harmonisiertes System des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen wird dafür sorgen, dass Unternehmen und Forscher in einem sichereren Umfeld agieren können, in dem sie über die Binnenmarktgrenzen hinaus wertvolles Know-how und Technologien erschaffen, teilen und lizenzieren können. Auch wird dieses System es Unternehmen und Forschern aus verschiedenen EU-Ländern leichter machen, sich an gemeinsamen, kooperativen Innovations- und Forschungsprojekten zu beteiligen.

Hintergrund
Im Rahmen der Leitinitiative "Innovationsunion", eines der Pfeiler der "EU 2020"-Strategie, hat sich die Kommission verpflichtet, ein innovationsfreundliches Umfeld zu schaffen. Vor diesem Hintergrund hat sie eine umfassende Strategie festgelegt, die ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts für geistiges Eigentum gewährleisten soll. Die Strategie erstreckt sich auch auf Bereiche, die den Bereich der Rechte des geistigen Eigentums ergänzen, wie etwa Geschäftsgeheimnisse.

Das Instrument des Geschäftsgeheimnisses (auch als "vertrauliche Geschäftsinformationen" oder "nicht offengelegte Informationen" bezeichnet) wird von Unternehmen unterschiedlicher Größe in allen Wirtschaftsbereichen genutzt, um ein breites Spektrum unterschiedlichster Informationen zu schützen, wie etwa das Verfahren zur Herstellung der Michelin-Reifen, das Rezept des "Pasteis de Belém" (portugiesische Puddingtörtchen), Technologien und Know-how, die bei der Konstruktion des Airbus Anwendung finden, oder den Suchalgorithmus von Google. Geschäftsgeheimnisse sind besonders wichtig für kleinere Unternehmen, denen es an den personellen und finanziellen Ressourcen fehlt, die notwendig sind, um ein breites Portfolio an Rechten des geistigen Eigentums aufzubauen, zu verwalten und durchzusetzen.

Anders, als es bei patentierten Erfindungen oder durch Urheberrechte geschützten Romanen der Fall ist, besitzt der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses, wie etwa einer Formel, eines Geschäftsprozesses, eines Rezepts oder eines Marketingkonzepts, kein Exklusivrecht an dem von ihm geschaffenen Produkt. Wettbewerber und Dritte können daher dieselbe Formel entdecken, entwickeln und frei nutzen. Geschäftsgeheimnisse sind nur dann rechtlich geschützt, wenn vertrauliche Informationen mit unrechtmäßigen Mitteln (zum Beispiel durch Diebstahl oder Bestechung) beschafft wurden.

Geschäftsgeheimnisse unterscheiden sich somit grundsätzlich von Rechten des geistigen Eigentums, die exklusiver Natur sind. Nichtsdestoweniger müssen sie – aus denselben Gründen, aus denen es Rechte des geistigen Eigentums gibt – geschützt werden, nämlich um Anreize für Innovationen zu setzen, indem sichergestellt wird, dass Urheber auch in den Genuss des Lohns für ihre Anstrengungen kommen. Dies wird mit der vorgeschlagenen Richtlinie erreicht, die Innovatoren Mittel an die Hand geben wird, um gegen unlautere Praktiken vorzugehen, die darauf abzielen, auf illegalem Wege vertrauliche Informationen zu beschaffen, um als Trittbrettfahrer innovative Lösungen nutzen zu können, ohne irgendwelche Investitionen in Forschung oder Reverse Engineering tätigen zu müssen. (Europäische Kommission: ra)


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