Sie sind hier: Home » Recht » EU & Europa » Europäische Kommission

Mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang?


Staatliche Beihilfen: EU-Kommission leitet Prüfverfahren im deutschen und österreichischen Luftverkehrssektor ein
Bei Betriebsbeihilfen hingegen sind Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den Flughäfen weitaus wahrscheinlicher; sie sind daher grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar


(06.03.12) - Die Europäische Kommission hat eine Untersuchung bestimmter finanzieller Vereinbarungen zwischen staatlichen Stellen und den Flughäfen Saarbrücken, Zweibrücken, Lübeck-Blankensee (Deutschland) and Klagenfurt (Österreich) eingeleitet. Die Verfahren erstrecken sich auch auf Rabatte und Vermarktungsverträge zwischen diesen Flughäfen und einigen der dort tätigen Luftfahrtgesellschaften und sollen klären, ob die betreffenden Vereinbarungen mit den EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar sind. Die Einleitung einer eingehenden Untersuchung gibt Dritten die Möglichkeit, zu den betreffenden Maßnahmen Stellung zu nehmen. Das Verfahren wird ergebnisoffen geführt.

Investitionen öffentlicher Stellen in Wirtschaftsunternehmen stehen mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang, wenn sie zu Bedingungen durchgeführt werden, die für einen marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgeber annehmbar wären. Beihilfen für Investitionen in Luftverkehrsinfrastruktur können grundsätzlich als mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen im Luftverkehrssektor vereinbar angesehen werden, wenn sie notwendig und angemessen sind, eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung verfolgen, den Handel im Binnenmarkt nicht ungebührlich beeinträchtigen und wenn der diskriminierungsfreie Zugang für alle Nutzer gewährleistet ist. Bei Betriebsbeihilfen hingegen sind Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den Flughäfen weitaus wahrscheinlicher; sie sind daher grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar.

Auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen kann die Kommission nicht ausschließen, dass die Maßnahmen zugunsten dieser vier Flughäfen und der sie nutzenden Luftfahrtgesellschaften staatliche Beihilfen beinhalten, die ihnen einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen und daher mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind.

Flughafen Saarbrücken
Der Regionalflughafen von Saarbrücken wird von seiner Muttergesellschaft Verkehrsholding Saarland finanziert, die wiederum regelmäßige Kapitalzufuhren aus Landesmitteln erhält. Das Saarland hat dem Flughafen zudem mehrere Bürgschaften gewährt und Liegenschaften übertragen. Die Kommission bezweifelt, dass die Behörden den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers befolgt haben und dass der Flughafen unter Marktbedingungen betriebsfähig wäre. Darüber hinaus gewährt der Flughafen sämtlichen Fluggesellschaften, die ihn anfliegen, systematische Rabatte auf die Flughafengebühren und entrichtet zusätzliche Zahlungen an Cirrus Airlines und Air Berlin. Die Kommission befürchtet, dass diese Rabatte und Zuschüsse den begünstigten Fluggesellschaften einen unfairen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber konkurrierenden Luftverkehrsanbietern verschaffen könnten.

Flughafen Zweibrücken
Beim Flughafen Zweibrücken handelt es sich um einen kleinen Regionalflughafen in Rheinland-Pfalz in rund 39 Kilometer Entfernung vom Flughafen Saarbrücken. Der Flughafen erhält angeblich seit 2006 Infrastruktur- und Betriebsbeihilfen. Darüber hinaus befürchtet die Kommission, dass Vereinbarungen mit den Luftverkehrsunternehmen Germanwings, TUIfly und Ryanair über eine Verringerung der Flughafengebühren diesen Gesellschaften einen unfairen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern verschaffen könnten.

Flughafen Lübeck-Blankensee
Der kleine Lübecker Regionalflughafen liegt rund 70 Kilometer von Hamburg entfernt. Bis Oktober 2009 hielt die auf Infrastruktur-Investitionen spezialisierte neuseeländische Infratil Ltd. 90 Prozent der Anteile am Flughafen Lübeck. Als Infratil sein Engagement beendete, kaufte die Stadt Lübeck die Beteiligung zurück. Die Kommission hat Bedenken, dass Infratil durch den Kaufpreis und die 2009 getroffenen Vereinbarungen einen unfairen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern erhalten haben könnte.

Ferner bezweifelt sie, dass die Finanzpolitik der Stadt Lübeck gegenüber ihrem Flughafen mit dem Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers in Einklang steht. Nach Auffassung der Kommission hätte der Flughafen aufgrund seiner finanziellen Situation seinen Betrieb unter normalen Marktbedingungen einstellen müssen. Zudem könnten der Flughafengebühren-Katalog von 2006 in Verbindung mit den dort enthaltenen Rabatten, die Tarife für Enteisungs-Dienste sowie einzelne Vereinbarungen mit Ryanair den auf dem Flughafen tätigen Fluggesellschaften einen unfairen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber anderen Anbietern verschaffen.

Flughafen Klagenfurt
Der kleine Regionalflughafen von Klagenfurt im Bundesland Kärnten (Österreich) erhält regelmäßige Kapitalzufuhren von Bund, Land und der Stadt Klagenfurt. Die Kommission bezweifelt, dass die Behörden den Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers befolgt haben und dass der Flughafen unter Marktbedingungen betriebsfähig wäre. Darüber hinaus gewährt der Flughafen sämtlichen Fluggesellschaften, die ihn anfliegen, systematische Rabatte und entrichtet zusätzliche Zahlungen an Ryanair, TUIfly und Air Berlin. Die Kommission befürchtet, dass diese Rabatte und Zuschüsse den begünstigten Fluggesellschaften einen unfairen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber konkurrierenden Luftverkehrsanbietern verschaffen könnten.

Hintergrund
Die Kommission hat aktuell fünf verschiedene Prüfverfahren eröffnet. Bei der eingehenden Prüfung der Finanzierung des Flughafens Lübeck-Blankensee und seiner finanziellen Beziehungen zu bestimmten Fluggesellschaften handelt es sich um ein neues Verfahren und nicht um die Ausweitung der laufenden, im Juli 2007 eingeleiteten Untersuchung.

Im laufenden Jahr hat die Kommission bereits in vier weiteren Fällen betreffend Flughäfen in Frankreich, Deutschland und Schweden Untersuchungen eingeleitet und ein fünftes Verfahren ausgeweitet. Die Kommission befasst sich gegenwärtig verstärkt mit Beihilfen im Luftverkehr.

Für dieses Jahr ist zudem die Herausgabe neuer Leitlinien für den Luftverkehrssektor geplant, die Beihilfen sowohl an Luftverkehrsgesellschaften als auch zur Förderung von Flughafeninfrastruktur betreffen. Einleitend hat die Kommission dazu im April 2011 alle Interessenträger. (Europäische Kommission: ra)


Meldungen: Europäische Kommission

  • Angleichung der Schweiz an das EU-Recht

    Die Europäische Kommission unternahm einen wichtigen Schritt, um die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz zu stärken und auszubauen. Sie unterbreitete dem Rat Vorschläge zur Genehmigung der Unterzeichnung und des Abschlusses eines umfassenden Pakets von Abkommen, das einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Ratifizierung eines modernisierten Rahmens für die Zusammenarbeit darstellt.

  • Achtes illustratives Nuklearprogramm

    Die Umsetzung der Pläne der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Kernenergie wird erhebliche Investitionen in Höhe von rund 241 Mrd. EUR bis 2050 erfordern, sowohl für die Verlängerung der Lebensdauer bestehender Reaktoren als auch für den Bau neuer Großreaktoren. Zusätzliche Investitionen sind für kleine modulare Reaktoren (SMR), fortgeschrittene modulare Reaktoren (AMR) und Mikroreaktoren erforderlich, und die Kommission hat in ihrem achten illustrativen Nuklearprogramm (PINC) die Fusion für die längerfristige Zukunft bewertet.

  • Änderungen bei den DAWI-Vorschriften

    Die EU-Kommission ersucht um Rückmeldungen zu einer Überarbeitung der Beihilfevorschriften für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI), die dem Mangel an erschwinglichem Wohnraum entgegenwirken soll. Zur Überbrückung der Investitionslücke für erschwinglichen Wohnraum bedarf es großer Investitionen. Staatliche Beihilfemaßnahmen können einen Anreiz für die erforderlichen Investitionen bieten.

  • Glaubwürdige Wettbewerber

    Die Europäische Kommission hat die geplante Übernahme von Intelsat Holdings S.à r.l. ("Intelsat") durch SES S.A. ("SES") ohne Auflagen nach der EU-Fusionskontrollverordnung genehmigt. Nach Prüfung des Vorhabens kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gibt.

  • Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung

    Die Europäische Kommission hat ihre Liste der Länder und Gebiete mit hohem Risiko aktualisiert, die strategische Mängel in ihren nationalen Systemen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung aufweisen. EU-Einrichtungen, die unter den AML-Rahmen fallen, müssen bei Transaktionen, an denen diese Länder beteiligt sind, verstärkte Wachsamkeit walten lassen. Dies ist wichtig, um das Finanzsystem der EU zu schützen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen