Prüfung von Beihilfen für die Luftverkehrsbranche
Staatliche Beihilfen: Kommission prüft drei Luftverkehrs-Beihilfen in Frankreich, Deutschland und Irland und genehmigt niederländische Flugreisesteuer
Bei Flugreisesteuern müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass keine Unterscheidung zwischen einzelnen Unternehmen oder Fluggastkategorien vorgenommen wird
(22.07.11) - Die Europäische Kommission hat drei getrennte eingehende Verfahren zur Prüfung von staatliche Beihilfen in der Luftverkehrsbranche eröffnet. Untersucht werden Maßnahmen im Zusammenhang mit den Flughäfen Marseille und Frankfurt-Hahn sowie die unterschiedlichen Steuersätze für Flugpassagiere in Irland, durch die fast ausschließlich Inlandsflüge begünstigt werden. Mit der Eröffnung eines eingehenden Prüfverfahrens wird Beteiligten die Möglichkeit gegeben, zu den fraglichen Maßnahmen Stellung zu nehmen. Dem Ausgang der Untersuchung wird dadurch nicht vorgegriffen. Des Weiteren hat die Kommission nach entsprechender Prüfung eine niederländische Flugreisesteuer genehmigt, da sie zu dem Schluss gekommen war, dass die Regelung einzelne Betreiber nicht gegenüber anderen begünstigt.
EU-Wettbewerbskommissar und Vizepräsident der Kommission, Joaquín Almunia, erklärte: "Unter bestimmten Bedingungen und Gegebenheiten eignen sich staatliche Beihilfen dazu, kleine Regionalflughäfen und Luftverkehrsdienste auszubauen. Gleichzeitig ist es Pflicht der Kommission, Wettbewerbsverzerrungen auf dem EU-Binnenmarkt zu verhindern, insbesondere da einige Regionalflughäfen in Europa nicht mehr wirklich als neu oder klein eingestuft werden können."
Bei der Prüfung von Beihilfen für die Luftverkehrsbranche wendet die Kommission zunächst die Flughafen-Leitlinien von 2005 an, nach denen die Mitgliedstaaten Regionalflughäfen, die bis zu 5 Millionen Fluggäste pro Jahr abwickeln, Finanzierungsmittel zur Verfügung stellen sowie Fluggesellschaften Anlaufbeihilfen für neue Verbindungen ab diesen Flughäfen gewähren dürfen. Zudem kann die öffentliche Hand Finanzmittel für die Infrastruktur von Regionalflughäfen gewähren, um ein klar definiertes Ziel von allgemeinem Interesse (z. B. Regionalentwicklung oder Zugänglichkeit) umzusetzen. Die Kommission muss die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit anderer Arten von Beihilfen sowie die langfristige Nutzung der Infrastruktur prüfen und untersuchen, ob diese von allen Nutzern uneingeschränkt und diskriminierungsfrei in Anspruch genommen werden kann. Ferner muss sie die Vorteile der Beihilfe im Hinblick auf Zugänglichkeit und Regionalentwicklung und die negativen Auswirkungen, die die Maßnahme auf Wettbewerber haben kann, die ohne staatliche Unterstützung auskommen müssen, abwägen.
Bei Flugreisesteuern müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass keine Unterscheidung zwischen einzelnen Unternehmen oder Fluggastkategorien vorgenommen wird.
Flughafen Marseille (Frankreich)
In der ersten Sache untersucht die Kommission die staatliche Unterstützung für den Billigflug-Terminal "mp2" am Flughafen Marseille sowie Gebührennachlässe, die sowohl Billigfluggesellschaften als auch etablierten Airlines gewährt worden sind. Zwischen 2005 und 2007 erhielt der Betreiber des Flughafens Marseille (die örtliche Handelskammer) insgesamt 7,577 Mio. EUR für den Bau des Terminals "mp2". Zum derzeitigen Sachstand hat die Kommission Zweifel, ob die Unterstützung zur Durchführung des Investitionsvorhabens erforderlich war und ob die Beihilfe den verfolgten Zielen angemessen war. Des Weiteren hat die Kommission Zweifel, ob die niedrigeren Gebühren für Fluglinien, die das Terminal "mp2" nutzen, sowie die Rabatte für die Aufnahme neuer Verbindungen den Begünstigten nicht einen selektiven Vorteil verschafft haben und somit gegen die EU-Beihilfevorschriften verstoßen. Die verschiedenen Preisnachlässe kamen Billigfluganbietern wie Ryanair und traditionellen Airlines wie Air France, die den Flughafen Marseille nutzen, in unterschiedlichem Umfang zugute. Des Weiteren hat die örtliche Handelskammer mit der 100Prozentigen Ryanair-Tochter Airport Marketing Services einen Werbevertrag abgeschlossen, der nach Auffassung eines Beschwerdeführers überteuerte Preise vorsieht. Die Kommission hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt Zweifel, ob ein anderer Investor wie die Handelskammer gehandelt und diese Vorteile gewährt hätte. Der Flughafen Marseille ist der viertgrößte Passagierflughafen in Frankreich.
Flughafen Frankfurt-Hahn (Deutschland)
Die Kommission wird eingehend prüfen, ob die folgenden Maßnahmen zu Marktbedingungen gewährt wurden: eine Kreditlinie, die dem Flughafen Frankfurt-Hahn von der Liquiditätsfazilität des Landes Rheinland-Pfalz zur Verfügung gestellt wurde, die Umschuldung der dem Flughafen gewährten Darlehen durch die staatliche Investitions- und Strukturbank sowie eine vom Land Rheinland-Pfalz zur Absicherung der Darlehen gestellte Garantie. Die Kommission vertritt bei der aktuellen Sachlage den vorläufigen Standpunkt, dass die Maßnahmen lediglich dazu beitragen, den Flughafenbetreiber von seinen Betriebskosten zu entlasten. Frankfurt-Hahn ist derzeit der zehntgrößte Passagierflughafen und der fünftgrößte Frachtflughafen in Deutschland sowie der 21-größte Frachtflughafen in Europa. Daher befürchtet die Kommission, dass die Beihilfen dem Flughafen einen unlauteren Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschaffen könnten.
Irische Flugreisesteuer
Am 30. März 2009 führte Irland eine Steuer ein, die von den Airlines für jeden abfliegenden Fluggast zu entrichten ist. Bis zum 1. März 2011 galten zwei unterschiedliche Steuersätze: Für alle Flugziele im Umkreis von 300 km des Flughafens Dublin waren 2 EUR und für alle anderen Ziele 10 EUR abzuführen. Die niedrigere Rate galt nur für inländische Flugziele sowie einige wenige Flughäfen im Westen des Vereinigten Königreichs. Nach einem Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit dem freien Dienstleistungsverkehr auf dem Binnenmarkt änderte Irland die Steuer dahingehend, dass ab März 2011 für alle Flugziele eine einheitliche Steuer von 3 EUR galt. Bei der Kommission ging jedoch auch eine Beschwerde ein, derzufolge die während des betreffenden Zeitraums gewährten Zuschüsse die Wettbewerbsbedingungen verfälscht hätten. Die Kommission muss dieser Beschwerde nachgehen. Gegenstandslos sind jedoch nach Auffassung der Kommission andere Behauptungen, dass mit der Steuerbefreiung des Frachtverkehrs und anderer Verkehrsmittel sowie von Transit- bzw. Transferpassagieren staatliche Beihilfen einhergingen.
Niederländische Flugreisesteuer
Eine Beschwerde erhielt die Kommission auch im Zusammenhang mit einer niederländischen Flugreisesteuer, die vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009 in Kraft war. Die Steuer sah zwei Tarife vor: 11,25 EUR für Bestimmungsziele innerhalb der EU und in maximal 3500 km Entfernung vom Abflughafen (sowie für bestimmte Ziele außerhalb der EU) und 40 EUR für alle anderen Bestimmungsziele. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die Befreiung anderer Verkehrsmittel und daccessibilityes Frachtverkehrs von dieser Steuer keine Beihilfe darstellt, da sich andere Betreiber, die solche Verkehrsdienste anbieten, nicht in einer Situation befinden, die rechtlich und faktisch mit der von Anbietern von Flugverkehrsdiensten vergleichbar ist. Des Weiteren stellte die Befreiung von Transfer- und Transitpassagieren keine staatliche Beihilfe dar, da der Zweck der Befreiung darin bestand, eine im Hinblick auf die zur Erreichung des Bestimmungsziel gewählte Strecke neutrale Regelung zu schaffen und eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass diese Bestimmungen der Logik der niederländischen Flugreisesteuerregelung entsprechen. Des Weiteren stellte die Kommission fest, dass Steuersätze unabhängig vom Ticketpreis den klassischen Airlines keinen Vorteil gegenüber Billigfluggesellschaften verschafften, da für alle Ziele in der EU derselbe Steuersatz galt.
Die Kommission prüft derzeit weitere Fälle in der Luftverkehrsbranche, z. B. die Beihilfe für Wizz Air am Flughafen Temeswar in Rumänien, die Infrastrukturbeihilfe für den Flughafen Leipzig-Halle sowie die Beihilfe für den Flughafen Dortmund und die ihn nutzenden Fluggesellschaften.
Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden die nichtvertraulichen Fassungen der Beschlüsse über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb unter der Nummer SA.22932 (Frankreich), SA.32833 (Deutschland), SA.29064 (Irland) und SA.25254 (Niederlande) zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter State Aid Weekly e-News. (Europäische Kommission: ra)
Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>