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Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette


Europäische Kommission will gegen unlautere Praktiken in der Lebensmittelversorgungskette vorgehen
Die Lebensmittelversorgungskette hat eine ganz klar europäische Dimension

(31.07.14) - Die Europäische Kommission hat eine Mitteilung angenommen, in der sie die Mitgliedstaaten ermutigt, nach Wegen zu suchen, um kleine Lebensmittelerzeuger und Einzelhändler besser vor unlauteren Praktiken ihrer mitunter deutlich stärkeren Handelspartner zu schützen. Bevor ein Produkt zum Verbraucher gelangt, tragen zahlreiche Marktteilnehmer (Produzenten, Verarbeiter, Einzelhändler etc.) in der Lebensmittelversorgungskette zu seiner Qualität und Wertschöpfung bei. Aufgrund bestimmter Entwicklungen, wie der verstärkten Konzentration von Marktteilnehmern, verfügen die Akteure entlang der Versorgungskette über sehr unterschiedliche Verhandlungspositionen. Obwohl asymmetrische Verhandlungspositionen in Wirtschaftsbeziehungen üblich und legitim sind, können solche Ungleichgewichte in manchen Fällen zu unlauteren Handelspraktiken führen.

Das für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige EU-Kommissionsmitglied Michel Barnier erklärt: "Auch wenn wir als Verbraucher bei unserem örtlichen Einzelhändler einkaufen, hat die Lebensmittelversorgungskette doch eine ganz klar europäische Dimension. Wir brauchen ein ausgewogenes und faires Verhältnis zwischen kleinen und mittleren Lebensmittellieferanten sowie Einzelhändlern auf der einen Seite und großen, multinationalen Erzeugern und Supermärkten auf der anderen Seite. Unfaire Handelspraktiken gefährden diese Ausgewogenheit. Die Branche hat bereits wichtige und wertvolle Schritte unternommen, um unfaires Verhalten einzudämmen, und sollte diesen Weg weiter verfolgen. Die Mitgliedstaaten sollten für wirksame und kohärente Regulierungsrahmen sorgen und diese Basis mit Selbstregulierungsinitiativen ergänzen."

Als unlautere Handelspraktiken gelten unter anderem:

>> Vermeidung oder Weigerung, zentrale Vertragsklauseln schriftlich festzulegen

>> nachträgliche einseitige Änderung von Kosten oder Preisen für Produkte und Dienstleistungen

>> Abwälzung von ungerechtfertigten oder unverhältnismäßigen Risiken auf eine Vertragspartei

>> absichtliche Nichteinhaltung eines Liefer- oder Empfangszeitplans, um unrechtmäßige Vorteile zu erlangen

>> einseitige, nicht oder nicht rechtzeitig angekündigte Beendigung einer Handelsbeziehung ohne sachlich gerechtfertigte Gründe

Die Lebensmittelversorgungskette ist nicht nur für das tägliche Leben und Wohlergehen der Verbraucher von zentraler Bedeutung, sondern auch für die Wirtschaft insgesamt; EU-weit sind mehr als 47 Millionen Menschen entlang der Versorgungskette, davon viele in KMU, beschäftigt und auf sie entfallen rund 7 Prozent der Bruttowertschöpfung der EU. Die Gesamtgröße des EU-Einzelhandelsmarktes für lebensmittelbezogene Produkte wird auf 1,05 Billionen Euro geschätzt. Die Lebensmittelversorgungskette ist stark international ausgerichtet und ist innerhalb des EU-Binnenmarkts von besonderer Bedeutung. Rund 20 Prozent der EU-Lebensmittelproduktion sind für den grenzüberschreitenden Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten bestimmt. Schätzungen zufolge gehen mindestens 70 Prozent der jährlichen Gesamtexporte landwirtschaftlicher Produkte von einem EU-Land in ein anderes.

Hauptelemente
Die Mitteilung über unlautere Handelspraktiken legt den Interessenträgern eine Reihe von Prioritäten nahe, um die Einrichtung eines wirksamen EU-weiten Rahmens gegen unlautere Praktiken zu vereinfachen. Sie sieht keine Regulierungsmaßnahmen auf EU-Ebene vor, sondern fordert die Mitgliedstaaten auf, unter Berücksichtigung ihrer nationalen Gegebenheiten angemessene Vorkehrungen gegen unlautere Praktiken zu treffen.
Die Vorschläge beruhen auf drei Bausteinen:

1. Unterstützung der freiwilligen Supply Chain Initiative: Freiwillige Verhaltenskodizes sind ein wichtiger Eckpfeiler fairer und nachhaltiger Handelsbeziehungen. Daher ermutigt die Mitteilung Akteure entlang der Lebensmittelversorgungskette, der im September 2013 gegründeten Supply Chain-Initiative und ihren nationalen Plattformen beizutreten. Zudem ruft sie die Governance-Gruppe der Initiative auf, so viele KMU wie möglich zur Teilnahme zu bewegen, da diese am meisten von der Initiative profitieren.

2. EU-weite Standards für empfehlenswerte Verfahren: Die Mitgliedstaaten, die auf nationaler Ebene bereits gegen unlautere Handelspraktiken vorgehen, haben dafür unterschiedliche Ansätze gewählt. Einige Mitgliedstaaten haben bisher jedoch noch keinerlei Vorkehrungen gegen diese Praktiken getroffen. Um unlautere Handelspraktiken EU-weit und vor allem grenzübergreifend wirksam zu bekämpfen, wäre ein gemeinsames Verständnis der erforderlichen Bestimmungen von Vorteil. Die Mitteilung schlägt vor, dass die Grundsätze der Supply Chain Initiative als Grundlage für ein solches gemeinsames Verständnis dienen könnten.

3. Wirksame Durchsetzung auf nationaler Ebene: Wenn die schwächere Partei in einer Handelsbeziehung wirtschaftlich von ihrem stärkeren Partner abhängt, wird sie eher von rechtlichen Schritten oder freiwilligen Streitbeilegungsmechanismen absehen, um sich gegen unlautere Praktiken zu wehren, da sie befürchten muss, die Handelsbeziehung zu schädigen oder zu verlieren. Um Unternehmen wirksam von der Anwendung unlauterer Handelspraktiken abzuschrecken, plädiert die Mitteilung für EU-weit anwendbare Mindestdurchsetzungsstandards.

Hintergrund
Im Europäischen Aktionsplan für den Einzelhandel von Januar 2013 wurde hervorgehoben, wie wichtig eine Eindämmung unlauterer Praktiken zur Förderung nachhaltiger Handelsbeziehungen ist. Das Grünbuch der Kommission über unlautere Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel in Europa, das gemeinsam mit dem Aktionsplan veröffentlicht wurde, brachte eine breitere Diskussion in Gang und führte zu Stellungnahmen verschiedenster Interessenträger. Mit der jetzigen Mitteilung wird diese Arbeit fortgesetzt.

Unlautere Handelspraktiken können vor allem KMU in der Lebensmittelversorgungskette schädigen. Sie können deren Fähigkeit beeinträchtigen, sich am Markt zu behaupten, neue Finanzinvestitionen in Produkte und Technologien zu tätigen und ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten im Binnenmarkt auszuweiten. Darüber hinaus könnten sie auch einige indirekte negative Folgen für KMU entlang der Versorgungskette haben. KMU könnten etwa von vornherein vom Aufbau einer Handelsbeziehung absehen, da sie fürchten müssen, unlauteren Praktiken ausgesetzt zu werden. Zudem könnten sich in der EU angewandte unlautere Praktiken auch direkt oder indirekt auf Produzenten und Unternehmen außerhalb der EU, auch in Entwicklungsländern, auswirken.

Zahlreiche Mitgliedstaaten haben das Schadenpotenzial unlauterer Handelspraktiken anerkannt und Regulierungsmaßnahmen ergriffen oder planen, dies zu tun; dies hat wiederum zu uneinheitlichen Bestimmungen in der EU geführt. Im Rahmen des von der Kommission gegründeten "Hochrangigen Forums für die Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette" haben die Marktteilnehmer das Problem unlauterer Handelspraktiken anerkannt und eine Reihe von Grundsätzen für vertikale Handelsbeziehungen formuliert sowie einen Selbstregulierungsrahmen zur Umsetzung dieser Grundsätze, die so genannte Supply Chain-Initiative, gegründet.

Weitere Informationen
http://ec.europa.eu/internal_market/retail/index_de.htm
http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/food/competitiveness/forum_food/index_en.htm
(Europäische Kommission: ra)


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