CO2-Zertifikate: Ohrfeige für RWE
CO2-Emissionshandel: Bundeskartellamt verpflichtet RWE zu transparentem Verkauf von Industriestrom
RWE wird den Käufern den Wert der auf die betreffenden Mengen entfallenden unentgeltlich zugeteilten CO2-Zertifikate gutschreiben
(28.09.07) - Das Bundeskartellamt hat mit Entscheidung vom 26. September 2007 die RWE AG dazu verpflichtet, in den kommenden vier Jahren bedeutende Stromkapazitäten von insgesamt 6.300 Megawatt in einem transparenten Verfahren an Industriekunden zu verkaufen. Dabei wird RWE den Käufern den Wert der auf die betreffenden Mengen entfallenden unentgeltlich zugeteilten CO2-Zertifikate gutschreiben.
Damit konnte das Bundeskartellamt zugleich das gegen RWE anhängige Verfahren abschließen, in dem es um den Vorwurf der missbräuchlichen Überwälzung von Opportunitätskosten aus unentgeltlich zugeteilten CO2-Zertifikaten auf die Industriestrompreise ging (vgl. auch Presseerklärung vom 20. Dezember 2006).
Die Entscheidung war möglich geworden, weil RWE auf die Abmahnung der im Streit stehenden Preisgestaltung für 2005 hin mit einem Zusagenangebot auf Bundeskartellamt und Industriekunden zugegangen war. Im Einzelnen wird RWE in sechzehn Auktionen Strom im Umfang von über 46 Mio. Megawattstunden durch einen unabhängigen Auktionator anbieten lassen.
Die Ausgestaltung der Auktionen unterscheidet sich dabei deutlich von dem herkömmlichen Stromverkauf am Handelsplatz in Leipzig, der zuletzt immer wieder Gegenstand der Kritik von Kunden war. Zudem wird kleinen und mittleren Industriekunden der Einstieg in ein strukturiertes Portfoliomanagement erleichtert, weil die Versteigerung in kleinen Clip-Größen erfolgt und neben einem braunkohlebasierten Grundlastprodukt auch ein neuartiges vollversorgungsähnliches Produkt auf Steinkohlebasis umfasst.
Kartellamtspräsident Heitzer hob in Bonn hervor, dass die RWE-Zusage den zentralen Streitpunkten des Verfahrens Rechnung trägt, indem die umstrittenen CO2-Opportunitätskosten im Rahmen der Auktionen nicht von RWE auf den Preis übergewälzt werden und ein transparentes Vermarktungsverfahren beschritten wird: "Die Entscheidung führt schneller zu einem befriedigenden und sichtbaren Ergebnis für die Marktteilnehmer als eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung über eine Untersagung."
Jedoch markiere der Abschluss des Verfahrens, so Heitzer weiter, keineswegs das Ende der Befassung seiner Behörde mit den hohen Strompreisen und ihren strukturellen Ursachen. So hält sich das Bundeskartellamt in der gestrigen Entscheidung ein Einschreiten gegen die Strompreisgestaltung von RWE außerhalb des Aspekts der Überwälzung von CO2-Opportunitätskosten - nicht zuletzt im Hinblick auf die geplante Verschärfung der Preismissbrauchsaufsicht durch den Gesetzgeber ausdrücklich offen.
Das Bundeskartellamt bestätigte zugleich, dass in dem parallelen Verfahren gegen die E.ON Energie AG ebenfalls konstruktive Gespräche geführt werden.
Presseerklärung vom 20. Dezember 2006
Bundeskartellamt mahnt Stromversorgungsunternehmen wegen überhöhter Strompreise im Hinblick auf CO2-Zertifikatehandel ab
Das Bundeskartellamt hat der RWE AG, Essen, seine vorläufige Beurteilung mitgeteilt, dass die Forderung von Industriestrompreisen im Jahr 2005 insoweit missbräuchlich war, als in den Preisen mehr als 25 Prozent des im Preis anteilig enthaltenen CO2-Zertifikatswerts überwälzt wurde.
Das Bundeskartellamt ging dabei von der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnis aus, dass Opportunitätskosten im Prinzip in die betriebswirtschaftliche Kalkulation einfließen. Das setzt allerdings voraus, dass die zur Stromerzeugung unentgeltlich zugeteilten Emissionsberechtigungen bzw.
CO2 -Zertifikate auch tatsächlich zum Verkauf zur Verfügung stehen.
Zahlreiche Unternehmen der stromintensiven Industrie hatten sich - unter anderem über den Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. ("VIK") und die Wirtschaftsvereinigung Metalle ("WVM") – im Jahr 2005 über das Verhalten der Stromkonzerne in Bezug auf den CO2-Emissionshandel beim Bundeskartellamt beschwert. Seit dem 1.1.2005 müssen Kraftwerke, aber auch Unternehmen aus anderen CO2-emittierenden Branchen, für ihre Produktion Emissionsberechtigungen einsetzen. Durch den Handel mit solchen Zertifikaten sollen möglichst kosteneffizient Treibhausgase verringert werden.
Das Bundeskartellamt hatte aufgrund der Beschwerden Ende 2005 Verfahren gegen RWE und die E.ON Energie AG eingeleitet. Die der RWE zugestellte Abmahnung betrifft ausschließlich die Preisgestaltung für das Jahr 2005 bezogen auf die Strompreise ihrer Industriekunden. Das parallel laufende Verfahren gegen E.ON wird sich – unter Berücksichtigung der in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse – unmittelbar anschließen.
RWE ist – bezogen auf die bundesweiten Strommärkte – gemeinsam mit E.ON marktbeherrschend, da zwischen beiden Unternehmen kein wesentlicher Wettbewerb stattfindet und sie im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern eine überragende Marktstellung innehaben. Beide Konzerne erzeugen gemeinsam gut 60 Prozent der Nettostrommenge, verfügen über Kraftwerke der Grund-, Mittel- und Spitzenlast, halten zusammen über 200 Minderheitsbeteiligungen an Stadtwerken und Regionalversorgern und kontrollieren über 50 bis 70 Prozent der deutschen Stromnetze.
Das Bundeskartellamt hatte zu prüfen, ob ein Missbrauch insoweit vorliegt, als die von RWE geforderten Preise von solchen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb gebildet hätten. Gegenstand der Prüfung war dabei der auf die Überwälzung von emissionshandelsbedingten Opportunitätskosten entfallende Preisumfang.
Eine Vergleichsbetrachtung mit anderen, am europäischen Emissionshandel teilnehmenden Industrien hat ergeben, dass die Wettbewerbsbedingungen auf anderen Märkten eine Überwälzung der kostenlos zugeteilten Emissionsberechtigungen nicht erlauben. Dies gilt nicht nur für Branchen, die im weltweiten Wettbewerb mit nicht am Emissionshandel teilnehmenden Wettbewerbern stehen, sondern auch für Branchen wie beispielsweise den Mineralöl-, Zement-, Kalk- oder Zuckermarkt, in denen deutsche Unternehmen mit ebenfalls am Zertifikatehandel beteiligten nationalen oder europäischen Wettbewerbern konkurrieren.
Unabhängig von der Vergleichsbetrachtung mit anderen Industrien hat die Prüfung des Amtes ergeben, dass aus stromwirtschaftlichen und emissionsrechtlichen Gründen lediglich für eine geringe Zahl der den Kraftwerksbetreibern zugeteilten Emissionsberechtigungen tatsächlich alternative Verwendungen für die Zertifikate bestanden. Nun insoweit wäre ein monetärer Nutzen entgangen, wenn der Wert dieser Zertifikate nicht einkalkuliert worden wäre.
Unter Heranziehung eines brennstoffübergreifenden Umrechnungsfaktors und eines "Erheblichkeitszuschlags" beanstandet das Bundeskartellamt deshalb in seiner vorläufigen Verfügung eine Überwälzung von bis zu 25 Prozent des im Strompreis anteilig enthaltenen Zertifikatswertes nicht. Jede darüber hinaus stattfindende Überwälzung wäre als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung anzusehen.
RWE und die anderen Verfahrensbeteiligten haben Gelegenheit, bis zum 22. Februar 2007 zur Abmahnung Stellung zu nehmen.
(Bundeskartellamt: ra)
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