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Korruption: Parteien traut man alles zu


Global Corruption Barometer 2007: Politische Parteien und Parlamente werden als am empfänglichsten für Korruption angesehen
Arme Familien - auch in reichen Ländern – leiden am meisten unter Bestechung


(07.12.07) - Arme Familien, sowohl in entwickelten als auch in Entwicklungsländern, leiden am meisten unter Forderungen nach Schmiergeld, wie Transparency Internationals diesjähriges Global Corruption Barometer zeigt. Die kurz vor dem internationalen Anti-Korruptionstag am 9. Dezember publizierte Meinungsumfrage kommt auch zu dem Ergebnis, dass Bürger überall auf der Welt, politische Parteien und Parlamente als am meisten von Korruption betroffen ansehen.

Das Barometer, das die Antworten von 63.199 Befragten in 60 Ländern auswertet, bietet ein breites Spektrum an Daten über die allgemeine Erfahrung mit Korruption. Es wird ersichtlich, welche Institutionen am häufigsten Schmiergeld fordern, welche Institutionen die Bürger als am meisten von Korruption betroffen ansehen und wie sie sowohl die künftige Entwicklung der Korruption als auch die Antikorruptions- Bemühungen ihrer Regierungen beurteilen.

"Das diesjährige Global Corruption Barometer zeigt, dass viel zu oft Menschen Teile ihres hart verdienten Geldes für Leistungen aufbringen müssen, die eigentlich umsonst sein sollten", sagt Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International. "Und sie sehen nicht genug Anstrengungen ihrer Regierungen und der Verantwortlichen. Wir sind ermutigt, dass die Öffentlichkeit zunehmend Rechenschaft von den Institutionen verlangt, die ihre Leben am stärksten beeinflussen, denn so wird Veränderung möglich."

Schmiergeld: Eine Steuer für arme Familien

Das TI Global Corrutption Barometer 2007 zeigt, dass gerade Arme, in wohlhabenden wie ärmeren Ländern, am häufigsten mit Schmiergeldforderungen konfrontiert werden. Diese Erpressung wirkt auf Haushalte mit niedrigem Einkommen wie eine regressive Steuer, die knappe Haushaltsmittel aufzehrt. Mehr als jeder zehnte Befragte gibt an, dass er im letzten Jahr Schmiergeld zahlen musste, um Zugang zu Leistungen zu erhalten. Albanien und der Senegal sind die Länder mit dem höchsten Schmiergeldniveau. 30 Prozent der Befragten in diesen Ländern melden Schmiergeldforderungen. Andere Länder mit einem hohen Schmiergeldniveau sind Kambodscha, Kamerun, Mazedonien, Kosovo, Nigeria, Pakistan, die Philippinen und Rumänien.

Auf die Frage, welche Sektoren am seltensten mit Schmiergeldforderungen verbunden sind, wurden Telefon- und Gasanbieter genannt, während Strafverfolgung weltweit am häufigsten als Quelle solcher Forderungen angesehen wurde (25 Prozent der Befragten, die mit der Polizei in Berührung kamen, wurden nach Schmiergeld gefragt). Gerichte werden dabei als die zweithäufigste Quelle von Schmiergeldforderungen genannt.

Korrupte Polizei und Justiz sind eine Verweigerung der Grundrechte

"Das Barometer macht deutlich, dass die Polizei und Justiz in vielen Ländern Teil eines Korruptionskreislaufs sind, der von Bürgern Schmiergeld verlangt", sagt der Geschäftsführer von Transparency International, Cobus de Swardt. "Dieses erschütternde Ergebnis weist darauf hin, dass sich Korruption nicht mit dem grundlegenden Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verträgt."

Basierend auf den Global Corruption Report 2007 setzt sich Transparency International dieses Jahr stark für den Kampf gegen Korruption in der Justiz ein. Der Bericht führt detailliert auf, wie sich Schmiergeld auf die Justiz auswirkt. Richter und Justizpersonal nehmen Schmiergeld an, um Fälle aufzuschieben oder zu beschleunigen, eine Berufung zu verweigern oder zu erlauben oder einen Fall auf eine bestimmte Art und Weise zu entscheiden.

Der Global Corruption Report 2007 beinhaltet beispielsweise auch die Daten einer Untersuchung von 2002, die aufzeigen, dass 96 Prozent der Befragten in Pakistan, die mit Gerichten niedrigerer Instanz zu tun hatten, auf korrupte Handlungsweisen stießen, während an Russlands Gerichten jedes Jahr eine geschätzte Summe von 210 Mio. Dollar an Schmiergeld fließen soll.

Bestechungsgelder pro Sektor: Eine regionale Perspektive

Obwohl die Polizei weltweit die Institution ist, die nach Einschätzung der Befragten das meiste Schmiergeld fordert, gibt es zwischen einzelnen Regionen wichtige Unterschiede. In Europa ist das Gesundheitswesen der Sektor, in dem Schmiergeldforderungen am weitesten verbreitet ist. In Lateinamerika, im Asia-Pazifik-Raum und in Nordamerika ist Schmiergeld im Justizsystem ein ernst zu nehmendes Problem. In Afrika und den erst seit kurzer Zeit unabhängigen Staaten (Russland, Moldawien und die Ukraine) sind Schmiergeldzahlungen im für die weitere Entwicklung wesentlichen Bildungs- und Gesundheitswesen vorherrschend. Schmiergeldzahlungen sind von 2006 bis 2007 in einigen Regionen, wie Asia-Pazifik (22 Prozent der Befragten berichten von Schmiergeldzahlungen mit vorher 15 Prozent) und Südosteuropa (12 Prozent gegenüber 8 Prozent). In Afrika zeigt sich eine leichte Abnahme (42 Prozent gegenüber 47 Prozent).

"Diesen nüchternen Zahlen liege beängstigende, lebenswirkliche Szenarien zu Grunde, wenn Geld in sehr anfälligen Situationen erpresst wird, beispielsweise bei medizinischen Notfällen oder bei Opfern von Verbrechen", sagt Huguette Labelle. "Fest verwurzelte Bestechung verursacht tiefe und bleibende Wunden in einer Gesellschaft und zerstört den Glauben an die Regierenden."

Politische Parteien sind immer noch am stärksten von Korruption betroffen Bürger werden im Barometer auch danach gefragt, welche Institutionen sie als am meisten von der Korruption betroffen ansehen. Jahr für Jahr belegen Parteien und Parlamente den ersten Platz - also genau die Institutionen, deren Aufgabe es ist, die öffentlichen Interessen im politischen Entscheidungsprozess zu vertreten.

"Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass vom Engagement der Entscheidungsträger abhängt, ob die Bemühungen im Kampf gegen Korruption gestärkt oder gehemmt werden", sagt de Swardt. "Diese verstörenden Zahlen zeigen, dass eine Regierung sich mit einer Legitimitätskrise konfrontiert sieht, die das Potential in sich birgt, Demokratie, Stabilität und den Schutz der Menschenrechte zu untergraben."

In den Augen der Bürger schneiden religiöse Institutionen und Nicht- Regierungsorganisationen am besten ab. Die Wahrnehmung von Nicht- Regierungsorganisationen, ebenso wie die Wahrnehmung der Privatwirtschaft, hat sich weltweit im Vergleich zu 2004 verschlechtert, was darauf hinweist, dass diese beiden Sektoren unter steigendem öffentlichen Druck stehen, Transparenz und Rechenschaft nachzuweisen.

Die Öffentlichkeit ist bereit für Veränderungen

Verglichen mit dem Barometer aus dem Jahr 2003 sind die öffentlichen Erwartungen, was das zukünftige Ausmaß der Korruption angeht, düster geworden. 54 Prozent der Befragten haben - im Gegensatz zu 43 Prozent vier Jahre zuvor - den Eindruck, dass sich in den kommenden Jahren die Korruption verstärken wird. Im Jahr 2007 erwartete nur jeder fünfte Befragte, dass sich das Ausmaß der Korruption in naher Zukunft verringern wird.

Als pessimistischste Länder stechen die Philippinen und Indien hervor. Über 79 Prozent der Befragten in diesen Ländern erwarten eine Zunahme der Korruption. Unter den pessimistischsten Ländern sind ferner Deutschland, Großbritannien, Indien, die Niederlande Philippinen, Senegal und Südafrika. Diese negative Erwartung ist aber nicht überall anzutreffen: Umfragen in Bulgarien, Ghana, Mazedonien, Nigeria und Singapur waren entschieden optimistischer. In diesen Ländern glauben die Befragten an einen künftigen Rückgang der Korruption.

Die Regierungen unternehmen nicht genug

Mit der Einstellung gegenüber den Anstrengungen der Regierung im Kampf gegen Korruption verhält es sich ähnlich wie mit den Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung der Korruption. Über die Hälfte der Befragten hält die Bemühungen ihrer Regierungen für unwirksam. Nur jeder dritte Befragte glaubt, dass seine Regierung Korruption wirksam bekämpft.

Ein Großteil der Bevölkerung in Nord- und Lateinamerika, Europa und dem pazifischen Asien war durchschnittlich am skeptischsten. Die Tatsache, dass Nordamerikaner und Europäer die Bemühungen ihrer Regierungen trotz des niedrigen Schmiergeldniveaus derart negativ einschätzen, legt nahe, dass sie beunruhigt sind, wenn es um Korruption größeren Ausmaßes geht. Außerdem stoßen sie sich wohl an dem Missverhältnis von bekannt gewordenen Korruptionsfällen und fehlenden Versprechen, dagegen etwas zu tun. Das Fehlen eines klaren Ansatzes Korruption zu bekämpfen, verstärkt das öffentliche Unbehagen.

Im besonderen Maße wiesen einige untersuchte afrikanische Staaten Anzeichen eines weitaus größeren Optimismus auf als er in Ländern Nordamerikas oder Europas zu beobachten ist. Vor allem reichere Länder sollten berücksichtigen, was ihre Bürger sagen und sie sollten die umfassenden Ansätze zur Korruptionsbekämpfung, die sie seit Jahren von den Empfängerländern von Entwicklungs- und Finanzhilfen fordern, bei sich einführen.

Frauen sind pessimistischer

Detaillierten Analysen zufolge sind Frauen etwas pessimistischer, was das zukünftige Niveau der Korruption angeht als Männer. Dies steht im Gegensatz zu einem anderen Ergebnisses des Barometers 2007, nämlich, dass Frauen weniger wahrscheinlich Schmiergelder zahlen als Männer, auch wenn dies eventuell auf geschlechtsspezifische Unterschiede in Häufigkeit und Art der institutionellen Kontakte zurückzuführen ist.

Barometer gegenüber Korruptions-Wahrnehmungs-Index

Die Ergebnisse des Global Corruption Barometers 2007 weisen eine starke Korrelation (0.66) zwischen Schmiergelderfahrungen in der Bevölkerung und der Wahrnehmung von Korruption von Experten auf. Letztere stellen die Grundlage für den Korruptions-Wahrnehmungs-Index, das führende Analyseinstrument von TI, dar. Diejenigen Länder, in denen Geschäftsleute, Länderanalysten und Experten die Korruption als weit verbreitet wahrnehmen, sind genau dieselben Länder, in denen im Durchschnitt ein höherer Prozentsatz der Bürger Schmiergelder zahlen, um Zugang zu Leistungen zu erhalten.

Zusammenfassung: Nicht nur die Regierungen müssen sich noch mehr anstrengen

"Versprechungen in Handlungen umzuwandeln ist von grundlegender Bedeutung, wenn Korruptionsbekämpfung sich auf das Leben der Bürger auswirken soll. Regierungen haben eine Schlüsselfunktion, wenn es darum geht Verpflichtungen bei der Korruptionsbekämpfung zu übernehmen. Aber die Regierungen sind nicht allein verantwortlich. Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen von Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft", folgert TI- Vorsitzende Labelle. "Die Menschen werden durch Schmiergeldzahlungen bestraft und sind durch die Korruption frustriert, die ihrer Einschätzung nach in den wesentlichen öffentlichen Institutionen und Leistungsanbietern grassiert. Das Global Corruption Barometer 2007 ist ein Weckruf und eine Erinnerung, dass Menschen überall auf der Welt ein Ende der Korruption und ihrer schrecklichen Folgen fordern."

Anmerkung für die Herausgeber:
Das Global Corruption Barometer spiegelt die Ergebnisse einer öffentlichen Meinungsumfrage, die die Wahrnehmung und Erfahrung von Korruption betrachtet. Dieses Jahr wurden für die Studie zwischen Juni und September 2007 63.199 Personen in 60 Ländern befragt. Die Barometer Studie wurde für Transparency International seit 2003 jedes Jahr von der Gallup International Association, als Teil ihres "Voice of the People Survey", erhoben. (Transparency: ra)

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