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Interview mit Dr. Christian Reiser, Referent


IT Compliance und IT Governance verlangt Nachvollziehbarkeit: Beschriebene Abläufe im Unternehmen müssen der Realität entsprechen
Mit den IT-Standards kommtein wichtiger Aspekt dazu: Man hat einen guten Schummelzettel, um nichts Wichtiges zu vergessen

(06.03.07) – "Weder Firewalls noch COBIT ersetzen den gesunden Menschenverstand", meint Dr. Christian Reiser, Experte für Informations-Sicherheit im Vorfeld des Conex-Forums "Compliance & IT-Governance" am 25. April 2007 in Wien. Im Gespräch mit Michael Ghezzo differenziert er klar zwischen IT-Security und Informationssicherheit. Wenn man es schaffe, im Rahmen von Compliance und IT-Governance die entsprechende Motivation aufzubauen, werde die Verbesserung der firmeninternen Prozesse und damit die Verbesserung des Unternehmens zu einem Selbstläufer. Außerdem verlangen Compliance und IT-Governance Nachvollziehbarkeit.

Michael Ghezzo: Sie plädieren für eine umfassende Sicht der Risken im Unternehmen, weg vom Begriff IT-Security hin zur Informationssicherheit. Was verstehen Sie darunter und wie weit gibt es in Unternehmen ein Bewusstsein für die Anforderungen der Informationssicherheit?

Christian Reiser: Ziel der Informationssicherheit ist, genau die richtigen Informationen zum genau richtigen Zeitpunkt bei genau den richtigen Personen zu haben. Das ist deutlich mehr als IT-Sicherheit. Während die Security nur die Computerdaten mit den zugehörigen Systemen behandelt, gilt es bei der Informationssicherheit alle Informationen unabhängig vom Datenträger zu schützen. Also auch jene Informationen auf Papier oder im Kopf der Mitarbeiter.
Letztendlich ist es für ein Unternehmen egal, auf welchem Weg geheime Informationen das Unternehmen verlassen oder wichtige Informationen verschwinden. Weg ist weg, und der Schutz durch Sicherheitsmassnahmen der IT hat seine Grenzen.
Leider ist es für Unternehmen bedeutend leichter, das Gewissen im Bereich der IT-Security zu beruhigen. Man kauft neue oder bessere IT-Security-Einrichtungen und glaubt schon, ruhig schlafen zu können. Will man sich wirklich in Bezug auf Informationssicherheit verbessern, so gilt es, an der Firmenkultur und mit allen Mitarbeitern zu arbeiten. Das ist nicht so einfach, bringt aber erst die richtigen Fortschritte.

Michael Ghezzo: Compliance wird in vielen Unternehmen als reiner Kostentreiber gesehen. Welche Vorteile haben Unternehmen, die Compliance und IT-Governance ernsthaft betreiben?

Christian Reiser: Wenn Sie hier "ernsthaft betreiben" sagen, gehe ich davon aus, dass Sie meinen, die Unternehmen betreiben es nicht nur, um das entsprechende OK von der entsprechenden Stelle zu bekommen.
Es gibt zwei wertvolle Hebel, die man im Zuge von Compliance und IT-Governance gewinnbringend einsetzen kann.
Grundsätzlich wissen alle Mitarbeiter eines Unternehmens immer sehr genau, was man verbessern oder welche Schwachstellen man ausmerzen kann. Meist fehlt es nur an der Kommunikation und an den Möglichkeiten für den einzelnen, dieses Wissen einzubringen.
Wenn man es schafft, im Rahmen von Compliance und IT-Governance die entsprechende Motivation aufzubauen, wird die Verbesserung der firmeninternen Prozesse und damit die Verbesserung des Unternehmens zu einem Selbstläufer.
Außerdem verlangen Compliance und IT-Governance Nachvollziehbarkeit. Das heißt, sie müssen ihre wichtigsten Abläufe im Unternehmen zunächst einmal beschreiben und dafür sorgen, dass sie so beschrieben werden, wie gelebt.
Durch die damit verbundene strukturierte Vorgangsweise bietet sich auch die Möglichkeit, Schwachstellen und Verbesserungspotentiale zu erkennen, und die entsprechenden Änderungen umzusetzen. Dabei kann man seinen Horizont dann auch von der IT-Security zur Informationssicherheit erweitern.
Beide Hebel gemeinsam sind schon fast ein Garant für Erfolg.

Michael Ghezzo: Zahlreiche Standards wie COBIT, ITIL, oder ISO 27001 bieten sich an, um die Compliance- und Sicherheitsanforderungen des Unternehmens zu lösen. Worin besteht Ihrer Ansicht nach der wahre Nutzen dieser Standards?

Christian Reiser: Ich füge dieser Reihe von Standards immer noch gern einen weiteren hinzu: Den Standard des Gesunden Menschenverstandes.
Egal, welchen der von Ihnen genannten Standards man einsetzt, man kann ihn immer so umsetzen, dass man möglichst rasch das Zertifikat bekommt, oder so, dass man wirklich Vorteile davon hat.
Zusätzlich zu den Aspekten, die ich Ihnen bereits bei Ihrer Frage zu Compliance und IT-Governance geschildert habe, kommt mit den Standards noch ein wichtiger Aspekt dazu: Man hat damit einen guten Schummelzettel, dass man nichts Wichtiges vergisst. Meist wird nämlich nur IT-Security, und nicht Informationssicherheit behandelt.
Es gilt nur stets zu beachten: Der Standard muss (soweit möglich) dem Unternehmen angepasst werden, in dem er angewandt wird, und nicht umgekehrt.

Michael Ghezzo: Inwieweit lassen sich Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit sinnvoll unter einen Hut bringen? Was raten Sie Unternehmen?

Christian Reiser: Ich sehe keinen Widerspruch in Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit. Ganz im Gegenteil, die drei ergänzen sich hervorragend.
Ich glaube nicht, dass es gut für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens ist, wenn die immateriellen Werte wie Firmengeheimnisse, Strategien oder sonstiges einzigartiges Know-how deshalb nicht wirtschaftlich ausgenützt werden können, weil sie doch nicht so geheim sind, und zum Beispiel der Mitbewerber sie schon kennt. Ähnliches gilt für die Wettbewerbsfähigkeit.
Für jedes Unternehmen gibt es ein für dieses Unternehmen richtiges Sicherheitsniveau. Es ist meist gar nicht so schwierig, dieses Niveau herauszufinden, weil es in der Regel sowieso im Unterbewusstsein der Mitarbeiter schlummert. Es hervorzuheben, bedarf keiner wissenschaftlicher Arbeiten.
Ich rate den Unternehmen und begleite sie dabei, gezielt ihr Sicherheitsniveau zu definieren, und dann nach Wichtigkeit gereiht die einzelnen Maßnahmen Schritt für Schritt umzusetzen.

Christian Reiser, Experte für Informations-Sicherheit ist als Referent auf dem Conex Forum "Compliance & IT-Governance" am 25. April 2007 in Wien.
(Conex: ra)


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