Nachruf auf das Siemens-Firmenjubiläum


160 Jahre Siemens: Von der Hinterhofwerkstatt zum Weltmarktführer in Sachen Korruption und Kartellvergehen
Mit einer neuen Krisen-PR-Kampagne versucht Siemens ihr ramponiertes Image aufzupolieren


Werner von Siemens:
Werner von Siemens: "Nach Hause telefonieren" geht nur noch mit Motorola, Bild: Siemens

Von Rainer Annuscheit

(18.10.07) – Hurra, hurra - die Verleger jubeln: Endlich kommt sie, die lang erwartete, internationale Krisen-PR-Kampagne, mit der die Siemens AG ihr miserables Image aufhübschen muss. Der internationale Werbefeldzug, der im November anlaufen wird, wurde zusammen mit der Agentur Ogilvy entwickelt und soll Teil eines umfassenden Kommunikationsprogramms von Siemens sein.

Erstaunlich, dass sich bei Siemens überhaupt noch jemand daran erinnern kann, wie das geht: Über den Anzeige-Werbemarkt den Kunden zu überzeugen. Zugegeben: Kundengewinnung durch Korruption und Schmiergeld ist auch wesentlich einfacher, schneller und natürlich preiswerter, als dafür den traditionellen Anzeigemarkt in Anspruch zu nehmen.

Bewusst versucht das Unternehmen nun davon abzulenken, mit welchen kolossalen Schweinereien es die letzten Jahre in Verbindung gebracht wird. Die Krisen-PR-Kampagne startet in Deutschland mit einem Motiv des Firmengründers Werner von Siemens und einem Mitarbeiter-Motiv.

"Damit erinnert Siemens an die Eigenschaften, die den Erfolg des Unternehmens vom ersten Tag an geprägt haben und die bis heute im Unternehmen weiterleben: Innovationskraft, Internationalität und Kreativität", heißt es in der Siemens-Presse-Mitteilung.

Und wirklich, man weiß sofort, was damit gemeint ist, mit innovativ, international und kreativ.

Man denke beispielsweise an:

>> die große BenQ-Pleite:
Sie ist zwar gekennzeichnet durch ein beeindruckendes Missmanagement im Mobilfunk-/Handy-Bereich und durch ein völlig verantwortungsloses Handeln gegenüber den eigenen Mitarbeitern, die wie Schlachtvieh an BenQ verschachert wurden.
Aber Kleinfelds Idee, die dahinter stand, war wirklich innovativ. So hat man sich bei Siemens doch elegant die millionenschwere Abfindung für die Mitarbeiter gespart.

>> den Total-Crash der Siemens-Sparte Com, der die Unfähigkeit des Unternehmens zeigte, im Netzwerk- und Kommunikationsmarkt zurecht zu kommen. Der Crash war zwar weder innovativ noch kreativ, aber ungemein international: Nokia Siemens Networks hört sich doch toll an, auch wenn Siemens selbst in dem Verbund nur noch die Qualifikation des Grüß-August besitzt.

>> die AUB-Affäre, die immer noch nicht ausgestanden ist und so anschaulich beweist, was Siemens unter Mitarbeitervertretung versteht. Das war natürlich Kreativität pur.

>> die unzähligen Korruptionsaffären auf der ganzen Welt, die zumindest in den USA noch eine gewaltige Geldstrafe der amerikanischen SEC nach sich ziehen werden: Innovationskraft, Internationalität und Kreativität in Reinkultur, man kann's nicht anders sagen.
Streicht man all die Staaten vom Globus, in denen Siemens noch nicht bestochen hat, dann bleiben wahrscheinlich nur noch Andorra und das Disneyland übrig.

>> ach ja, und nicht zu vergessen, die Kartellvergehen, die Siemens natürlich auch nicht ausgelassen hat. Auch das war doch durchaus kreativ, und international waren sie auch.

Was ist nun der Inhalt der PR-Kampagne?
Etwa ein eindeutiges Bekenntnis zur Compliance und Governance als Zeichen einer neuen Offenheit im Unternehmen? Vielleicht sogar verbunden mit einer Nachhaltigkeits-Kampagne, die Verantwortung zeigt für Menschen (und Mitarbeiter), Umwelt (und länderspezifisches Umfeld)?
Ergänzt durch Projekte in der Dritten Welt?
Oder durch Anteilnahme an Schicksalen von Außenseitern der Gesellschaft und durch beispielhafte Bußfertigkeit im Auftreten?

"Aber nein doch, wer interessiert sich denn für so einen humanitären Dreck", wird man sich bei Siemens gedacht haben. "Wir zeigen lieber das, was wir verkaufen können und wollen! Das ist doch viel witziger!"
"Mit der jetzt gestarteten Imagekampagne unterstreichen wir unsere technologische Leistungsfähigkeit auf den drei Feldern Energie und Umwelt, Industrie sowie Healthcare", verargumentiert Stephan Heimbach, Kommunikationschef bei Siemens, salbungsvoll die kreative Krisen-PR-Geistesleistung.

Und Recht hat er, der Herr Heimbach: Darauf hat natürlich in diesem Moment die ganze Welt gelauert, dass ihr jemand die technologische Leistungsfähigkeit der Siemens AG erklärt. Andere Erklärungen hätte man von Siemens ja auch gar nicht erwartet.

Damit dieser armselige Krisen-PR-Kretin überhaupt das Licht der Welt erblicken kann, hat Siemens durch Zufall bemerkt, dass sie ja gerade 160 Jahre alt geworden ist. 160 Jahre sind zwar nicht gerade das Paradejubiläum, das man unbedingt feiern muss – aber in der Not frisst der Teufel ja bekanntlich Fliegen.

"Siemens steht nicht nur für Wandlungskraft und Traditionsbewusstsein", lässt die PR-Abteilung den Siemens-Chef Peter Löscher anlässlich des Firmenjubiläums sprechen.
"Innovationen von Siemens haben die Welt verändert. Mit dieser Innovationskraft, einer langfristig orientierten Portfolio- und Finanzpolitik und dem klaren Ziel, weltweit auf dem Gebiet Corporate Governance eine Spitzenposition einzunehmen, wird Siemens auch in Zukunft profitabel wachsen".

Mein Gott! Mit dieser hohlen Allgemeinplattitüde hätte der Siemens-Chef auch auf dem chinesischen Parteitag auftreten können – hätte man ihn denn lassen.

Siemens hat die historische Chance verpasst, die Skandale der letzten Jahre mit dem Saulus-Paulus-Prinzip für sich in positive Energie umzuwandeln.

Mehr noch: Die im November anlaufende Krisen-PR-Kampagne macht deutlich, wie schwer sich das Unternehmen tut, seine Schuld und seine Fehlleistungen vor der Welt einzugestehen und sich von seinem Fehlverhalten eindeutig zu distanzieren. Offensichtlich hält man dies bei Siemens für ein Zeichen der Schwäche und nicht der Stärke.

Sollte der selige Firmengründer Werner von Siemens wider Erwarten noch einmal die Gelegenheit haben, vom Himmel herabzuschweben, um sein Unternehmen ein letztes Mal zu besichtigen, wäre das, was ihm da charakterlich und technisch als "Siemens von heute" über den Weg laufen würde, sicherlich vollkommen fremd. Siemens würde ihm einfach keinen Spaß mehr machen.

Und wenn der einstige Chef der "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske" dann schließlich wie ET "nach Hause telefonieren" will, um seinen Siemens-Planeten wieder zu verlassen, dann wird ihm der nette Siemens-Aufsichtsratschef Cromme wohl sein Motorola-Handy anbieten müssen.

"Siemens-Telefonie ist nicht mehr", wird der gute Cromme sagen, "unsere Handy- und Com-Sparte haben deine Urur-Enkel mit vereinten Kräften noch rechtzeitig zu unserem 160. Jahrestag gegen die Wand gefahren, damit wir nun ganz befreit was Neues machen können. Mach dir keine Sorgen, was wir anpacken, läuft immer wie geschmiert."
(Compliance-Magazin.de)



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