Freiheit versus Sicherheit


eco zweifelt Tragfähigkeit des Kompromisses zur Vorratsdatenspeicherung an: Leitlinien versuchen schwierigen Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit
Zentrale technische und rechtliche Fragen bleiben unbeantwortet - Unsicherheit zu Lasten der Unternehmen geht in die nächste Runde

(11.05.15) - Die höchst umstrittene Vorratsdatenspeicherung soll kommen: Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium haben sich auf einen entsprechenden Vorschlag geeinigt. Unter neuer Nomenklatur "Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfristen für Verkehrsdaten" wird der schwierige Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit versucht. eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. lehnt den Vorschlag aus mehreren Gründen ab. Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht: "Die Leitlinien sind ein fauler Kompromiss. Trotz reduzierten Daten, Speicherfristen und Richtervorbehalt bleibt die Vorratsdatenspeicherung eine anlasslose Überwachung der Kommunikation der Bürger in der digitalen Welt. Sowohl technische als auch rechtliche Fragen bleiben unbeantwortet und die Unsicherheit der Unternehmen geht in die nächste Runde."

Freiheit versus Sicherheit
Die vorgelegten Leitlinien, ein zwischen Bundesjustizministerium und Bundesinnenministerium ausgehandelter Kompromiss, versuchen den schwierigen Spagat zwischen Freiheitsrechten und Sicherheitsbedürfnis. "Mit der anlasslosen Speicherung gelingt dieser Versuch nicht. Der Eingriff in die Grundrechte der Bürger und die damit verbundenen Kosten stehen in keinem Verhältnis zu dem bisher nicht belegten Effektivitätsgewinn bei der Strafverfolgung. Daran ändern auch kürzere Speicherfristen sowie der Ausschluss von Kommunikationsinhalten und E-Mails nichts", erklärt Süme. Zudem bleibe fraglich, ob der Kompromiss zwischen den Ministerien so auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren aufrecht erhalten werden kann.

Offene Fragen
Zusätzlich eröffnen die Leitlinien einen Katalog neuer Fragen, zu den zentralen technischen und rechtlichen Parametern, mit denen die zur Umsetzung verpflichteten Unternehmen alleine gelassen werden. So ist beispielsweise der Umgang mit Berufsgeheimnisträgern nebulös geregelt: Die Verkehrsdaten von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen sollen zwar gespeichert werden, unterliegen aber einem Verwertungsverbot. Wesentliche Rahmenparameter wie etwa Verschlüsslung, Speicherung, Zugangsschutz oder revisionssichere Protokollierung sind nicht ausreichend definiert. Es wird eine dem "Stand der Technik höchstmögliche Sicherheit" gefordert. Damit bleibt zweifelhaft ob die Leitlinien den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben von EuGH und Bundesverfassungsgericht genügen. "Bei der Umsetzung der Sicherheitsanforderungen ist der technische und finanzielle Aufwand sowie die Realisierbarkeit der Implementierung derzeit noch nicht absehbar. Hier werden die Unternehmen alleine gelassen. Insbesondere für die kleinen und mittleren Anbieter von TK-Dienstleistungen kann dies einen erheblichen Aufwand bedeuten", kritisiert Süme. "Sollte die Ausgestaltung eines Gesetzes kommen, ist hier eine deutlich schärfere Klarheit gefordert."

Unsicherheit geht in die nächste Runde
Die durch die Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs aufgeworfenen Fragen beantwortet die Leitlinie indes nicht. Daher bleibt es fraglich, ob der erneute Versuch der Einführung der Vorratsdatenspeicherung nicht wieder durch die Gerichte kassiert wird. "Die Verfassungsmäßigkeit muss diesmal eindeutig vor der Umsetzung und Implementierung der Vorratsdatenspeicherung geprüft werden", fordert Süme. "Gerade vor dem Hintergrund des finanziellen Aufwandes für die Implementierung der Vorratsdatenspeicherung wäre dies für die Unternehmen untragbar. Sonst müssen die Unternehmen erneut Technik zur Vorratsdatenspeicherung aufbauen, die sie anschließend wieder verschrotten können."

Eine endgültige Bewertung des Vorhabens durch eco wird erst möglich sein, wenn der der erste konkrete Gesetzesentwurf vorliegt. Der Verband lehnt aus grundsätzlichen Erwägungen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung – auch eine im Sinne des Leitlinienvorschlages - weiterhin ab. (eco: ra)

eco: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Reduktion bürokratischer Hürden war überfällig

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßt, dass die EU-Kommission die Bedeutung des europäischen Verbriefungsmarktes erkannt und konkrete Reformvorschläge vorgelegt hat. Die geplanten Entlastungen bei Sorgfaltspflichten, Reporting und aufsichtlichen Prozessen sind ein Schritt in die richtige Richtung.

  • Haftungsübernahme der Banken & Betrugsproblem

    Die Europäische Union will Betrug eindämmen, bei dem Kundinnen und Kunden von Kriminellen getäuscht und zu Zahlungen verleitet werden. Der Rat hat sich nun auf seine Position zur Änderung des Zahlungsrechts verständigt. Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes und diesjähriger DK-Federführer, betont: "Betrug kann nur wirksam bekämpft werden, wenn alle Beteiligten - Kreditinstitute, Telekommunikationsanbieter und Internetplattformen - ihren Beitrag leisten. Das muss auch der gesetzliche Rahmen widerspiegeln." Denn die Kriminellen entwickelten ihre Betrugsmaschen ständig weiter und nutzen neue Einfallstore über Social Media und andere digitale Kommunikationsmittel. Unerlässlich ist aber auch die Wachsamkeit der Kundinnen und Kunden. "Ohne ihre Mithilfe kann das Problem nicht gelöst werden", so Herkenhoff weiter.

  • Neue EU-Labels zu Langlebigkeit

    Am 20. Juni 2025 trat die neue EU-Ökodesignverordnung in Kraft.?Zugleich gibt es neue EU-Labels zu Langlebigkeit und Reparierbarkeit. Dazu erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: "Die neuen Regelungen zum Ökodesign und entsprechenden Kennzeichen sind ein wichtiger Schritt für mehr Nachhaltigkeit in der digitalen Welt."

  • Finanzsektor muss mitgedacht werden

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) sieht Fortschritte, da sich die EU-Mitgliedsstaaten auf eine allgemeine Ausrichtung zur Omnibus Initiative geeinigt haben. Die ursprünglich von der Europäischen Kommission geplanten Vereinfachungen bei Berichtspflichten im Bereich Sustainable Finance sind ein wichtiger Schritt, um Unternehmen von Bürokratie zu entlasten und Nachhaltigkeit in der Praxis wirksamer zu gestalten.

  • Krisenmanagement & Einlagensicherung

    Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) begrüßt den politischen Kompromiss zur Reform des europäischen Rahmens für Krisenmanagement und Einlagensicherung (CMDI). "Der Kompromiss ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Einlagensicherung kann modernisiert, das europäische Abwicklungsregime gestärkt werden. Doch zentrale Fragen zur Rolle und finanziellen Belastung nationaler Sicherungssysteme bleiben offen", sagt Heiner Herkenhoff, Hauptgeschäftsführer des diesjährigen DK-Federführers Bundesverband deutscher Banken."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen