Datenverlust hat nichts mit Safe Harbour zu tun


Safe Harbor: Ratlosigkeit durch EuGH-Urteil, aber kein Grund zur Panik
Die Angst ist nur teilweise berechtigt, denn manche amerikanische Anbieter garantieren, dass die Daten nicht den Kontinent verlassen - So klagt beispielsweise Microsoft in letzter Instanz gegen die Herausgabepflicht nach dem Patriot Act für Daten aus Rechenzentren außerhalb der USA

Von Jörg Mecke ist Geschäftsbereichsleiter Business Productivity bei Fritz & Macziol

(04.11.15) - Das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofes führt bei vielen Unternehmen zu einer Geisteshaltung zwischen einer selbsterfüllenden Prophezeiung und Ratlosigkeit. Die Spionage-Möglichkeiten der NSA machen den Menschen Angst und viele fragen sich, was eigentlich richtig und was falsch läuft. Der EuGH stellt jetzt fest, dass es falsch ist, die amerikanischen Rechenzentren (genauer: die Rechenzentren auf amerikanischen Boden) als sicheren Datenspeicherungsort gelten zu lassen. Dabei haben alle großen US-Anbieter auch Rechenzentren in Europa oder sogar in Deutschland. Vielfach sorgen sie aber für eine Datenspiegelung in andere Rechenzentren in der Welt, um mit dieser so genannten "Geo-Redundanz" die Systeme maximal ab Ausfall des primären Rechenzentrums durch Feuer, Sturm oder anderen höheren Gewalten abzusichern. Das ist gut für die Verfügbarkeit, die Kunden können aber die Datenspeicherung nicht mehr nachvollziehen.

Doch die Angst ist nur teilweise berechtigt, denn manche amerikanische Anbieter garantieren, dass die Daten nicht den Kontinent verlassen. So klagt beispielsweise Microsoft in letzter Instanz gegen die Herausgabepflicht nach dem Patriot Act für Daten aus Rechenzentren außerhalb der USA. Der Verlust der Datenhoheit soll so minimiert werden und Microsoft versucht mit der Klage eine Vorreiterrolle der vertrauensvollen Cloud-Anbieter zu erlangen. Andere machen es vielleicht zurückhaltender oder gar nicht, um Kunden nicht auf potentielle Probleme hinzuweisen. Wo was läuft, das sollte klar sein, sobald ein Anbieter die Auftragsdatenvereinbarung für Applikationen, Datenbanken oder ganze virtuelle Maschinen herausgibt. Denn schon vor dem Urteil galt eine besondere Sorgfaltspflicht. Jetzt ist die Unsicherheit jedoch wieder gestiegen, da die bisherigen Unternehmensentscheidungen für die Cloud durch den geänderten Rechtsrahmen wieder in Frage gestellt werden.

Die Skeptiker der Transformation von einer handwerklichen Datenverarbeitung zu einer industriell-automatisierten Informationstechnologie bekommen nun Wasser auf ihre Mühlen, obwohl sich nicht viel ändert. Die Angst vor der Veränderung ist noch größer als die Angst vor dem Datenverlust. Denn auch der Datenverlust hat nichts mit Safe Harbour zu tun. Wenn Geheimdienste sich etwa auf Internetknoten schalten, sind die Daten für sie einfacher zu verarbeiten, als wenn sie einen Rechenzentrumsanbieter um Datenherausgabe "bitten". Die Hysterie sollte sich in Grenzen halten. Datenverschlüsselung nach neuesten Standards gilt als sicher und sollte jederzeit und unabhängig von Safe Harbour und Patriot Act genutzt werden. Denn es geht nicht darum, den technologischen Wandel zu verteufeln, sondern diesen Wandel unter den herrschenden Bedingungen selbst zu gestalten. Schließlich gibt es alternativ auch attraktive deutsche Anbieter mit deutschen Rechenzentren, die nur nach deutschem Recht arbeiten.

Wer seine Daten umziehen will, sollte den Aufwand genau abschätzen: Während virtuelle Maschinen recht einfach und unkompliziert migriert werden können, wird es bei Applikationen schwieriger. Fritz & Macziol empfiehlt den Kunden aktuell, die gebotene Gelassenheit aus mehreren Gründen zu bewahren:

1. Zunächst bedarf es einer Reaktion der Europäischen Kommission zur Neuregelung des Datenverkehrs. Die Politik ist in der Pflicht und arbeitet bereits an einer europäischen Datenschutzgesetzgebung.
2. Der bisher gewählte Anbieter kann möglicherweise auf eine europäische Datensicherung verpflichtet werden.
3. Der Einsatz amerikanischer Software in europäischen Rechenzentren ist vom Urteil überhaupt nicht betroffen.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben hierzu Handreichungen veröffentlicht, die eine verständliche und neutrale Lösungsansätze für Interessierten bieten, die dann mit dem gewählten Dienstleister in die Praxis überführt werden können. (Fritz & Macziol: ra)

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