Versicherungen und Risikomanagement
Höhere Anforderungen durch Rating-Agenturen - Versicherungsgesellschaften intensivieren Kapital- und Risikomanagement
Bei 60 Prozent der Versicherer fließen Überlegungen zum Enterprise Risk Management in Entscheidungsprozesse auf höchster Ebene ein
(15.12.06) - Der Druck auf die Versicherungswirtschaft, ein angemessenes Risikomanagement zu betreiben, nimmt weltweit zu. Dies bestätigt eine Studie zum Kapital- und Risikomanagement, die die Aktuar- und Management-Beratung Tillinghast 2006 zum vierten Mal durchgeführt hat. Befragt wurden etwa 200 Versicherer, davon je ca. 80 aus den USA und Europa. Bei 60 Prozent der Befragten fließen schon heute Überlegungen zum Enterprise Risk Management (ERM) in Entscheidungsprozesse auf höchster Ebene ein.
Obwohl weltweit 78 Prozent der befragten Unternehmen angeben, dass sie ihr derzeitiges Risikomanagement natürlich deshalb betreiben, weil es zum professionellen Management eines Unternehmens gehört, sind äußere Einflüsse doch auch sehr wichtige Treiber dieser Entwicklung: Rating-Agenturen werfen seit einiger Zeit einen immer genaueren Blick auf das Risikomanagement von Unternehmen. "Wer sich gute Noten hinsichtlich seiner Finanzstärke erarbeiten will, muss spätestens jetzt die Implementierung eines Enterprise Risk Management vorweisen", sagt Markus Stricker, Tillinghast Consultant in Zürich. Während Nordamerikas Versicherer vor allem auf die Anforderungen der Rating-Agenturen reagieren, ist für Europäer eher das zukünftige Regelwerk Solvency II für die ERM-Intensivierung ausschlaggebend.
Economic Capital als wichtige Grundlage
Zur wichtigsten Methode für die Risikomessung ist für zwei Drittel der Unternehmen das "Economic Capital" geworden. Weitere 19 Prozent ziehen dies für die Zukunft in Erwägung. Dabei untersucht naturgemäß die Mehrzahl der Unternehmen (63 Prozent) aus mindestens drei Sichten die Situation: aus lokaler Rechnungslegungssicht (56 Prozent), aus ökonomischer Sicht (42 Prozent) und aus internationaler Rechnungslegungssicht (GAAP oder IAS) (38 Prozent).
"Die Versicherer sind heute zielstrebiger denn je beim Einsatz von ERM", erklärt Heijo Hauser, Managing Director von Tillinghast Deutschland. „Unvorher-gesehene Katastrophen, die gestiegene Bedeutung der Kapitaleffizienz und zunehmender Wettbewerbsdruck zwingen Unternehmen, Risikomanagement sehr professionell zu betreiben.“
Risikomanagement wird institutionalisiert
Mit der Notwendigkeit eines umfassenden ERM-Systems spielt auch der Chief Risk Officer (CRO) des Versicherungsunternehmens eine immer wichtigere Rolle. Stricker: „Risikomanagement wird mit steigender Intensität auch mehr und mehr zu einem Vorstandsthema. Die Unternehmensführung zeichnet somit aber auch verantwortlich für die Ergebnisse.“ 43 Prozent der Befragten haben heute einen CRO, gegenüber 39 Prozent in 2004 und nur 19 Prozent in 2002. Die Tillinghast-Studie zeigt auch, dass Enterprise Risk Management sogar in den Aufsichtsräten an Gewicht zunimmt: Fast alle ERM-Verantwortlichen (92 Prozent) berichten 2006 mindestens einmal jährlich an den Aufsichtsrat (2004: 84 Prozent). 53 Prozent informieren das Board sogar vierteljährlich.
Solvency II ist das Maß der Dinge in Europa
Europäische Marktteilnehmer stimmen überein, dass insbesondere Solvency II den Unternehmen signifikante Verbesserungen ihres Risikomanagements abverlangen wird. Dennoch beurteilen Versicherer in Kontinentaleuropa und Großbritannien die Anforderungen in ganz unterschiedlicher Weise, was vor allem auf das in England geltende ICAS-System zurückzuführen ist, das bereits heute Solvency II ähnliche Anforderungen schafft: "Britische Versicherer fühlen sich mit ICAS besser vorbereitet. Ihr Fokus liegt jetzt darauf, das richtige Instrumentarium zu entwickeln, um den detaillierten Anforderungen gerecht zu werden", sagt Hauser.
Verbesserungspotenzial bleibt immer noch
Obwohl das Enterprise Risk Management in der Assekuranz schon große Fortschritte gemacht hat, gibt es noch Spielraum nach oben: So geben 77 Prozent der Unternehmen an, nachdrücklich an einer Verbesserung ihrer Risikomessung und -quantifizierung zu arbeiten. Insgesamt zeigen sie sich mit ihrer derzeitigen ERM-Fähigkeit noch nicht zufrieden, insbesondere mit ihren Möglichkeiten, operative Risiken einzuschätzen und zu reflektieren.
Tillinghast erwartet in den kommenden Jahren eine stetige Verbesserung von Risikomodellierung und -management. Stricker: "Versicherer erkennen immer mehr den potentiellen Einfluss eines einzigen unvorhergesehenen Ereignisses – sei es eine Sicherheitslücke im System oder einen Zwischenfall in der IT – auf ihr operatives Geschäft ebenso wie auf ihre finanzielle Situation." Insgesamt wird die erhöhte ERM-Fähigkeit die Unternehmen flexibler machen. Die Folge ist eine stärkere Innovationskraft bei der Produktentwicklung ebenso wie beim Kapitalmanagement und den Finanzierungsstrukturen. (Tillinghast: ra)
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