Siemens-Rechtstreitigkeiten: Stand 3. Quartal 2008


Siemens zahlte in den ersten drei Monaten 421 Millionen Euro für Aufdeckung Beseitigung von Compliance-Problemen - Davon entfielen 119 Millionen Euro auf das dritte Quartal 2008
Der Aufsichtsrat der Siemens AG hat am 29. Juli 2008 beschlossen, Schadensersatzansprüche gegen ehemalige Mitglieder des früheren Zentralvorstands der Siemens AG geltend zu machen


Siemens-Aufsichtsratschef Dr. Gerhard Cromme
Siemens-Aufsichtsratschef Dr. Gerhard Cromme kennt keine Gnade: Unter seinem Vorsitz wurden jetzt Schadensersatzforderungen gegen Ex-Siemens-Vorstände beschlossen, Bild: Siemens AG

(01.08.08) - Wie bereits früher schon auf Compliance-Magazin.de berichtet, ermitteln Staatsanwaltschaften und andere Ermittlungsbehörden in verschiedenen Jurisdiktionen der Welt gegen die Siemens AG und ihre Tochtergesellschaften sowie gegen mehrere teils ehemalige, teils aktive Mitarbeiter, unter anderem wegen des Vorwurfs der Bestechung von Amtsträgern einschließlich Untreue, Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Diese Ermittlungsverfahren haben Korruptionsvorwürfe gegen zahlreiche Siemens-Einheiten zum Gegenstand. Siemens hat jetzt einen weiteren Forschrittsbericht veröffentlicht, der den Stand bis zum 29. Juli 2008 berücksichtigt.

Das dritte Quartal des Geschäftsjahrs 2008 beinhaltet Aufwendungen von 119 Mio. Euro für externe Berater im Zusammenhang mit den Untersuchungen mutmaßlicher Verstöße gegen Anti-Korruptionsgesetze und ähnlicher Angelegenheiten sowie für Maßnahmen zur Beseitigung von Schwächen des internen Kontrollsystems. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahrs 2008 sind hierfür insgesamt Aufwendungen in Höhe von 421 Mio. Euro angefallen.

Aufsehen erregte der Beschluss des Siemens-Aufsichtsrates, auf breiter Front Schadensersatzansprüche gegen ehemalige Mitglieder des früheren Zentralvorstands der Siemens AG geltend zu machen.

Weitere Informationen zu diesen Ermittlungen und zu anderen Rechtsstreitigkeiten sowie zu den hiermit verbundenen möglichen Risiken und möglichen finanziellen Auswirkungen für die Gesellschaft enthält der Geschäftsbericht der Siemens AG für das Geschäftsjahr 2007 (Geschäftsbericht) sowie die Form 20-F für das Geschäftsjahr 2007 (Form 20-F), insbesondere die Abschnitte "Item 3: Key Information – Risk Factors", "Item 4: Information on the Company – Legal Proceedings", "Item 5: Operating Financial Review and Prospects" und "Item 15: Controls and Procedures".

Unter anderem haben sich seit der Veröffentlichung des Geschäftsberichts sowie der Form 20-F hinsichtlich Untersuchungen und Rechtsstreitigkeiten folgende Entwicklungen ergeben:

  • Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I wurde über den früheren Geschäftsbereich Com hinaus erweitert. Bislang hat die Staatsanwaltschaft München I bekannt gegeben, dass zu den untersuchten Siemens-Einheiten gehören: der frühere Geschäftsbereich Power Transmission and Distribution (PTD) - wobei ein früheres Vorstandsmitglied als Beschuldigter geführt wird -, der frühere Geschäftsbereich Power Generation (PG), der frühere Geschäftsbereich Medical Solutions (Med), der frühere Geschäftsbereich Transportation Systems (TS) sowie Siemens IT Solutions and Services. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I wird fortgesetzt.
  • Im Mai 2008 gab die Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden, den früheren Vorstandsvorsitzenden sowie andere frühere Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands der Siemens AG bekannt. Grundlage des Verfahrens ist § 130 des deutschen Ordnungswidrigkeitengesetzes, der Verletzungen von Aufsichtspflichten, die Straftaten und Ordnungswidrigkeiten verhindern sollen, zum Gegenstand hat.
  • Der Aufsichtsrat der Siemens AG hat am 29. Juli 2008 beschlossen, Schadensersatzansprüche gegen ehemalige Mitglieder des früheren Zentralvorstands der Siemens AG geltend zu machen. Begründet werden diese Ansprüche mit der Verletzung von Organisations- und Aufsichtspflichten vor dem Hintergrund des Vorwurfs illegaler Geschäftspraktiken und umfangreicher Bestechungen im ausländischen Geschäftsverkehr und den daraus folgenden finanziellen Belastungen des Unternehmens. Auf Grundlage der gegenwärtig vorliegenden Informationen werden Ansprüche gegen zehn ehemalige Mitglieder des Zentralvorstands, einschließlich gegen zwei frühere Vorstandsvorsitzende und einen früheren Finanzvorstand, geltend gemacht. Die Gesellschaft wird darüber hinaus gegen eines der vorgenannten zehn Zentralvorstandsmitglieder und gegen ein weiteres ehemaliges Zentralvorstandsmitglied Schadensersatzansprüche geltend machen, die durch Zahlungen an den ehemaligen Vorsitzenden der unabhängigen Arbeitnehmerorganisation AUB (Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger) entstanden sind. Den ehemaligen Vorstandsmitgliedern wird Gelegenheit gegeben werden, vor Klageerhebung zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
  • Siemens hat Debevoise & Plimpton LLP (Debevoise), eine unabhängige externe Anwaltskanzlei, beauftragt, eine unabhängige und umfassende Untersuchung durchzuführen, um festzustellen, ob gegen Anti-Korruptionsvorschriften verstoßen wurde. Des Weiteren wurde Debevoise mit einer unabhängigen und umfassenden Bewertung des Compliance- und Kontrollsystems der Gesellschaft beauftragt. Debevoise geht Hinweisen, die aus dem Amnestieprogramm der Gesellschaft resultieren, sowie sonstigen Informationen weiter nach.
  • Im Rahmen der vorgenannten Untersuchung identifiziert Debevoise Beweise für Zahlungen an Business Consultants, vertriebsbezogene Dritte sowie Barzahlungen und berichtet diese an die Gesellschaft. Die Gesellschaft prüft, ob solche Zahlungen in die Analyse steuerlich nicht abzugsfähiger Zahlungen im Geschäftsjahr 2007 aufgenommen wurden.
  • Wie berichtet geht die Gesellschaft auch Hinweisen zu weiteren Bankkonten in unterschiedlichen Ländern nach, welche nicht in der Konzernbilanz der Gesellschaft erfasst sind. Die Untersuchungen konzentrieren sich derzeit auf die Höhe der möglicherweise materiellen Geldbeträge sowie darauf, ob diese in der Konzernbilanz erfassbar sind.
  • Im November 2007 haben nigerianische Behörden Büroräume von Siemens Ltd. Nigeria in Zusammenhang mit einer Untersuchung angeblich rechtswidriger Zahlungen an nigerianische Amtsträger in den Jahren 2002 bis 2005 durchsucht.
  • Im Dezember 2007 durchsuchte die norwegische Staatsanwaltschaft Büroräume von Siemens AS Norwegen sowie diverse Privatwohnungen in Zusammenhang mit Zahlungen von Siemens für Golfreisen in den Jahren 2003 und 2004, an denen Mitarbeiter des norwegischen Verteidigungsministeriums teilnahmen. Vor diesem Hintergrund und aufgrund der bereits berichteten Untersuchung von Bestechungs- und Betrugsvorwürfen zum Nachteil des Verteidigungsministeriums bei der Vergabe eines Liefervertrags über Telekommunikationsausrüstung hat das Verteidigungsministerium angekündigt, einstweilen mit Siemens keine Geschäfte mehr vorzunehmen.
  • Die Staatsanwaltschaft Mailand, Italien, untersucht den Vorwurf, zwei Mitarbeiter von Siemens S.p.A. Italien hätten illegale Zahlungen an Mitarbeiter des staatlichen Gas- und Energieversorgungsunternehmens ENI geleistet. Die Staatsanwaltschaft hat im November 2007 Anklage gegen die beiden Mitarbeiter, Siemens S.p.A. und eine ihrer Tochtergesellschaften sowie gegen weitere nicht zu Siemens gehörende Einzelpersonen und Unternehmen erhoben. Die Staatsanwaltschaft untersucht ferner den Verdacht der Steuerhinterziehung durch den früheren CFO von Siemens S.p.A. in Zusammenhang mit der steuerlichen Nichtabzugsfähigkeit bestimmter Zahlungen.
  • Russische Behörden untersuchen den Vorwurf der Unterschlagung von Haushaltsgeldern im Rahmen von Lieferverträgen über medizinische Ausrüstung an öffentliche Stellen der Stadt Ekaterinenburg in den Jahren 2003 bis 2005. In Zusammenhang mit dieser Untersuchung wurde ein Mitarbeiter von Siemens Russland verhaftet.
  • Im Januar 2008 gab die Staatsanwaltschaft Wien, Österreich, eine Untersuchung von Zahlungen in Verbindung mit Siemens AG Österreich und deren Tochtergesellschaft VAI, bei denen keine angemessene Gegenleistung erkennbar war, bekannt.
  • Im Januar 2008 durchsuchte die malaysische Anti-Korruptionsbehörde Büroräume von Siemens Malaysia und vernahm Mitarbeiter von Siemens Malaysia in Zusammenhang mit der Untersuchung eines Projekts des früheren Geschäftsbereichs PTD.
  • Wie berichtet, wurde Siemens von Repräsentanten regionaler Entwicklungsbanken einschließlich der Inter-American Development Bank, der Asian Development Bank, der African Development Bank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie der Europäischen Investmentbank hinsichtlich Anti-Korruptionsanfragen sowie anderer für diese Institutionen wichtiger Themen kontaktiert.
  • Wie berichtet, wurde in Zusammenhang mit der Untersuchung einer Vereinbarung, die zwischen Siemens und einem Unternehmen, das von dem früheren Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) kontrolliert wird, abgeschlossen wurde, im April 2007 ein früheres Mitglied des Vorstands der Siemens AG verhaftet und nach Stellung einer Kaution in Höhe von 5 Mio. EUR auf freien Fuß gesetzt. In diesem Zusammenhang gab eine Bank eine Bankbürgschaftserklärung in Höhe von 5 Mio. EUR ab, wovon im Einklang mit deutschem Recht 4,5 Mio. EUR von der Gesellschaft gesichert wurden. Der Haftbefehl gegen das frühere Mitglied des Vorstands wurde nunmehr aufgehoben, und die Bankbürgschaft sowie die darauf bezogene Garantie der Gesellschaft sind weggefallen. Im Juli 2008 erhob die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Anklage gegen das genannte frühere Vorstandsmitglied wegen Untreue in mehreren Fällen sowie Steuerhinterziehung. Nach Presseberichten im Juli 2008 hat die Staatsanwaltschaft auch gegen ein weiteres früheres Mitglied des Vorstands ein Ermittlungsverfahren wegen Anstiftung zur Untreue eingeleitet.
  • Im Dezember 2007 wurde in Israel ein Antrag auf Zulassung einer Class Action auf der Grundlage der Bußgeldbescheide der EU-Kommission für angebliche Kartellverstöße im Bereich gasisolierter Hochspannungsschaltanlagen gestellt. Die Klage richtet sich gegen 13 Unternehmen, darunter Siemens AG Deutschland, Siemens AG Österreich und Siemens Ltd. Israel. Die Class Action verlangt Schadenersatz für Strombezieher in Israel in Höhe von ungefähr 575 Mio. EUR, weil durch die angeblichen Absprachen zu hohe Strompreise gezahlt worden sein sollen. Das Gericht hat über die Zulässigkeit der Klage noch nicht entschieden.
  • Im Januar 2008 verhängte die slowakische Wettbewerbsbehörde eine Geldbuße von 3,3 Mio. EUR gegen Siemens und VA Tech in Zusammenhang mit möglichen Kartellverstößen im Bereich gasisolierter Hochspannungsschaltanlagen. Wir haben gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt.
  • Wie berichtet, hat im Dezember 2006 die japanische Wettbewerbsbehörde (Fair Trade Commission) die Büroräume von mehr als zehn Herstellern und Zwischenhändlern von Medizingeräteprodukten, darunter Siemens Asahi Medical Technologies Ltd., in Zusammenhang mit einer Untersuchung über mögliche Kartellrechtsverletzungen durchsucht. Im Februar 2008 gab die Behörde ihre Untersuchungsergebnisse bekannt. Der Vorwurf der Teilnahme an Kartellverstößen wurde hinsichtlich Siemens fallen gelassen, und Siemens erhielt daher weder ein Bußgeld noch andere Sanktionen.
  • Wie berichtet, führte die polnische Wettbewerbsbehörde ein Ermittlungsverfahren gegen Siemens Sp.z.o.o. Polen wegen möglicher Kartellverstöße auf dem Gebiet der Instandhaltung medizinischer Diagnosegeräte. Im Mai 2008 entschied die Behörde abschließend, dass Siemens Polen keine kartellrechtlichen Vorschriften verletzt hat.
  • Im Mai 2008 erhielt Siemens die Entscheidung der Kontrollbehörde der Vereinten Nationen auf einen Vorschlag des Vendor Review Committee of the United Nations Secretariat Procurement Division (UNPD). Gemäß dieser Entscheidung, die auf dem fünften und letzten Bericht (IIC Report) des unabhängigen Untersuchungskomitees zum Oil-for-Food-Programm der Vereinten Nationen basiert, wird Siemens Medical Solutions für mindestens sechs Monate, beginnend ab dem 23. Mai 2008, vom Vendor Roster der Vereinten Nationen gestrichen. Siemens hat gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt. Die Überprüfung der Entscheidung dauert noch an.
  • Der Gesellschaft sind Presseberichte bekannt geworden, wonach die Republik Irak im Juni 2008 auf der Grundlage des IIC Report eine unbezifferte Schadenersatzklage beim United States District Court for the Southern District of New York gegen 93 namentlich benannte Beklagte eingereicht hat. Siemens S.A.S. Frankreich, Siemens A.S. Türkei und Osram Middle East FZE Dubai sollen zu den Beklagten gehören. Bisher ist keiner der Tochtergesellschaften die Klage zugestellt worden.
  • Im Juni 2008 hat das erstinstanzliche Gericht der Provinz Kalimantan, Indonesien, den Leiter des ehemaligen Geschäftsbereichs Med von Siemens PT Indonesien von den Vorwürfen der Bestechung, des Betruges und überhöhter Abrechnungen hinsichtlich der Vergabe eines Auftrags für die Lieferung medizinischer Geräte an ein Krankenhaus aus dem Jahre 2003 freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt.
  • Im Juni 2008 hat ein erstinstanzliches Gericht der Tschechischen Republik eine Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde hinsichtlich angeblicher Kartellverstöße auf dem Gebiet der gasisolierten Schaltanlagen aufgehoben und die Behörde verpflichtet, die Geldbuße von 11,7 Mio. EUR an Siemens zurückzuzahlen. Die Behörde kann gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen.
  • Im Juli 2008 schloss die Staatsanwaltschaft Athen die Voruntersuchung ab hinsichtlich des Vorwurfs der aktiven und passiven Bestechung von Amtsträgern sowie der Geldwäsche und Beihilfe dazu, unter anderem in Verbindung mit einem Telekommunikationsauftrag, der anlässlich der Olympischen Spiele 2004 von der griechischen Regierung an Siemens vergeben worden war, und dem Kauf von Telekommunikationsausrüstung durch die griechische Telekommunikationsbehörde OTE in den späten 90er Jahren. Die Staatsanwaltschaft hat mehrere Verdächtige benannt, einschließlich eines aktuellen und mehrerer früherer Siemens-Mitarbeiter, und den Vorgang dem Athener Untersuchungsgericht übertragen, das Anklage gegen Einzelpersonen erheben kann. Daneben laufen Voruntersuchungen weiter, die den Vorwurf der Bestechung der griechischen Eisenbahngesellschaft sowie des griechischen Verteidigungsministeriums und des Militärs zum Gegenstand haben. Das griechische Finanzministerium hat zudem Steueruntersuchungen der lokalen Siemens-Geschäfte angekündigt.
  • Im Juli 2008 durchsuchte die zentrale polnische Anti-Korruptionsbehörde die Räumlichkeiten von Siemens Polen in Zusammenhang mit einer Korruptionsuntersuchung im Hinblick auf den früheren Geschäftsbereich Com.
  • Wie berichtet hatte Siemens beim International Center for Settlement of Investment Disputes (ICSID) bei der Weltbank ein Schiedsgerichtsverfahren gegen die Republik Argentinien eingeleitet. Siemens vertrat den Standpunkt, dass Argentinien den Vertrag mit Siemens über den Aufbau und Betrieb eines Systems für digitale Personalausweise, Grenzkontrollen, Datensammlung und Wählerlisten unrechtmäßig gekündigt und dadurch eine Verletzung des Investitionsschutzabkommens zwischen Deutschland und Argentinien (BIT) begangen habe. Siemens forderte Schadensersatz in Höhe von ca. 500 Mio. USD wegen Enteignung und Verletzung des BIT. Argentinien bestritt die Zuständigkeit des ICSID-Schiedsgerichts und reklamierte die Zuständigkeit der argentinischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. In einer Entscheidung vom 4. August 2004 legte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit für die von Siemens erhobenen Ansprüche und die formelle Berechtigung von Siemens für die Geltendmachung ihrer Ansprüche fest. Im Oktober 2005 fand eine mündliche Verhandlung zur Begründetheit des Klagebegehrens vor dem ICSID Schiedsgerichtstribunal in Washington statt. Das Schiedsgericht hat Siemens mit Endurteil vom 6. Februar 2007 einstimmig auf Basis der getätigten Investitionen und Folgeschäden, eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 217,8 Mio. USD zuzüglich 2,66 % compound interest hierauf seit 18. Mai 2001 zugesprochen. Das Schiedsgericht entschied außerdem, dass Argentinien Siemens von allen Ansprüchen von Subunternehmen in diesem Projekt (in Summe ca. weitere 44 Mio. USD) freizustellen hat sowie Siemens im Falle der nicht rechtzeitigen Rückgabe des Contract Performance Bond für dieses Projekt den vollen Betrag des Contract Performance Bond in Höhe von weiteren 20 Mio. USD zurückzuzahlen hat. Die vom Schiedsgericht für die Rückgabe festgelegte Frist ist ohne Erfüllung durch Argentinien verstrichen. Gegen dieses Urteil hat Argentinien mit der Behauptung, es lägen gravierende Verfahrensmängel vor, beim ICSID-Schiedsgerichtszentrum am 4. Juni 2007 Antrag auf Annullierung des Urteils und auf Suspendierung der Vollstreckung gestellt. Ein so genanntes "Ad-hoc-Committee" ist eingesetzt worden, das über den Antrag von Argentinien zu entscheiden hat. Am 6. Juli 2008 hat Argentinien unter Berufung auf verschiedene Pressemeldungen über angebliche Schmiergeldzahlungen seitens Siemens auch für das DNI-Projekt gegen das ICSID-Urteil Revision eingelegt. Aus diesen Pressemeldungen würden sich neue Tatsachen ergeben, die es rechtfertigen würden, dem von Siemens getätigten Investment den Schutz des bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen Deutschland und Argentinien zu versagen. Der Antrag auf Revision wurde vom ICSID am 9. Juni 2008 registriert und den drei Mitgliedern des ursprünglichen Schiedsgerichts weitergeleitet. Der Antrag auf Revision könnte zu einem Ruhen des Antrags auf Annullierung des Urteils und auf Suspendierung der Vollstreckung führen.
  • Das Unternehmen hat mit einem am 6. Juni 2005 abgeschlossenen Vertrag sein Mobile Devices-Geschäft an das taiwanesische Unternehmen Qisda Corp. (vormals BenQ Corp.) veräußert. In der Folge kam es 2006 zu Streitigkeiten zwischen dem Unternehmen und Qisda bezüglich der Kaufpreisberechnung. Ab September 2006 stellten einzelne Qisda-Gesellschaften, die von der Qisda Corp. für den Erwerb des Mobiltelefongeschäfts in verschiedenen Ländern verwendet wurden, Insolvenzantrag und kamen ihren Verpflichtungen aus verschiedenen im Rahmen des vorgenannten Verkaufs auf sie übertragenen Verträgen nicht nach. Am 8. Dezember 2006 reichte das Unternehmen eine Schiedsklage gegen Qisda ein und beantragte festzustellen, dass bestimmte von Qisda im Hinblick auf die Kaufpreisberechnung unterstellte Annahmen nicht richtig sind. Weiterhin stellte das Unternehmen einen Antrag auf Erfüllung der entsprechend des Kaufvertrags von Qisda und/oder deren Tochtergesellschaften übernommenen Verpflichtungen oder alternativ auf Ersatz der dem Unternehmen entstandenen Schäden. Die Schiedsklage des Unternehmens wurde bei der ICC (International Chamber of Commerce) in Paris eingereicht. Schiedsgerichtsort ist Zürich, Schweiz. Im März 2007 reichte Qisda Widerklage ein und behauptete, dass das Unternehmen falsche Angaben in Zusammenhang mit dem Verkauf des Mobile-Devices-Geschäfts gemacht habe. Weiterhin machte Qisda Kaufpreisanpassungsansprüche geltend. Im März 2008 änderte Qisda die Widerklage wie folgt: (i) Änderung des Feststellungsantrags von der Behauptung die Gesellschaft habe falsche Angaben gemacht in einen Antrag auf Zahlung eines beträchtlichen Schadenersatzes sowie (ii) Erhebung weiterer beträchtlicher Schadenersatzansprüche und Feststellungsanträge. Das Unternehmen wird die Abweisung der Widerklage durch das Schiedsgericht beantragen.


Gegen Siemens werden weiterhin korruptionsbezogene Ermittlungen in den USA sowie in anderen Jurisdiktionen durchgeführt. Dies kann dazu führen, dass Siemens oder einzelne Mitarbeiter wegen Gesetzesverstößen straf- oder zivilrechtlich belangt werden, so etwa wegen Verstoßes gegen den Foreign Corrupt Practices Act (FCPA). Ferner kann sich der Umfang der anhängigen Untersuchungen ausweiten und neue Untersuchungen in Zusammenhang mit Vorwürfen hinsichtlich Bestechung oder anderen rechtswidrigen Handlungen können aufgenommen werden.

Negative Folgen können sich daraus auch für die operative Geschäftstätigkeit, die Finanz- und Ertragslage und die Reputation des Unternehmens ergeben, insbesondere in Form von Strafzahlungen, Geldbußen, Schadensersatz, Vorteilsabschöpfungen, formalen oder informalen Ausschlüssen bei der öffentlichen Auftragsvergabe oder dem Entzug oder Verlust der Gewerbe- oder Betriebserlaubnis.

Zum jetzigen Zeitpunkt hat das Management zusätzlich zu den vormals berichteten Beträgen, insbesondere der Geldbuße, die vom Landgericht München verhängt wurde, keine wesentlichen Aufwendungen oder Rückstellungen für derartige Sanktionen bilanziert, da es bislang nicht über hinreichende Informationen verfügt, um eine verlässliche Schätzung der möglichen Höhe der Inanspruchnahme vornehmen zu können. Siemens erwartet, künftig in Zusammenhang mit den Untersuchungen Aufwendungen oder Rückstellungen für Strafzahlungen, Geldbußen oder andere Zahlungen bilanzieren zu müssen, die wesentlich sein können.

Am 24. Januar 2008 gab Siemens auf der Hauptversammlung bekannt, dass sich die Securities and Exchange Commission und das Department of Justice bereit erklärt haben, Gespräche aufzunehmen über einen möglichen Vergleich hinsichtlich der Untersuchungen möglicher Verletzungen von US-Recht in Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen. Siemens erwartet, dass sich diese Gespräche über viele Monate hinziehen werden.

Ferner werden Siemens auch weiterhin Kosten aus fortlaufenden Untersuchungen und damit in Zusammenhang stehenden Rechtsverfahren sowie für die andauernden Maßnahmen zur Beseitigung von Schwächen des internen Kontrollsystems entstehen. Auch können Änderungen im Geschäftsablauf und bei den internen Compliance-Programmen, welche über die bereits vorgenommenen Änderungen hinausgehen, notwendig werden. (Siemens: ra)



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