Governance und Mittelstand
Corporate Governance ist ein Dauerthema für die Zukunft des Mittelstands
Ziele wie der Erhalt des Unternehmens in der Familie oder Wahrung der Unabhängigkeit lassen sich aufgrund ihrer Langfristigkeit nur eingeschränkt kontrollieren
Von Dr. Dietrich Kellersmann*
(15.12.06) - Der Mittelstand in Deutschland sieht sich seit einigen Jahren mit den Herausforderungen einer sich immer stärker beschleunigenden Globalisierung konfrontiert. Verstärkter Kostendruck, erhöhter Kapitalbedarf und verschärfter Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter sind die Folgen. Für mittelständische Unternehmen bedeutet das, nicht nur im Hinblick auf ihre Produkte vermehrt in einem internationalen Wettbewerb zu stehen, sondern auch in den Bereichen Finanzierung und Unternehmensführung und -kontrolle an internationalen Maßstäben messen lassen zu müssen. Mittelständler sollten daher zukünftig in besonderem Maße bereit sein, ihre Unternehmensstrukturen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
Finanzierungsstrukturen überprüfen
So werden sich viele Unternehmer die Frage stellen, ob sie für die Finanzierung ihres Unternehmens die richtigen Weichen gestellt haben. Innerhalb des Segements Mittelstand überwiegen immer noch diejenigen Unternehmen, die sich im Familienbesitz befinden und neben Eigenkapital die Finanzierung über eine Hausbank vornehmen. Der Vorteil dieser Struktur besteht darin, langfristige Zielsetzungen zu verfolgen. Außerdem sind vielen Unternehmern Eigenständigkeit und Unabhängigkeit besonders wichtig. Aus diesem Grund sind mittelständische Unternehmer bislang gegenüber einer Finanzierung durch Ausweitung des Gesellschafterkreises sehr zurückhaltend. Andererseits wird allgemein die geringe Eigenkapitalausstattung vieler mittelständischer Unternehmen beklagt. Zudem ist gerade im Bereich der Unternehmensfinanzierung der Wandel der Rahmenbedingungen besonders ausgeprägt. Geänderten Kreditvergabebedingungen für die Banken (Basel II) stehen neue Finanzierungsformen und international immer weiter verflochtene Kapitalmärkte gegenüber. Eine Erweiterung des Anteilseignerkreises darf somit von den Unternehmen ebenso wenig tabuisiert werden wie neue Finanzierungsformen oder die Diversifizierung der Bankenfinanzierung.
Mehr Transparenz nach innen und außen
Die Forderung nach erhöhter Transparenz steht im Zentrum der Diskussion um Corporate Governance. Soweit es die Transparenz nach innen betrifft, dürfte dies eine Forderung sein, die der Mittelstand ohne Probleme akzeptiert. Der internationale Wettbewerb macht es für die Unternehmen wichtiger denn je, ihre Effektivität weiter zu erhöhen. Dabei kommen den Bereichen Controlling und Reporting Schlüsselfunktionen zu. Dagegen bereitet die Forderung nach Transparenz nach außen hin dem Mittelstand erhebliche Probleme. Viele Unternehmer fürchten zu Recht, dass Geschäftspartner und Konkurrenz durch die Offenlegung von Jahresabschlüssen Informationen erhalten, über die sie aus Wettbewerbsgründen nicht verfügen sollten. Diese Befürchtungen lassen positive Effekte einer Transparenz nach außen, wie ein erhöhter Bekanntheitsgrad oder ein erhöhtes Vertrauen in das Unternehmen, nachrangig erscheinen. Der Mittelstand ist hier gefordert, Vor- und Nachteile genau abzuwägen und eine neue Balance zwischen diesen Belangen zu finden.
Führungsstrukturen müssen weiter professionalisiert werden
Wichtige Weichenstellungen im Rahmen der Corporate Governance-Diskusison betreffen auch die Führungsstruktur mittelständischer Unternehmen. In diesem Zusammenhang stellt sich z.B. die Frage, ob und in welchem Umfang familienfremde Geschäftsführer das Unternehmen leiten, ob ein Beirat oder Aufsichtsrat installiert werden soll und ob dieser beratende oder kontrollierende Funktion hat. Eng hiermit verbunden ist die Frage, wie Vergütungssysteme strukturiert sein müssen, die eine optimale Anreizwirkung für Mitarbeiter und auch Mitglieder von Aufsichts- oder Beiräten entfalten. Auch die Führungsinstrumente, die in den Unternehmen vorhanden sind, müssen mit Hinblick auf die Anforderungen von Corporate Governance geprüft werden: Eine aussagekräftige und realistische Unternehmensplanung sowie eine Kontrolle der Zielerreichung einschließlich einer Analyse der Abweichungen sollten auch für mittelständische Unternehmen selbstverständlich sein. Ein Umdenken mag aber für manchen Mittelständler auch angesichts der Unternehmensziele angezeigt sein. Sog. "weiche" Ziele wie der Erhalt des Unternehmens in der Familie oder die Wahrung der Unabhängigkeit lassen sich aufgrund ihrer Langfristigkeit nur eingeschränkt kontrollieren. Deshalb müssen finanzwirtschaftliche Ziele hinzu treten und zum Erfolgsmaßstab werden. Die Finanzplanung sollte sowohl für Unternehmensleitung als auch Kapitalgeber transparent sein. Zu den zentralen Anforderungen an die Corporate Governance gehören weiter ein funktionierendes Risikomanagement und ein wirksames Qualitätsmanagement.
Corporate Governance ist eine Schlüsselfrage der Zukunft
Die hier aufgezeigten Diskussionspunkte zeigen, dass Corporate Governance im Mittelstand zentrale und gleichzeitig besonders sensible Fragen der Führung mittelständischer Unternehmen betrifft. Corporate Governance ist folglich ein Thema, das die besondere Aufmerksamkeit des Unternehmers verdient. Die aufgrund der eingangs geschilderten, durch die Globalisierung verschärften Wettbewerbssituation in Frage gestellte Zukunftsfähigkeit des einzelnen Unternehmens und des Mittelstandes insgesamt hängt davon ab, ob auf diese Fragen Antworten gefunden werden, die es ermöglichen, die neuen Herausforderungen zu meistern und gleichzeitig die Stärken des Mittelstands zu bewahren. Corporate Governance bleibt aus diesem Grund ein Dauerthema für die Zukunft des Mittelstandes. (pwc. ra)
* Dr. Dietrich Kellersmann ist Manager im Bereich Neuer Mittelstand bei PricewaterhouseCoopers in Osnabrück und beschäftigt sich mit der Beratung mittelständischer Unternehmen.
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