Sie sind hier: Home » Recht » Datenschutz und Compliance

Auf dem Weg zum Überwachungsstaat


Der Bundesbeauftragten für den Datenschutz kritisiert: Erfassung der Fluggastdaten gefährdet die verfassungsrechtliche Identität Deutschlands
Weiterer großer Schritt zur lückenlosen Überwachung alltäglichen Verhaltens - Gefahrenanalyse komme einer Rasterfahndung sehr nahe


(10.05.12) - Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Peter Schaar kritisiert die Entscheidung der Innenminister der EU-Mitgliedstaaten für ein europaweites System zur fünfjährigen Speicherung von Fluggastdaten:

"Die von den Innenministern beschlossene anlasslose mehrjährige Vorratsspeicherung von Daten unverdächtiger Flugpassagiere wäre ein weiterer großer Schritt zur lückenlosen Überwachung alltäglichen Verhaltens. Genau davor hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten ausdrücklich gewarnt. Ich kann nur dringend mahnen, diese Warnung ernst zu nehmen. Das Gericht hatte nämlich festgestellt, dass die Vermeidung einer Totalüberwachung zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland gehöre und für weitere Vorratsdatenspeicherungen - auch auf europäischer Ebene - deshalb kaum noch Raum bestehe."

Schaar kritisiert zudem, dass die Fluggastdaten in bedenklicher Art und Weise verwendet werden sollen. Alle Fluggäste sollen auf der Grundlage der Daten einer Gefahrenanalyse unterzogen werden. Dies komme einer Rasterfahndung sehr nahe.

Schaar sagt: "Bei den nun beginnenden Verhandlungen des Rates mit dem Europäischen Parlament setze ich darauf, dass die Abgeordneten des Europäischen Parlaments das Vorhaben stoppen, ganz im Sinne des neuen Gewichts, das ihnen der Vertrag von Lissabon gegeben hat, und ganz im Sinne der Grundrechte-Charta der Europäischen Union."

Mit der Entscheidung haben die EU-Innenminister politische Einigung über einen Vorschlag der Europäischen Kommission zur Errichtung eines sogenannten PNR-Systems erreicht. Unter PNR (Passenger Name Records) versteht man die Daten, die Fluggesellschaften von den Fluggästen zur Abwicklung des Fluges erheben. Zu den Buchungsdaten zählen unter anderem Kreditkartennummern oder spezielle Essenswünsche. Entgegen dem ursprünglichen Entwurf wollen die Innenminister nicht nur Fluggastdaten von Flügen (aus Drittstaaten) in die Europäische Union für fünf Jahre speichern lassen. Nach ihren Vorstellungen können die Mitgliedstaaten darüber hinaus auch die Fluggastdaten von Flügen innerhalb der Europäischen Union speichern. (BfDI: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Datenschutz und Compliance

  • Datenschutz versehentlich oder mutwillig ignoriert

    Dr. h. c. Marit Hansen, die Landesbeauftragte für Datenschutz und Landesbeauftragte für Informationszugang Schleswig-Holstein, hat ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2023 vorgelegt. Viele Fälle aus der Praxis verdeutlichen, dass Datenschutz wirkt - und wo er manches Mal gefehlt hat. Licht und Schatten gab es auch im Bereich der Informationsfreiheit.

  • KI datenschutzkonform einsetzen

    Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz) legt eine Orientierungshilfe mit datenschutz-rechtlichen Kriterien für die Auswahl und den datenschutzkonformen Einsatz von KI-Anwendungen vor.

  • Möglichkeit von Geldbußen gegenüber Behörden

    Die Bundesregierung hat im Februar 2024 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vorgelegt (BT-Drs. 20/10859). Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat zu relevanten Punkten des Gesetzentwurfs und zu weitergehendem Regelungsbedarf Stellung genommen.

  • Internet-Nutzer dürfen nicht geschröpft werden

    In einem weiteren offenen Brief wendete sich die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD) gemeinsam mit zwölf Bürgerrechtsorganisationen am 07.03.2024 erneut an die Datenschutzaufsichtsbehörden in der Europäischen Union, um zu verhindern, dass eine datenschutzfreundliche Nutzung des Internets nur noch gegen Bezahlen hoher Gebühren möglich ist.

  • Einstieg in eine anlasslose Massenüberwachung

    Die Verhandlungen zum EU-Verordnungsentwurf zur Bekämpfung des sexuellen Online-Kindesmissbrauchs (CSA-Verordnung) sind in eine entscheidenden Phase. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) und der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) haben anlässlich dessen in einer Gemeinsamen Stellungnahme den EU-Gesetzgeber dazu aufgerufen, die wesentlichen Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments (EP) zu unterstützen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen