Sie sind hier: Home » Recht » Datenschutz und Compliance

Zum Vollstreckungshilfsmittel geworden


Bundesdatenschutzbeauftragter empfiehlt Evaluierung des Kontenabrufverfahrens
Mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit hat der nationale Gesetzgeber ab 2005 begonnen, den ursprünglichen Anwendungsbereich auszuweiten



Im vergangenen Jahr wurden mehr als 900.000 Kontenabrufe durch Behörden genehmigt, wie das Bundesministerium der Finanzen mitteilte. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber sieht die jährlich steigende Zahl kritisch: "Jeder Kontenabruf stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Ich halte eine Evaluierung des Kontenabrufverfahrens für dringend notwendig."

Der automatisierte Abruf von Kontoinformationen - kurz Kontenabruf - wurde als Folge der Terroranschläge vom 9. November 2001 eingeführt, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besser bekämpfen zu können. Für diesen Zweck müssen Kreditinstitute seitdem bestimmte Kontoinformationen vorhalten.

Zunächst durfte nur die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Kontenabrufe für die Sicherheitsbehörden durchführen. 2005 erhielt außerdem das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Befugnis zur Abfrage. Seit 2013 dürfen auch Gerichtsvollzieher das BZSt um Kontenabrufe ersuchen. Damit ist aus einem Diagnoseinstrument der Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungbekämpfung ein Vollstreckungshilfsmittel geworden.

Es ist deswegen nicht erstaunlich, dass die Anzahl der Kontenabrufersuchen insbesondere seit 2013 stetig angestiegen ist. Gab es 2012 noch 72.000 solcher Abrufersuchen an das BZSt, waren es im vergangenen Jahr mehr als 900.000.

Dazu sagte der BfDI weiter:

"Mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit hat der nationale Gesetzgeber ab 2005 begonnen, den ursprünglichen Anwendungsbereich auszuweiten. Die damit verbundene Einschränkung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ist nur hinnehmbar, wenn Gesetzgeber und Behörden alles tun, um dieses Instrument maßvoll einzusetzen. Es darf beispielsweise nicht zu Personenverwechslungen kommen, weil Schuldner und vermeintlicher Schuldner zufällig denselben Namen tragen. Solche Fehler verletzen den datenschutzrechtlichen Grundsatz der Integrität und Vertraulichkeit und sind für die Betroffenen nicht hinnehmbar.

Die durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz nunmehr erreichten Verbesserungen der Integrität und Vertraulichkeit der Daten begrüße ich daher ausdrücklich. Ob diese Verbesserungen auch tatsächlich greifen, bleibt abzuwarten. Ich bezweifle, ob die Kontenabrufe angesichts der seit Jahren steigenden Zahlen noch verhältnismäßig sind." (BfDI: ra)

eingetragen: 19.02.20
Newsletterlauf: 21.04.20


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Datenschutz und Compliance

  • Datenschutz versehentlich oder mutwillig ignoriert

    Dr. h. c. Marit Hansen, die Landesbeauftragte für Datenschutz und Landesbeauftragte für Informationszugang Schleswig-Holstein, hat ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2023 vorgelegt. Viele Fälle aus der Praxis verdeutlichen, dass Datenschutz wirkt - und wo er manches Mal gefehlt hat. Licht und Schatten gab es auch im Bereich der Informationsfreiheit.

  • KI datenschutzkonform einsetzen

    Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (Datenschutzkonferenz) legt eine Orientierungshilfe mit datenschutz-rechtlichen Kriterien für die Auswahl und den datenschutzkonformen Einsatz von KI-Anwendungen vor.

  • Möglichkeit von Geldbußen gegenüber Behörden

    Die Bundesregierung hat im Februar 2024 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vorgelegt (BT-Drs. 20/10859). Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat zu relevanten Punkten des Gesetzentwurfs und zu weitergehendem Regelungsbedarf Stellung genommen.

  • Internet-Nutzer dürfen nicht geschröpft werden

    In einem weiteren offenen Brief wendete sich die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD) gemeinsam mit zwölf Bürgerrechtsorganisationen am 07.03.2024 erneut an die Datenschutzaufsichtsbehörden in der Europäischen Union, um zu verhindern, dass eine datenschutzfreundliche Nutzung des Internets nur noch gegen Bezahlen hoher Gebühren möglich ist.

  • Einstieg in eine anlasslose Massenüberwachung

    Die Verhandlungen zum EU-Verordnungsentwurf zur Bekämpfung des sexuellen Online-Kindesmissbrauchs (CSA-Verordnung) sind in eine entscheidenden Phase. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) und der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS) haben anlässlich dessen in einer Gemeinsamen Stellungnahme den EU-Gesetzgeber dazu aufgerufen, die wesentlichen Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments (EP) zu unterstützen.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen