Sie sind hier: Home » Recht » Deutschland » Bundesgerichtshof

Umgehung des deutschen Arzneimittelpreisrecht


Bundesgerichtshof entscheidet über die Zulässigkeit von Rabatt- und Bonussystemen von EU-Versandapotheken
Bei Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch EU-Versandapotheken gilt die deutsche Arzneimittelpreisbindung

(28.03.14) - Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in fünf Sachen, in denen es jeweils um die Frage der Zulässigkeit von Bonussystemen bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch EU-Versandapotheken ging, entschieden, dass diese bei der Abgabe solcher Arzneimittel ebenso der deutschen Arzneimittelpreisbindung unterliegen wie deutsche Apotheken.
Beklagte in den Verfahren I ZR 72/08, I ZR 119/09 und I ZR 120/09 ist eine in den Niederlanden ansässige Apotheke, die im Wege des Internet-Versandhandels Medikamente für den deutschen Markt anbietet. In dem Verfahren I ZR 77/09 richtet sich die Klage gegen drei in Nordrhein-Westfalen ansässige Apotheken, die für den Einkaufsservice einer in den Niederlanden ansässigen Versandapotheke werben. In dem weiteren Verfahren I ZR 79/10 ist ein großes deutsches Versandhandelsunternehmen beklagt, das mit einem Einleger in seinem Katalog für eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke warb, die Boni für die Einlösung von Rezepten versprach.

Die Kläger, Betreiber von inländischen Apotheken, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sowie zwei Apothekerverbände, haben die Verhaltensweise der Beklagten unter anderem wegen Verstoßes gegen die im Arzneimittelrecht für verschreibungspflichtige Arzneimittel geltenden Preisbindungsvorschriften beanstandet. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung der Ankündigung oder Gewährung der Boni bzw. Empfehlung der niederländischen Versandhandelsapotheke in Anspruch genommen. Die Berufungsgerichte haben den Klagen außer in der Sache I ZR 77/09 stattgegeben.

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Frage, ob deutsches Arzneimittelpreisrecht auch für den Apothekenabgabepreis verschreibungspflichtiger Arzneimittel gilt, die im Wege des Versandhandels von einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Versandapotheke im Inland in den Verkehr gebracht werden, in der Sache I ZR 72/08 bejahen wollen, sich hieran aber durch eine Entscheidung des 1. Senats des Bundessozialgerichts gehindert gesehen. Der vom I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs deshalb angerufene Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat entschieden, dass die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, ausländische Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel im Inland an Endverbraucher abgeben, deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen (vgl. Pressemitteilungen Nr. 127/2012 und 135/2012 vom 14. und 22. August 2012).

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr abschließend auf der Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Senats vom 22. August 2012 entschieden. In den Sachen I ZR 72/08, I ZR 119/09, I ZR 120/09 hat der Bundesgerichtshof nur noch über die Kostentragung entschieden, nachdem die Parteien in der mündlichen Revisionsverhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Er hat den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, da ihre Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt hätten, wenn es nicht zur Erledigung der Hauptsache gekommen wäre. In der Sache I ZR 79/10 hat er die Revision der Beklagten zurückgewiesen. In der Sache I ZR 77/09 hat der Bundesgerichtshof auf die Revision der Klägerin das der Klage stattgebende Urteil erster Instanz wiederhergestellt. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs war in dem zugrundeliegenden Sachverhalt nicht entscheidend, dass die niederländische Versandapotheke die Verbraucher, die bei ihr verschreibungspflichtige Arzneimittel bestellen, bei dem beanstandeten Geschäftsmodell nicht direkt, sondern unter Einschaltung der Beklagten beliefert, da die hinsichtlich des Erfüllungsorts getroffene Regelung ersichtlich der Umgehung des deutschen Arzneimittelpreisrechts dient.

Beschluss vom 26. Februar 2014 - I ZR 72/08

Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 22. August 2012 - GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, 354 = GRUR 2013, 417 = WRP 2013, 621 - EU-Versandapotheken

BGH, Beschluss vom 9. September 2010 - I ZR 72/08, GRUR 2010, 1130 = WRP 2010, 1485 - Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf

OLG Frankfurt am Main - Urteil vom 29. November 2007 - 6 U 26/07, GRUR 2008, 306 = WRP 2008, 969

LG Darmstadt - Urteil vom 22. Dezember 2006 - 12 O 123/06

BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 77/09 - Holland-Preise

OLG Köln - Urteil vom 8. Mai 2009 - 6 U 213/08, PharmR 2010, 197 = APR 2010, 109

LG Köln - Urteil vom 23. Oktober 2008 - 31 O 353/08, juris

BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - I ZR 119/09

OLG München - Urteil vom 2. Juli 2009 - 29 U 3744/08

LG München I - Urteil vom 10. Juni 2008 - 9 HK O 63/08

BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 - I ZR 120/09

OLG München - Urteil vom 2. Juli 2009 - 29 U 3648/08

LG München I - Urteil vom 18. Juni 2008 - 1 HK O 20716/07

BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 - I ZR 79/10 - Sofort-Bonus

OLG Hamburg - Urteil vom 25. März 2010 - 3 U 126/09, PharmR 2010, 410

LG Hamburg - Urteil vom 4. August 2009 - 407 O 82/09
(Pressemeldung des Bundesgerichtshofs vom 26.02.14: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundesgerichtshof

  • (Gesundheits-)Daten betroffener Arbeitnehmer

    Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch einen Medizinischen Dienst, der von einer gesetzlichen Krankenkasse mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten beauftragt worden ist, kann nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DSGVO* auch dann zulässig sein, wenn es sich bei dem Versicherten um einen eigenen Arbeitnehmer des Medizinischen Dienstes handelt.

  • Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen

    Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beabsichtigt, sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen anzuschließen, wonach ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen immer dann eigenverantwortlich zu prüfen hat, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden.

  • Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung. Entscheidungserheblich ist, ob diese bei der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß angezeigt wurde.

  • Arbeitgeberin hat Wahl für nichtig gehalten

    Bewerben sich bei einer Betriebsratswahl weniger Arbeitnehmer um einen Betriebsratssitz als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, kann ein "kleinerer" Betriebsrat errichtet werden. Die Arbeitgeberin ist Trägerin einer Klinik mit in der Regel 170 beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

  • Arbeitsverhältnis & katholischen Kirche

    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Auslegung des Unionsrechts zu der Frage ersucht, ob ein der katholischen Kirche zugeordneter Arbeitgeber, der von den bei ihm tätigen Arbeitnehmern im Übrigen nicht verlangt, dass sie der katholischen Kirche angehören, das Arbeitsverhältnis allein aufgrund der Beendigung der Mitgliedschaft zur katholischen Kirche kündigen darf, wenn der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche austritt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen