Anfallende Aufwendungen eines Handelsvertreters
BGH: Zum Anspruch des Handelsvertreters auf kostenlose Überlassung von Hilfsmitteln
Handelsvertreter haben nur dann einen Anspruch auf kostenlose Überlassung von Hilfsmitteln, wenn sie auf diese angewiesen sind, um ihrer Pflicht zum Abschluss von Geschäften nachzukommen
(11.05.11) - Der Bundesgerichtshof hat in zwei Fällen über die Frage entschieden, in welchem Umfang Handelsvertreter gegen den Unternehmer einen Anspruch auf kostenlose Überlassung von Hilfsmitteln haben.
Die Kläger waren Unter-Handelsvertreter der Beklagten, die ihrerseits Finanzprodukte vertreibt. Die Beklagte bietet ihren Handelsvertretern kostenpflichtige Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen an. Zur Unterstützung ihrer Vermittlungstätigkeit können die Handelsvertreter von der Beklagten ferner verschiedene mit deren Logo versehene Artikel wie Briefpapier, Visitenkarten, Datenerhebungsbögen und Werbegeschenke aller Art gegen Entgelt erwerben. Das gleiche gilt für die von der Beklagten herausgegebene Zeitschrift "Finanzplaner", die die Handelsvertreter für die von ihnen betreuten Kunden bestellen können. Die Kläger machten von diesen Angeboten Gebrauch. Die dadurch entstandenen Kosten wurden vereinbarungsgemäß dem jeweiligen Provisionskonto belastet.
Aufgrund eines zwischen den Parteien gesondert abgeschlossenen Vertrages wurde den Klägern die Nutzung der Vertriebssoftware der Beklagten gegen Zahlung eines gleichfalls seinem Provisionskonto belasteten Entgelts in Höhe von 80 € monatlich ermöglicht. Mit der Klage verlangen die Kläger Zahlung der einbehaltenen Beträge.
Das Landgericht hat die Klage in einem Fall (VIII ZR 10/10) vollständig, im anderen Fall mit Ausnahme der Kosten des Softwarepaktes abgewiesen. Auf die Berufungen der Kläger hat das Oberlandesgericht die Urteile abgeändert und die Beklagte zur Rückzahlung der einbehaltenen Beträge mit Ausnahme der Kosten für Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Beklagten hatten teilweise Erfolg. Die auf eine Erstattung der Fortbildungskosten gerichteten Anschlussrevisionen der Kläger sind zurückgewiesen worden.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat entschieden, dass Handelsvertreter nur insoweit einen Anspruch auf kostenlose Überlassung von Hilfsmitteln gemäß § 86a HGB* haben, als sie auf diese angewiesen sind, um ihrer Pflicht zur Vermittlung beziehungsweise zum Abschluss von Geschäften nachzukommen.
Dies hat der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall für das Softwarepaket bejaht, da es Komponenten enthält, ohne die eine Vermittlungstätigkeit der Kläger nicht möglich gewesen wäre. Demgegenüber hat der Handelsvertreter die in seinem Geschäftsbetrieb anfallenden Aufwendungen selbst zu tragen. Hierzu gehören insbesondere die Büroausstattung des Handelsvertreters, aber auch Werbegeschenke sowie die – nicht als Produktbroschüre anzusehende - Zeitschrift "Finanzplaner", die der Handelsvertreter zur allgemeinen Kundenpflege einsetzt.
Auch die Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen musste die Beklagte den Klägern nicht kostenlos gewähren, da es dabei nicht um die Vermittlung von Produktinformationen, sondern um den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen ging, die die Kläger benötigten, um ihr Tätigkeitsfeld – z. B. auf den Vertrieb von Immobilien – zu erweitern. Demzufolge hat der Bundesgerichtshof bezüglich der übrigen Positionen einen Anspruch der Kläger auf Auszahlung der einbehaltenen Beträge verneint.
* § 86a HGB
(1) Der Unternehmer hat dem Handelsvertreter die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen, wie Muster, Zeichnungen, Preislisten, Werbedrucksachen, Geschäftsbedingungen, zur Verfügung zu stellen.
…
(3) Von den Absätzen 1 und 2 abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.
Urteil vom 4. Mail 2011 - VIII ZR 10/10
LG Hannover - Urteil vom 10. Februar 2009 - 26 O 51/08
OLG Celle - Urteil vom 10. Dezember 2009 - 11 U 50/09
und
Urteil vom 4. Mai 2011 - VIII ZR 11/10
LG Hannover - Urteil vom 2. März 2009 - 24 O 40/08
OLG Celle - Urteil vom 10. Dezember 2009 - 11 U 51/09
(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 04.05.11: ra)
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