Aussagekraft von Zertifikaten
Mehr Klarheit über Gütesiegel im medizinischen Bereich
Nicht jedes Zertifikat lasse automatisch auf eine gute Versorgungsqualität der jeweiligen Einrichtung schließen
Der Petitionsausschuss fordert mehr Klarheit über die Aussagekraft von verliehenen Qualitätszertifikaten und Gütesiegeln im medizinischen Bereich. In der Sitzung beschlossen die Abgeordneten daher einstimmig, eine Petition, in der die Zertifizierungsverfahren von Krankenhäusern hinsichtlich bestimmter Qualitätsmerkmale kritisiert werden, mit dem zweithöchsten Votum "zur Erwägung" an das Bundesministerium für Gesundheit zu überweisen.
In ihrer Eingabe gehen die Petenten auf die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod ihres Sohnes ein, der mit einem Herzfehler geboren wurde und nach einer Operation im Januar 2017 verstarb. Das entsprechende Krankenhaus sei zwar mit dem Qualitätssiegel "Ausgezeichnet für Kinder" als familienfreundlich zertifiziert worden. Das sei aber insbesondere angesichts der mangelnden Einbeziehung der Eltern in die klinischen Prozesse rund um die Operation und die Art und Weise, wie mit ihrem Sohn umgegangen worden sei, nicht nachvollziehbar, schreiben die Petenten. Zudem sei der Tod ihres Sohnes auf mögliche Behandlungsfehler zurückzuführen, die ihre Ursache darin hätten, dass die Qualität der medizinischen Versorgung unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit leide.
In der Begründung zur Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses wird darauf verwiesen, dass viele Krankenhäuser ihr internes Qualitätsmanagement einer freiwilligen Zertifizierung unterzögen. Dies geschehe, um ihre Bemühungen um Qualität transparent zu machen, "auch wenn dies gesetzlich nicht vorgeschrieben ist". Allerdings lasse nicht jedes Zertifikat automatisch auf eine gute Versorgungsqualität der jeweiligen Einrichtung schließen.
Für Patientinnen und Patienten sei die Aussagekraft von Zertifikaten oder Gütesiegeln in der Regel nur schwer nachvollziehbar, befinden die Abgeordneten. Deshalb sei das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als oberstes Entscheidungsgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung damit beauftragt worden, Kriterien zur Bewertung von Zertifikaten und Qualitätssiegeln zu entwickeln und anhand dieser Kriterien über die Aussagekraft dieser Zertifikate und Qualitätssiegel in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form zu informieren.
Den Patientinnen und Patienten solle damit eine Hilfestellung bei der Beurteilung gegeben werden, welche Aussagen einer Zertifizierung in Bezug auf Qualität entnommen und welche Schlüsse aus einem Zertifikat gerade nicht abgeleitet werden können. Am 30. September 2022 habe das IQTIG den entsprechenden Abschlussbericht abgegeben, der aktuell im G-BA beraten werde, heißt es in der Beschlussempfehlung.
Der Petitionsausschuss begrüßt es der Vorlage zufolge ausdrücklich, "dass durch den G-BA die Kontrollmöglichkeiten der Einhaltung von Qualitätsanforderungen in zugelassenen Krankenhäusern erweitert wurden und dies auch solche Krankenhäuser betrifft, die Leistungen nach der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der herzchirurgischen Versorgung bei Kindern und Jugendlichen (KiHe-RL) erbringen". Die Abgeordneten weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht im Gegensatz zu einer hohen medizinischen Versorgungsqualität stehen dürfe.
Befürwortet werden durch den Ausschuss auch die Bemühungen der Krankenhäuser um mehr Transparenz hinsichtlich konkreter Qualitätsmerkmale der von ihnen angebotenen medizinischen Versorgung. Allerdings sei selbst bei Zertifikaten mit hohen Anforderungen und regelmäßigen Überprüfungen bedauerlicherweise nicht auszuschließen, "dass im Einzelfall festgelegte Abläufe nicht eingehalten werden oder Fehler passieren". Bei greifbaren Hinweisen auf Rechtsverstöße könnten selbstverständlich die für die Krankenhausaufsicht zuständigen Sozialministerien der Länder kontaktiert werden, heißt es weiter. "Der Bund hingegen besitzt keine aufsichtsrechtlichen Befugnisse gegenüber einzelnen Krankenhäusern."
Schlussendlich vertritt der Petitionsausschuss die Auffassung, dass Klarheit über die Aussagekraft von verliehenen Qualitätszertifikaten und Gütesiegeln im medizinischen Bereich bestehen müsse. Deren Zweck, die Transparenz über bestimmte Qualitätsmerkmale der medizinischen Versorgung zu steigern, dürfe nicht konterkariert werden. Zudem dürften nicht unberechtigte Erwartungen geweckt werden. In diesem Zusammenhang sind nach Auffassung der Abgeordneten die Vergabekriterien und die entsprechenden Vergabeverfahren von besonderer Bedeutung. (Deutscher Bundestag: ra)
eingetragen: 16.03.23
Newsletterlauf: 19.06.23
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