Rechts- und Verbraucherschutzpolitik


Evidenzbasierte Rechtspolitik und unbefriedigter Rechtsbedarf
FDP will wissen, ob die Bundesregierung Erkenntnisse habe, warum sich die Eingangszahlen bei Zivilgerichten seit Jahren rückläufig entwickeln



Die zentrale Aufgabe der Rechtspolitik der Bundesrepublik ist die Sicherung und Fortentwicklung des Rechtsstaates, und dafür wird externer Sachverstand hinzugezogen, soweit dies erforderlich ist. Das schreibt die Deutsche Bundesregierung in der Antwort (19/3082) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/2662). Die Abgeordneten wollten unter anderem wissen, warum die Bundesregierung Rechts- und Verbraucherschutzpolitik nicht konsequent evidenzbasiert verfolgt, sondern nur in Ansätzen. Darauf hätten auch der Deutsche Anwaltverein und der Deutsche Richterbund hingewiesen.

Die Abgeordneten fragten ferner nach dem Umfang der eingeholten, nach aktuellen wissenschaftlichen Methoden erarbeiteten Statistiken und Gutachten und wollten wissen, welche Mittel dafür eingesetzt wurden. In der Antwort wird eine Reihe von Studien und Arbeiten aufgelistet, die in jüngster Zeit zur Vorbereitung und Begleitung rechtspolitischer Reformvorhaben entstanden sind.

Zum ebenfalls in der Anfrage thematisierten unbefriedigten Rechtsbedarf wollten die Fragesteller wissen, ob die Bundesregierung Erkenntnisse habe, warum sich die Eingangszahlen bei Zivilgerichten seit Jahren rückläufig entwickeln. In der Antwort heißt es, die Bundesregierung beobachte die Entwicklung sehr genau. Dafür kämen verschiedene Ursachen in Betracht. Belastbare Erkenntnisse lägen derzeit jedoch noch nicht vor. Das Justizministerium erwäge in dieser Legislaturperiode eine wissenschaftliche Untersuchung dazu.

Vorbemerkung der Fragesteller
Die die Bundesregierung tragenden Parteien haben im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD an zahlreichen Stellen Überarbeitungen und Verschärfungen bestehenden Rechts sowie die Regulierung bisher nicht ausreichend erfasster Lebensbereiche (Stichwort Plattformregulierung; Algorithmus- TÜV) geplant. In einigen ausgewählten Bereichen haben die Koalitionsparteien die Absicht erklärt, zunächst wissenschaftliche Prüfungen durchführen zu lassen und den Dialog mit Wissenschaft und Praktikern im jeweiligen Feld zu suchen, etwa im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. So begrüßenswert es ist, dass der evidenzbasierte Ansatz im Koalitionsvertrag auftaucht, so sehr fällt auf, dass die Bundesregierung diesen Ansatz nicht zum Grundsatz ihres regulatorischen und nichtregulatorischen Handelns macht, sondern ihn nur auf ausgesuchten Feldern verfolgen will.

Darauf, dass die Bundesregierung Rechts- und Verbraucherschutzpolitik nicht konsequent evidenzbasiert verfolgt, weisen im Ergebnis auch Deutscher Anwaltverein und Deutscher Richterbund in ihrem Eckpunktepapier zur Bundestagswahl 2017. Sie knüpfen daran die Forderung nach einer "Unmet-legal-needs-Studie ", einem Instrument, mit dem in vielen angloamerikanischen Ländern der unbefriedigte Rechtsbedarf in der Bevölkerung wissenschaftlich ermittelt wird. Durch Erhebungen des Statistischen Bundesamtes (Ausgabe 2016 der Reihe 2.1 "Zivilgerichte " der Fachserie 10 "Rechtspflege " des Statistischen Bundesamtes) wird deutlich, dass sich die Fallzahlen bei den Zivilgerichten seit Jahren kontinuierlich rückläufig entwickeln. Bereits der 70. Deutsche Juristentag 2014 hat sich mit diesem Phänomen befasst. Unklar bleibt bislang, wie die Bundesregierung dieses Phänomen bewertet und wie sie darauf reagiert.

Die Bundesregierung ist gegenüber dem Steuerzahler verpflichtet, mit den erhobenen Mitteln sorgsam umzugehen und diese am tatsächlichen Bedarf ausgerichtet einzusetzen. Daraus folgt, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen im Deutschen Bundestag nicht allein die finanziellen Auswirkungen ihrer Maßnahmen vor dem Steuerzahler evidenzbasiert zu rechtfertigen haben. Diese Notwendigkeit besteht auch hinsichtlich der Bedürfnisse und Auswirkungen ihres regulatorischen Handelns des bzw. für den Rechtsstaat. Das betrifft nicht nur den im Koalitionsvertrag annoncierten "Pakt für den Rechtsstaat " mit seinem Fokus auf die Personalplanung. Das betrifft auch und in noch stärkerem Maße die Gesetzgebung im strafrechtlichen und strafprozessualen Bereich, die vielfach mehr durch gefühlte Bedrohungslagen denn durch objektiv nachgewiesene, reale Gefahren motiviert zu sein scheint.
(Deutsche Bundesregierung: ra)

eingetragen: 08.07.18
Newsletterlauf: 08.08.18



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