Zertifizierung von Praxissoftware


Seit dem 1. Mai 2006 dürfen Vertragsärzte nur noch solche Praxissoftware verwenden, die einen neutralen Preisvergleich ermöglicht – Aber: Kriterien für manipulationsfreie Praxissoftware lassen auf sich warten
Arbeiten Arztpraxen weiterhin mit Software, die von Pharmaunternehmen programmiert wurde und die Produkte dieser Unternehmen bewirbt?


(12.03.08) - Bundeseinheitliche Kriterien für eine manipulationsfreie Praxissoftware liegen noch nicht vor. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung hätten sich zwar auf eine entsprechende Ergänzung des Bundesmantelvertrages zur Zertifizierung von Praxissoftware geeinigt, schreibt die Deutsche Bundesregierung in ihrer Antwort (16/8089) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (16/7927).

Der Vertragstext befinde sich aber noch im Unterschriftenverfahren. Die Regierung habe trotz der aufgetretenen zeitlichen Verzögerung bei der Ergänzung des Bundesmantelvertrages zunächst auf aufsichtsrechtliche Maßnahmen verzichtet, heißt es. Sie verweist zur Begründung unter anderem auf die hohe Detaildichte der zu regelnden Materie. Seit dem 1. Mai 2006 dürfen Vertragsärzte nur noch solche Praxissoftware verwenden, die einen neutralen Preisvergleich ermöglicht.

Die Grünen wollten wissen, ob Arztpraxen weiterhin mit Software arbeiteten, die von Pharmaunternehmen programmiert sei und die Produkte dieser Unternehmen bewerbe.

Vorbemerkung der Fragesteller:
Im Frühjahr 2006 wurde mit dem Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) dem § 73 Abs. 8 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch die Regelung angefügt, dass Vertragsärzte für die Verordnung von Arzneimitteln nur solche elektronischen Programme nutzen dürfen, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen sind. Zugleich muss die Software alle Informationen enthalten, die für die Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung von Bedeutung sind. Dazu gehören insbesondere alle Regelungen der Arzneimittelrichtlinien. Die weiteren inhaltlichen Anforderungen an die Praxissoftware sollten die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen bis zum 31. Dezember 2006 festlegen. Auf deren Grundlage sollte dann die eigentliche Zertifizierung durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung erfolgen. Anlass für diese Regelung waren Berichte, dass einige Pharmaunternehmen Praxissoftware sponserten. Die Programme waren so konzipiert, dass den Ärztinnen und Ärzten durch Sortierung eine Verordnungsentscheidung zugunsten des jeweiligen Arzneimittelherstellers nahegelegt wurde. Durch die neue Vorschrift sollte erreicht werden, dass in der vertragsärztlichen Versorgung nur solche Praxissoftware zum Einsatz kommt, die dem Arzt einen manipulationsfreien Preisvergleich von Arzneimitteln ermöglicht.

Vorbemerkung der Bundesregierung
Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, das am 1. Mai 2006 in Kraft getreten ist, wurde für Vertragsärzte die Verpflichtung zur Verwendung von manipulationsfreier Praxissoftware eingeführt. Nach § 73 Abs. 8 Satz 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dürfen seitdem für die Verordnung von Arzneimitteln nur noch solche elektronischen Programme verwendet werden, die einen neutralen Preisvergleich ermöglichen und Informationen über die jeweilige Arzneimittelvereinbarung sowie zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise enthalten, insbesondere zu den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V. Das Nähere dazu ist von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen in den Bundesmantelverträgen zu regeln. Die gesetzliche Frist dafür ist am 31. Dezember 2006 abgelaufen. Die Programme sind von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auf der Grundlage der Vereinbarung in den Bundesmantelverträgen zu zertifizieren. Dieses Verfahren trägt dem Umstand Rechnung, dass die konkrete Ausgestaltung und Umsetzung von Fragen der Qualität und Wirtschaftlichkeit in der vertragsärztlichen Versorgung durch die gemeinsame Selbstverwaltung zu den Grundprinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung gehört.

1. Sind die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen ihrem gesetzlichen Auftrag nachgekommen und haben einen Bundesmantelvertrag über die Zertifizierungskriterien für Praxissoftware miteinander vereinbart?

2. Wenn nein, welche Gründe waren nach Einschätzung der Bundesregierung dafür ausschlaggebend?

3. Wenn nein, welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen bzw. will sie noch unternehmen, um die Umsetzung der gesetzlichen Vorgabe zu erreichen?
Die Fragen 1 bis 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben sich abschließend auf die Ergänzung des Bundesmantelvertrages zur Zertifizierung von Praxissoftware geeinigt. Sie haben einen Anforderungskatalog erarbeitet, in dem Kriterien für eine manipulationsfreie Praxissoftware definiert wurden. Der Vertragstext befindet sich derzeit im Unterschriftenverfahren.

4. Sollte die Bundesregierung bisher noch keine Schritte unternommen haben, weshalb nicht?
Die Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung ist eine vorrangige Aufgabe der gemeinsamen Selbstverwaltung. Aus diesem Grund, aber auch wegen der hohen Detaildichte der zu regelnden Materie sowie aus Akzeptanzgründen, ist nach Auffassung der Bundesregierung eine Lösung zu bevorzugen, die von der gemeinsamen Selbstverwaltung ohne aufsichtsrechtliches Eingreifen gefunden wird. Die Bundesregierung hat trotz der aufgetretenen zeitlichen Verzögerung bei der Ergänzung des Bundesmantelvertrages zunächst darauf verzichtet, aufsichtsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Sie hat sich jedoch regelmäßig über den Fortgang der Verhandlungen berichten lassen.

5. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob auch weiterhin Praxissoftware vertrieben und verwendet wird, in der Arzneimittel bestimmter Hersteller bevorzugt platziert werden?
Der Bundesregierung liegen darüber keine Erkenntnisse vor. Da sich die Änderung des Bundesmantelvertrages im Unterschriftenverfahren befindet, sind noch keine zertifizierten Programme erhältlich. Die Zertifizierung der Softwareprogramme erfolgt durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung auf der Grundlage der von den Vertragspartnern vereinbarten Kriterien. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben sich darauf verständigt, dass die Änderung im Bundesmantelvertrag zum 1. Juli 2008 in Kraft tritt. Die Vertragspartner gehen davon aus, dass bis zu diesem Zeitpunkt hinreichend zertifizierte Programme erhältlich sein werden.

6. Wie hoch ist nach Einschätzung der Bundesregierung das Einsparpotenzial, das der gesetzlichen Krankenversicherung durch marketinggesteuerte Arzneimitteldatenbanken verloren geht?
Der Bundesregierung liegen darüber keine Erkenntnisse vor.

7. Wie bewertet die Bundesregierung die aus dem Dezember 2005 stammende, der Öffentlichkeit im Mai 2006 vorgestellte Selbstverpflichtung, auf die sich Anbieter von Softwareprogrammen im Konsens mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verständigt haben?

8. Hält die Bundesregierung diese Selbstverpflichtung für ausreichend, um hinreichend unabhängige Verordnungsentscheidungen der Ärztinnen und Ärzte zu gewährleisten?
Die Fragen 7 und 8 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat den Abschluss der Selbstverpflichtung, auf die sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit Herstellern von Arztpraxissoftware geeinigt hat, grundsätzlich begrüßt, hält sie jedoch nicht für ausreichend, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und unabhängige Verordnungsentscheidungen der Ärztinnen und Ärzte in allen Fällen zu gewährleisten.
(Deutsche Bundesregierung: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Sorgfaltspflichten für Online-Dienste

    Bei einer öffentlichen Anhörung des Digitalausschusses ist das von der Bundesregierung geplante Digitale-Dienste-Gesetz (20/10031) zur Umsetzung des Digital Services Act (DSA) auf nationaler Ebene von den geladenen Sachverständigen überwiegend begrüßt worden. Moderate Kritik wurde an einzelnen Punkten des Entwurfs zur Umsetzung laut.

  • Einsatz von KI birgt auch Risiken

    Die Deutsche Bundesregierung erkennt in der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ein "vielfältiges und beträchtliches" Potenzial für Beschäftigte und den Arbeitsmarkt. KI könne die Produktivität von Beschäftigten steigern und diese bei ihren Tätigkeiten entlasten.

  • EU-Plastikabgabe weiter in Abstimmung

    Die Deutsche Bundesregierung befindet sich momentan noch in der Abstimmung hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe. Verschiedene Optionen würden geprüft.

  • Bedeutung gemeinwohlorientierter Unternehmen

    Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), hat bei der Aussprache zur Unterrichtung des Bundestages zur Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen im Wirtschaftsausschuss die Bedeutung des Programms betont.

  • Mehr Recycling-Anreize

    In seiner derzeitigen Form hat Paragraf 21 des Verpackungsgesetzes aus Sicht der Bundesregierung für die Hersteller systembeteiligungspflichtiger Verpackungen bereits ein wichtiges Signal in Richtung des ökologischen Verpackungsdesigns gesetzt.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen