Experten sehen Gefahr der Privatisierung
Sind die in den Gesetzentwürfen enthaltenen Privatisierungsschranken unzureichend?
Festgeschrieben werden soll zudem, dass Autobahnen und Gesellschaft im unveräußerlichen Bundeseigentum bleiben
Bei der im Rahmen der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen geplanten Errichtung einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr besteht aus Sicht mehrerer Experten die Gefahr einer Privatisierung der Autobahnen "durch die Hintertür". Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsauschusses deutlich. Grundlage der Anhörung bildeten die Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes (18/11131, 18/11186) und zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften (18/11135, 18/11185). Vorgesehen sind unter anderem Änderungen im Artikel 90 des Grundgesetzes, um die Verwaltung, Bau und Betrieb der Bundesautobahnen in die Hände des Bundes zu legen. Derzeit sind dafür die Länder in Auftragsverwaltung zuständig. Der Bund soll dazu eine Gesellschaft privaten Rechts einsetzen können. Festgeschrieben werden soll zudem, dass Autobahnen und Gesellschaft im unveräußerlichen Bundeseigentum bleiben.
Die in den Gesetzentwürfen enthaltenen Privatisierungsschranken seien unzureichend, urteilte Professor Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin. Beckers zeigte vier Wege, auf denen das Privatisierungsverbot aus seiner Sicht umgangen werden könnte. So unter anderem über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP), wenn diese das gesamte Autobahnnetz oder auch einen hohen prozentualen Anteil des Netzes umfassen würden. Unklar sei auch, ob die laut Gesetz zu gründenden Tochtergesellschaften privatisiert werden dürften. Dies müsse im Gesetz ausgeschlossen werden, forderte er.
Wenn mit dem geplanten öffentlich-rechtlichen Nießbrauchsrecht, alle Rechte an den Autobahnen an die Gesellschaft übergehen würden, entleere man die im Gesetz enthaltene Aussage, wonach die Bundesrepublik Deutschland Eigentümer der Straßen ist, sagte Professor Georg Hermes von der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Übertrage man der Infrastrukturgesellschaft das wirtschaftliche Eigentum an den Autobahnen, laufe das auf ein Geschäftsmodell hinaus, bei dem es nicht um die Bereitstellung von Autobahnen als staatliche Daseinsvorsorge geht "sondern um das entgeltliche Zurverfügungstellen" von Autobahnen. "Das nennt man Privatisierung", sagte Hermes.
Auch Professor Christoph Gröpl sieht in den Vorlagen die Gefahr, "dass eine Privatisierung geplant ist". Wenn der Gesetzgeber das nicht möchte, müsse er das klarstellen, betonte er.
Mit den Gesetzesänderungen würden ÖPPs stark vorangetrieben, obwohl die gemachten Erfahrungen nicht gut seien, kritisierte Laura Valentukeviciute vom Verein Gemeingut in BürgerInnenhand. Autobahnbau mit ÖPP sei weder kostengünstiger noch schneller, sagte sei. Zudem schränke ÖPP die parlamentarische Kontrolle ein. Valentukeviciute bemängelte zudem, dass mit der Infrastrukturgesellschaft Verkehr "öffentliche Schulden versteckt werden".
Für die Gründung von Tochtergesellschaften, wie im Gesetz geplant, gibt es aus Sicht des Bundesrechnungshofes (BRH) "keinen guten Grund". Dies würde lediglich zu höheren Kosten führen, sagte BRH-Vertreterin Romy Moebus. Ausreichend wären nach Ansicht des BRH auch Außenstellen der Gesellschaft, um in der Fläche vertreten zu sein. Was die Frage der Privatisierung angeht, so hält der BRH es für sinnvoll, einzelne Strecken "funktional zu privatisieren". Eine Privatisierung von Teilnetzen müsse aber gesetzlich ausgeschlossen werden.
Von den Erfahrungen mit der Gründung einer Autobahngesellschaft in Österreich berichtete Klaus Schierhackl, Vorstand bei der ASFINAG. Er rate von einer zu starken Beteiligung der einzelnen Bundesländer ab. "Das kann wirklich sehr hinderlich sein", sagte er. Statt 16 Regionalgesellschaften sollte man sich auf Deutschland Nord und Deutschland Süd beschränke, empfahl er.
Auch Dietrich Drömann, Experte für Vergaberecht in der Wirtschaftskanzlei Graf von Westfalen, plädierte für einen Verzicht auf Regionalgesellschaften. "Es sollte an dem Gedanken einer einheitlichen Leitung unter Verzicht auf regionale Gesellschaften festhalten werden", sagte er. Die Länder, so seine Einschätzung, sollten auch keine Minderheitsbeteiligungen erhalten.
Auf die Situation der Beschäftigten eingehend, sagte Verdi-Vertreter Wolfgang Pieper, im Gesetz werde versucht, die Ansprüche der Beschäftigen im Falle der Gründung einer Autobahngesellschaft abzusichern. Problematisch sei jedoch das zersplitterte Tarifrecht, dass Fragen von Arbeitszeit und Vergütung derzeit in den Ländern unterschiedlich regle. Es müsse gewährleistet werden, dass die Ansprüche der Beschäftigten auch im Tarifvertrag mit der neuen Gesellschaft gewahrt bleiben, forderte der Gewerkschaftsvertreter. (Deutscher Bundestag: ra)
eingetragen: 25.04.17
Home & Newsletterlauf: 12.05.17
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