Tabakrichtlinie stößt auf geteiltes Echo


Umsetzung der europäischen Tabakprodukt-Richtlinie 2014/40/EU (18/7218) in deutsches Recht
Auch wenn die Tabakproduktrichtlinie recht detailliert ausgearbeitet gewesen sei, seien die schwerwiegendsten Änderungen an den Verpackungen bis Ende 2015 nicht klar gewesen, sodass es nicht möglich gewesen sei, sich rechtzeitig anzupassen

(14.03.16) - Uneinheitlich bewerten Experten einen Gesetzentwurf der Deutschen Bundesregierung zur Umsetzung der europäischen Tabakprodukt-Richtlinie 2014/40/EU (18/7218) in deutsches Recht. "Bis zum 20. Mai 2016 sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Richtlinie umzusetzen, die viele Emotionen und Meinungen auslöst", nahm Alois Gerig (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, zu Beginn einer öffentlichen Anhörung des Agrarausschusses die unterschiedlichen Positionen der Sachverständigen vorweg.

Durch den Gesetzentwurf sollen in Zukunft zwei Drittel der Vorder- und Rückseite von Zigaretten- und Drehtabakpackungen für Warnbilder und zusätzliche Hinweise bedruckt werden. Außerdem soll neben den neuen Text-Bild-Warnhinweisen auch das Überdecken des Tabakgeschmacks durch Aromen unterbunden werden. Um Fälschungen vorzubeugen, sollen Verpackungen künftig ein individuelles Erkennungs- sowie ein fälschungssicheres Sicherheitsmerkmal tragen.

Doch nach Einschätzung des Einzelsachverständigen Prof. Lutz Engisch von der Hochschule Leipzig ist die technische Umstellung der Druckwalzen zur Umsetzung der Vorgaben für den Druck von Schockbildern und vergrößerten Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln bis zum Mai 2016 nicht möglich. Der Stand der Technik erlaube kein schnelles und automatisiertes Verfahren zur Umstellung der Maschinen und erfordere für jedes individuelle Verpackungsdesign separate Arbeitsgänge. "Es existiert eine nur sehr kleine Zulieferindustrie, die entsprechende Druckwalzen nicht in der kurzen Zeit liefern kann", sagte Engisch. Michael von Foerster vom Verband der deutschen Rauchtabakindustrie wies indes den Vorwurf zurück, dass sich die Unternehmen nicht genügend vorbereitet hätten und deshalb die technische Umstellung nicht zügig genug erfolgen könne. "Der Mittelstand ist durch die Fristenproblematik stark betroffen", sagte er. D

Die Ursache dafür sah Foerster in einem "Konstruktionsfehler" der Tabakproduktrichtlinie selbst, die die Umsetzung und Gültigkeit der Richtlinie für den 20. Mai festschreibe. Foerster warb für die Möglichkeit der Einführung einer Übergangsfrist zur Lösung des Dilemmas für die Unternehmen. In seiner Stellungnahme verwies Foerster darauf, dass Unternehmen vor dem Zustandekommen eines Gesetzes keine schwer rückgängig zu machenden Investitionen tätigen müssen. Auch wenn die Tabakproduktrichtlinie recht detailliert ausgearbeitet gewesen sei, seien die schwerwiegendsten Änderungen an den Verpackungen bis Ende 2015 nicht klar gewesen, sodass es nicht möglich gewesen sei, sich rechtzeitig anzupassen. Den Unternehmern sei es zudem nicht möglich vorherzusehen, was der Gesetzgeber beschließen wird. Foerster bezifferte den Zeitaufwand für die Umstellung von Verpackungsmaschinen auf eine Dauer von bis zu 20 Monaten.

Hingegen erachtete Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in ihrer Stellungnahme eine nur buchstabengetreue Umsetzung der Richtlinie als unzureichend. Um die öffentliche Gesundheit wirksam zu schützen, sollten über die Richtlinie hinaus die nikotinfreien elektronischen Zigaretten, elektronische Shishas sowie herkömmliche Wasserpfeifen in die Regelung mit einbezogen werden. Denn von allen diesen Produkten würde eine Gesundheitsgefährdung ausgehen.

Dass E-Zigaretten und E-Shishas bei der Tabakentwöhnung helfen könnten, bezweifelte Pötschke-Langer. "Es gibt keine soliden Daten", sagte sie in der Anhörung. Zudem plädierte die Wissenschaftlerin für ein umfassendes Werbeverbot für Tabakerzeugnisse. Nach Einschätzung von Gabriele Bartsch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen hat Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten einen tabakpolitischen Sonderweg beschritten, der hinter den in der EU üblichen Standards zurückgeblieben sei. Wenn dieser Sonderweg mit dem Gesetzentwurf beendet werde, sei dies keine Verschärfung der Tabakproduktrichtlinie, sondern ein überfälliger Schritt hin zur Angleichung an das EU-Niveau. "Deutschland hinkt bei der Umsetzung immer hinterher", kritisierte Bartsch die gesetzgeberische Praxis der Vergangenheit.

Auch nach Einschätzung des Einzelsachverständigen Tobias Effertz von der Universität Hamburg ist die Bundesrepublik kein Vorreiter im Bereich der Tabakregulierung. Effertz führte als Beispiel den Bereich der Tabakaußenwerbung an, die auch Jugendliche anspreche. "Deutschland ist das letzte Land in der EU, das diese Art der Werbung zulässt", sagte Effertz. Einer möglichen Fristverlängerung bei der Umsetzung der Richtlinie stand der Wissenschaftler skeptisch gegenüber. "Es war relativ lange klar, dass die Regelung kommen wird", sagte er. "Die Tabakindustrie neigt dazu, Regelungen aufschieben zu wollen." Eine Fristverlängerung könnte wie Sand im Getriebe der Umsetzung wirken und ein falscher Anreiz für andere Produzenten in der EU sein.

Dass mit der Umsetzung der Richtlinie E-Zigaretten und E-Shishas über Gebühr stigmatisiert werden könnten, kritisierte der Einzelsachverständigen Prof. Bernhard-Michael Mayer von der Universität Graz. Mayer plädierte dafür, dass Raucher zum Umstieg auf E-Zigaretten motiviert werden sollten. "E-Zigaretten sind Genussmittel, die Rauchern den Ausstieg aus der Inhalation von Schadstoffen ermöglichen", sagte er in der Anhörung. In E-Zigaretten gebe es keine Verbrennungsprodukte, die für Erkrankungen wie Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und COPD verantwortlich seien. In seiner Stellungnahme kritisierte er außerdem, dass die Bevölkerung durch eine mögliche Schädlichkeit unnötig verunsichert werde. Das Argument über das Fehlen von Langzeitstudien im Rahmen des Vorsorgeprinzips beurteilte der Sachverständige als Versuch zur Einschränkung der Verfügbarkeit von E-Zigaretten, obwohl die gesundheitlichen Vorteile überwiegen würden. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

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    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

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