Reisebüros fürchten neue EU-Richtlinie


Wenn EU-Entwurf in der derzeitigen Form Gesetz wird, dann seien 50 Prozent der kleinen und mittelgroßen Reisebüros in Deutschland vom Verschwinden bedroht
"Wir überziehen Betriebe mit einer Bürokratie, die gerade die kleinen und mittleren gar nicht mehr leisten können", warnte Ulrike Regele vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK)




Durch die Bestrebungen der EU-Kommission, das Pauschalreiserecht europaweit zu vereinheitlichen, sehen sich deutsche Reisebüros in ihrer Existenz bedroht. Dies machte Manuel Molina, Inhaber der auf Dienstleistungen für Reisebüros spezialisierten Dresdner Firma Touristik Service System (TSS), in einer Anhörung des Tourismusausschusses deutlich. Dem Ausschuss lag ein Referentenentwurf aus dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) zur Umsetzung der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie vor.

Wenn der Entwurf in der derzeitigen Form Gesetz werde, dann seien 50 Prozent der kleinen und mittelgroßen Reisebüros in Deutschland vom Verschwinden bedroht, warnte Molina: "Was der Gesetzgeber uns hier antun könnte, ist immens." Nach seinen Worten zählt Deutschland 2100 der insgesamt 2300 in Europa tätigen Reisebüros. In keinem anderem Land gebe es ein so dichtes Netz wie hier, für das ein unverändert hoher Bedarf bestehe: Mehr als 80 Prozent der deutschen Urlauber buchten ihre Ferien in einem Reisebüro. Dieser Besonderheit der deutschen Struktur trägt nach Molinas Empfinden die geplante EU-Richtlinie in unzureichendem Maße Rechnung.

Kritik äußerten auch andere Teilnehmer der Anhörung. Sie räumten zwar durchweg ein, dass der Richtlinienentwurf in den sieben Jahren, in denen über das Thema bereits diskutiert wird, nicht zuletzt durch das Verdienst des in Deutschland federführenden Justizministeriums an Gefährlichkeit manches eingebüßt habe. Noch enthalte er aber genug, was vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen mit einem Übermaß an Bürokratielasten bedrohe.

Der Präsident des Deutschen Reiseverbandes, Norbert Fiebig, meinte, eine solche Richtlinie sei der "Nährboden für eine Haltung, aus der der Brexit entstanden" sei. "Wir überziehen Betriebe mit einer Bürokratie, die gerade die kleinen und mittleren gar nicht mehr leisten können", warnte Ulrike Regele vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). "Wir sind nicht glücklich", sagte aber auch Felix Methmann, Touristik-Referent beim Bundesverband der Verbraucherzentalen. Er wies darauf hin, dass die Richtlinie eine europäische "Vollharmonisierung" zum Ziel habe, was dem nationalen Gesetzgeber künftig kaum noch eigenen Spielraum lasse. Leider werde durch das neue europäische Pauschalreiserecht das bisher in Deutschland geltende Niveau des Verbraucherschutzes abgesenkt: "Das ist nicht schön."

Als belastend für Reisebüros empfinden die Kritiker vor allem, dass diese mit der künftigen Richtlinie in die Haftungspflicht der Veranstalter von Pauschalreisen einbezogen würden. Für die vielen Kleinen in der Branche sei dies mehr, als sie tragen könnten. Nicht unter die Haftungspflicht fallen lediglich "verbundene Reiseleistungen", die der Kunde individuell, aber nicht als Paket buchen kann. Er muss jede einzelne Komponente, also etwa Flug, Hotel, Mietwagen am Zielort, gesondert bezahlen. Schon wenn er die Teilbeträge dem Reisebüro in einer Summe überweist, verwandelt sich das Angebot in eine Pauschalreise, und entsteht für das Reisebüro die Mithaftungspflicht.

Der Kunde muss zudem ein Formular unterschreiben, in dem er darüber belehrt wird, dass er eine "verbundene Reiseleistung" und keine Pauschalreise gebucht hat. "Ein Bürokratiemonster", empörte sich Molina und warnte: "Wir werden uns in der Zone der Illegalität befinden. Wir sind doch nicht die Behörde." (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 28.10.16
Home & Newsletterlauf: 11.11.16


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