BND hörte bis Ende 2013 Freunde ab


"Abhören unter Freunden, das geht gar nicht"
Bis zum Sommer 2013 hatte der BND bei der Überwachung internationaler Datenverkehre allein darauf geachtet, dass ihm keine "deutschen Grundrechtsträger", also Bundesbürger, für die der grundgesetzliche Schutz des Fernmeldegeheimnisses gilt, rechtswidrig ins Netz gingen

(02.03.16) - Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat noch bis Ende 2013 Regierungsstellen befreundeter EU- und Nato-Staaten ausspioniert. Erst dann habe Behördenchef Gerhard Schindler dieser Praxis ein Ende gemacht, berichtete der BND-Mitarbeiter D.B. am Donnerstag als Zeuge dem 1. Untersuchungsausschuss ("NSA"). Seit Oktober 2014 ist D.B. im Bereich "Cyber Defense" in der BND-Zentrale in Pullach tätig. Zuvor war er Unterabteilungsleiter in der Abteilung Technische Aufklärung (TA). In dieser Funktion hatte er Anfang August 2013 eine Überprüfung der Suchmerkmale veranlasst, die die amerikanische National Security Agency (NSA) in die gemeinsam betriebene Abhöranlage in Bad Aibling eingespeist hatte. Dabei fielen knapp 40.000 Selektoren auf, die zur Ausspähung europäischer Ziele geeignet waren.

Die Weisung des BND-Präsidenten Schindler habe ihn am 28. Oktober 2013 "mündlich-telefonisch" erreicht, berichtete der Zeuge. Vier Tage zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Nachricht, dass die NSA ihr Handy überwacht hatte, mit den seither geflügelten Worten kommentiert: "Abhören unter Freunden, das geht gar nicht". Jetzt erhielt D.B. in seinem Büro einen Anruf Schindlers. Dieser teilte mit, er habe soeben eine Besprechung im Kanzleramt geführt und bringe von dort "die folgende Weisung zur sofortigen Umsetzung" mit: "Wir sollen alle Steuerungen bezüglich der Partnerstaaten deaktivieren." Gemeint gewesen seien EU- und Nato-Länder, und es sei auch klar gewesen, dass sich die Weisung nicht auf die mittlerweile ja aussortierten NSA-Selektoren bezog: "Wir haben es so verstanden, dass es zunächst und unmittelbar auf unsere eigenen Selektoren anzuwenden sei."

Bis zum Sommer 2013 hatte der BND bei der Überwachung internationaler Datenverkehre allein darauf geachtet, dass ihm keine "deutschen Grundrechtsträger", also Bundesbürger, für die der grundgesetzliche Schutz des Fernmeldegeheimnisses gilt, rechtswidrig ins Netz gingen. Bürgern oder Institutionen anderer, auch verbündeter Staaten, wurde diese Sorgfalt nicht zuteil. Die im August 2013 in Bad Aibling entdeckten NSA-Selektoren mit Europa-Bezug seien deswegen auch nicht als "rechtswidrig" eingestuft, wohl aber als aus politischen Gründen "kritisch" verworfen und deaktiviert worden, sagte der Zeuge.

Unter bestimmten Umständen könnten nach seiner Einschätzung Lauschangriffe auf Institutionen verbündeter Staaten sogar "vom Auftragsprofil gedeckt" sein. Ohne Zweifel nicht "auftragskonform" wäre es, etwa das französische Außenministerium in Paris abzuhören, erläuterte der Zeuge. Eine französische Botschaft in einem mittelöstlichen Krisenstaat könnte aber durchaus ein legitimes Ziel sein, wenn der BND auf andere Weise relevante Informationen aus einer solchen Region nicht gewinnen könne. Er selbst habe bereits im August 2013 die Abschaltung einiger Selektoren mit Europa-Bezug im BND-eigenen Bestand veranlasst, sagte D.B. Restlos und vollständig seien diese Suchmerkmale aber erst nach der Weisung Schindlers etwa Anfang November deaktiviert worden.

Klären konnte D.B. die Frage, auf welchem Wege die NSA im August 2013 von der Entdeckung fragwürdiger Selektoren in Bad Aibling in Kenntnis gesetzt wurde. Er habe den Dienststellenleiter in Bad Aibling R.U. angerufen, ihm die Liste aussortierter Suchmerkmale übermittelt und ihn gebeten, die dortige Vertreterin der NSA zu informieren und zu künftigem Wohlverhalten aufzufordern. Er selbst sei damals nicht in Bad Aibling gewesen. Deshalb gebe es auch keinen Vermerk über das Gespräch. (Deutscher Bundestag: ra)




Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Regierung: Berichtspflichten zu umfangreich

    Die Berichtspflichten für Unternehmen sind nach Auffassung der Bundesregierung im internationalen Wettbewerb zu umfangreich. Dazu zählt die Regierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion auch Nachhaltigkeitsberichtspflichten. Die Offenlegung ähnlicher Sachverhalte solle weiter vereinheitlicht werden, um "Doppelreporting" zu vermeiden.

  • Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung

    Über die Beschaffung und den Einsatz von IT-(Sicherheits-)Produkten durch den Bund als öffentlichen Auftraggeber informiert die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/14887) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (20/14226). Unter der Überschrift "Digitale Souveränität in der Bundesverwaltung" wird darin ein umfassender Überblick über die Beschaffung und Zulassung von einzelnen IT-Sicherheitsprodukten und -diensten gegeben.

  • Aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen

    Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort (20/14693) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/14379) die zu Ende 2024 erfolgte Änderung der Richtlinien für eine aktive Beteiligungsführung bei Unternehmen mit Bundesbeteiligung. Bereits die bis November 2024 geltenden Regelungen hätten vorgesehen, dass Mitglieder des Bundestages "in Ausnahmefällen" in Aufsichtsgremien von Unternehmen mit Bundesbeteiligung berufen werden können, heißt es in der Antwort.

  • Risikostrukturausgleich der Krankenkassen

    Verschiedene gesetzliche Initiativen der vergangenen Jahre zielen nach Angaben der Bundesregierung darauf ab, unzulässige Einflussnahmen auf die Datengrundlagen des Risikostrukturausgleichs (RSA) der Krankenkassen zu verhindern und die Manipulationsresistenz des RSA zu stärken. Zuletzt sei mit dem "Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz" (GKV-FKG) 2020 die sogenannte Manipulationsbremse eingeführt worden, heißt es in der Antwort (20/14678) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/14442) der Unionsfraktion.

  • Souveräne Dateninfrastruktur

    Die Bundesregierung strebt eine effiziente, wirtschafts- und innovationsfreundliche Umsetzungsstruktur der europäischen KI-Verordnung an, die knappe Ressourcen klug einsetzt. Das antwortet die Bundesregierung (20/14421) der AfD-Fraktion auf eine Kleine Anfrage (20/14109).

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen