Streit um Veröffentlichung von Verstößen


Lebensmittelsicherheit: Hintergrund der Anhörung war ein von der Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf, mit dem eine Löschfrist der Veröffentlichungen nach sechs Monaten, bei sonst gleichbleibenden Voraussetzungen, in das LFGB eingefügt werden soll
Als "definitiv nicht ausreichend" bezeichnete Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), die bloße Ergänzung des Gesetzes um eine Löschfrist



Hinsichtlich der Veröffentlichung von Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit, wie sie im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) geregelt ist, vertreten Verbraucherschützer auf der einen Seite und Gaststätten- und Handelsverbände auf der anderen Seite kontroverse Ansichten. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft deutlich. Aus Sicht der Organisation foodwatch und der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) werden zu wenige Vorfälle öffentlich dokumentiert, was an der im LFGB festgeschriebenen Veröffentlichungsgrenze für Verstöße ab einem Bußgeld von 350 Euro liege. Nach Auffassung der Vertreter von Gaststätten- und Handelsverbänden muss hingegen die Bußgeldschwelle deutlich heraufgesetzt werden, da nicht Bagatellvergehen sondern nur gravierende Mängel veröffentlicht werden sollten.

Hintergrund der Anhörung war ein von der Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf (19/4726), mit dem eine Löschfrist der Veröffentlichungen nach sechs Monaten, bei sonst gleichbleibenden Voraussetzungen, in das LFGB eingefügt werden soll. Damit will die Regierung einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, mit dem die Veröffentlichungspraxis grundsätzlich bestätigt, zugleich aber eine Löschfrist für die Daten angemahnt wurde. Ebenfalls beraten wurden in der Anhörung ein Antrag der Fraktion Die Linke (19/4830), in dem eine Löschfrist von zwei Jahren und zugleich ein Smiley-System nach dänischem Vorbild gefordert wird, sowie ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/7435), in dem eine Löschfrist von zwölf Monaten und eine Veröffentlichung unabhängig vom Schweregrad der Verstöße verlangt wird.

Als "definitiv nicht ausreichend" bezeichnete Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), die bloße Ergänzung des Gesetzes um eine Löschfrist. Vielmehr bedürfe es konkreter harter Kriterien statt unbestimmter Rechtsbegriffe wie "hinreichend gravierender Verdacht" und Verstoß "nicht nur unerheblichen Ausmaßes". Die derzeitige Bußgeldschwelle von 350 Euro sei zudem zu niedrig, sagte Hartges.

Björn Fromm, Präsident des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg sagte, bei mehreren Bagatellfällen sei die Bußgeldschwelle und damit die Veröffentlichung schnell erreicht. Diese Doppelbestrafung "durch Prangerwirkung" sei abzulehnen. "Das Internet vergisst nicht", sagte Fromm. Wenn aber eine solche Doppelbestrafung durch Prangerwirkung politisch gewollt sei, müsse dies "verfassungskonform, verhältnismäßig und fair" sein. Benötigt werde eine deutlich höhere Bußgeldschwelle und ein bundesweit einheitlicher Bußgeldkatalog.

Martin Rücker von der Organisation foodwatch kritisierte ebenfalls die aktuelle Gesetzeslage sowie die angedachte Änderung. Das Gesetz sei wirkungslos, befand er. Das vom Bundesverfassungsgericht gestärkte Grundrecht auf Information werde damit nicht durchgesetzt. Die Bagatellschwelle diene der Verhinderung der Veröffentlichung, so seine Einschätzung. Die meisten Bußgelder lägen unter 350 Euro, viele Verstöße würden gar nicht mit einem Bußgeld belegt. Dies führe dazu, dass nur ein sehr geringer Teil der Verstöße veröffentlich werden, sagte Rücker. Einig war er sich mit seinen Vorrednern in der Forderung nach einer bundeseinheitlichen Praxis.

Jutta Jaksche von der Verbraucherzentrale Bundesverband bewertete dies ebenso. Sie forderte, das Internetportal Lebensmittelwarnung müsse qualitativ besser und bekannter gemacht werden. Jaksche bemängelte zudem, dass die Ergänzung der Löschfrist nicht zu einer in allen zuständigen Behörden einheitlichen Auslegung der Regelung führen werde. Für Verbraucher sei es aber wichtig, in jedem Fall eines solchen Verstoßes auf Grundlage eines bundesweit einheitlichen Beurteilungsmaßstabs informiert zu werden.

Für ein Smiley-System nach dänischem Vorbild sprach sich Lutz Zengerling vom Bezirksamt Pankow in Berlin aus. Man habe dies in Pankow proaktiv eingeführt und damit gute Erfahrungen gemacht, sagte er. Laut Zengerling hätten sowohl Verbraucher als auch die Unternehmen das System begrüßt, dass das Hygieneniveau habe erkennbar ansteigen lassen.

Anja Tittes, Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure, verwies darauf, dass mit der aktuellen Personalausstattung im Bereich der Kontrolleure derzeit etwa 40 Prozent aller Betriebe kontrolliert werden könnten. Wolle man also die Umfänge oder die Aufgabengebiete steigern, müssten die entsprechenden monetären und personellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. "Wer den dänischen Smiley präferiert, muss wissen, dass dort andere Voraussetzungen herrschen", sagte sie. Während ein Kontrolleur in Deutschland etwa 450 bis 800 Betriebe in seinem Überwachungsbezirk habe, seien das bei dem dänischen Kollegen maximal 450 Betriebe. Zudem gehöre die Entnahme von Proben nicht zum Aufgabenbereich der Kontrolleure in Dänemark.

Die Bundesländer hätten sich von Anfang an schwer getan mit der Anwendung des 2012 neu in das LFGB eingefügten Paragrafen zur Veröffentlichung von Verstößen, da es massive Rechtsunsicherheiten gegeben habe, sagte Kristian Kühn vom Landwirtschaftsministerium in Mecklenburg-Vorpommern. Das Gesetz müsse nun dahingehend geändert werden, dass es rechtssicher wird.

Der Einzelsachverständige Kurt Dietrich Rathke sagte, die geplante Befristung der Veröffentlichung auf einen einheitlichen Zeitraum sei "sachlich nicht überzeugend". Bei hygienischen Mängeln ohne die Gefahr gesundheitlicher Auswirkungen würde aus seiner Sicht eine Frist von drei Monaten reichen, bei Irreführungen könne die Frist sechs Monate betragen. Zumindest bei schwerwiegenden gesundheitlichen Gefahren, aber auch bei betrügerischen Täuschungen mit erheblich nachteiligen Auswirkungen sollte die Frist nach Auffassung des Rechtsanwaltes mindestens ein Jahr sein. "Zwei Jahre sind aber durchaus vertretbar", befand er. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 10.03.19
Newsletterlauf: 15.04.19



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Stand zum Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

    Die Bundesregierung wird ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen, das im Zeitraum bis zum Jahr 2030 auch Maßnahmen zur Treibhausgasminderungsquote im Bereich der durch die EU-Lastenverteilungsverordnung (ESR) erfassten Sektoren Gebäude und Verkehr enthalten wird. Die Maßnahmen für das Programm werden derzeit entwickelt. Das geht aus der Antwort (21/1072) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/762) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.

  • Fluggastrechteverordnung für reformbedürftig

    Die Bundesregierung lehnt die Erhöhung von Zeitschwellen für Entschädigungen in der Fluggastrechteverordnung der EU ab. Sie stellt sich damit gegen einen entsprechenden Beschluss des Rates der EU-Verkehrsminister, wie aus einer Antwort (21/962) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (21/749) hervorgeht. Eine solche "Abschwächung des Verbraucherschutzniveaus" lehne die Bundesregierung ab. Sie trete für einen "ausgewogenen Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen sowie der Reisewirtschaft" ein.

  • Digitalisierung des Gesundheitswesens

    Der Petitionsausschuss hält mehrheitlich an der Widerspruchslösung (Opt-out-Lösung) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. In der Sitzung verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Beschlussempfehlung an den Bundestag, das Petitionsverfahren zu der Forderung, die elektronische Patientenakte nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen anzulegen (Opt-in-Lösung), abzuschließen, weil keine Anhaltspunkte für parlamentarische Aktivitäten zu erkennen seien.

  • Angaben zu Cum-Cum-Geschäften

    Derzeit befinden sich 253 Cum-Cum-Verdachtsfälle mit einem Volumen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro bei den obersten Behörden der Länder und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/915) auf eine Kleine Anfrage (21/536) der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu den rechtswidrigen Steuergeschäften.

  • Konformitätsbewertung von Produkten

    In einer Kleinen Anfrage (21/946) möchte die AfD-Fraktion von der Bundesregierung wissen, wie die EU-Maschinenverordnung (EU/2023/1230) im Hinblick auf KI-basierte Sicherheitssysteme angewendet und begleitet werden soll. Die Verordnung, die ab dem 20. Januar 2027 gilt, stellt laut Vorbemerkung der Anfrage neue Anforderungen an Maschinen mit eingebetteter Künstlicher Intelligenz.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen