Betrügerische Abrechnungen durch Krankenhäuser?
Disput über fehlerhafte Krankenhausabrechnungen: Im vergangenen Jahr angeblich ein Gesamtschaden von bis zu 1,5 Milliarden Euro durch falsche Abrechnungen
Abstruse Form der Kontrolle: Zurzeit muss eine Krankenkasse einer Klinik eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zahlen, wenn eine Prüfung ergibt, dass die untersuchte Rechnung richtig war
(02.11.11) - Krankenhäuser und gesetzliche Krankenkassen streiten über Ausmaß und Konsequenzen fehlerhafter Krankenhausabrechnungen. In einem Expertengespräch des Gesundheitsausschusses verwies der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Johann-Magnus von Stackelberg, darauf, dass den Beitragszahlern im vergangenen Jahr ein Gesamtschaden von bis zu 1,5 Milliarden Euro entstanden sei. Bundesweit seien 45,6 Prozent aller geprüften Abrechnungen falsch gewesen. "Ich bitte Sie inständig, da einzugreifen", wandte sich von Stackelberg an die Abgeordneten.
Dagegen sprach der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, von einer "gemeinen Kampagne des Spitzenverbandes". 95 bis 96 Prozent aller Krankenhausabrechnungen blieben unbeanstandet. Er plädierte dafür, es beim jetzigen Anreizsystem zu belassen. Zurzeit muss eine Krankenkasse einer Klinik eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zahlen, wenn eine Prüfung ergibt, dass die untersuchte Rechnung richtig war.
Der GKV-Spitzenverband dringt beim Gesetzgeber darauf, die 300-Euro-Pauschale zu streichen oder aber den Kassen für ihren bürokratischen Aufwand ebenfalls eine Pauschale einzuräumen. Von Stackelberg sagte, es sei nicht gerechtfertigt, dass die Kassen zwar bei fehlenden Beanstandungen 300 Euro pro geprüfter Rechnung zahlen müssten, die Krankenhäuser bei einer falschen Abrechnung der Kasse nur den Fehlbetrag zu erstatten hätten. Das sei so, als müsste der Kontrolleur in der U-Bahn den Fahrgästen mit korrektem Ticket Geld geben und von Schwarzfahrern nur den Ticketpreis verlangen, sagte der GKV-Vertreter.
Auch der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), Peter Pick, stufte im Ausschuss, "gegensteuerndes Handeln" als "erforderlich" ein. Im Auftrag der Krankenkassen prüften die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) jährlich etwas mehr als zehn Prozent alle Krankenhausabrechnungen.
Baum dagegen unterstrich, dass es nachträglich meistens nicht um die Rechnung als Ganzes, sondern um Interpretationen von Details gehe. "Betrügerische Abrechnungen" seien "die totale Ausnahme". Der über eine lineare Hochrechnung der Ergebnisse von beanstandeten Krankenhausrechnungen auf alle Krankenhausfälle ermittelte Schaden sei fragwürdig, fügte Baum hinzu. In der Regel würden alle Krankenhausrechnungen von den Krankenkassen im Hinblick auf Auffälligkeiten oder Verdachtsmomente. Aufgrund der Vorprüfung sei davon auszugehen, dass die Fehlerhäufigkeit bei den vom MDK geprüften Rechnungen deutlich größer ist als bei den ungeprüften Rechnungen.
Für den Bundesrechnungshof erläuterte Norbert Schielicke in der Sitzung unter Verweis auf eine eigene Untersuchung, dass rund 30 Prozent der von den Krankenkassen geprüften Abrechnungen fehlerhaft seien. Der Bundesrechnungshof gehe davon aus, dass rund 875 Millionen Euro wegen fehlerhafter Abrechnungen zu Unrecht an die Krankenhäuser gezahlt wurden und zurückerstattet werden müssten. (Deutscher Bundestag: ra)
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