Kompetenzerweiterung für Notare


Rechtsausschuss: Notare und Aufgaben im gesamten Nachlasswesen als Teil der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit
Kompetenzerweiterung für Notare sei eine Angleichung des Rechtssystems an europäische Staaten wie die Benelux-Länder

(16.05.12) - Notare können nach Überzeugung des Bundesrates Aufgaben im gesamten Nachlasswesen als Teil der sogenannten freiwilligen Gerichtsbarkeit wahrnehmen. So könnten die Gerichte entlastet werden, schreibt die Länderkammer in einem Gesetzentwurf (17/1469), der Anlass einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses war.

Mit den Notaren stünden "äußerst qualifizierte Personen" zur Verfügung, die häufig und professionell mit Nachlassangelegenheiten befasst sind, argumentiert der Bundesrat im Gesetzentwurf. Auch für den Bürger sei der Notar Ansprechpartner in Erbschaftsangelegenheiten, etwa bei der Beurkundung eines notariellen Testaments. Damit ließen sich die Aufgaben, die bislang die Nachlassgerichte wahrgenommen hätten – wie etwa die Verwahrung des Testaments, die Eröffnung des "letzten Willens" oder die Erteilung des Erbscheins –, verbinden.

Die Befürworter der Neureglung unter den neun geladenen Experten betonten, dass eine Kompetenzerweiterung für Notare eine Angleichung des Rechtssystems an europäische Staaten wie die Benelux-Länder sei, in denen dies längst Praxis sei. Von einer notwendigen Entlastung der Gerichte mithilfe des neuen Gesetzes sprachen die Interessensvertreter der Notare, Dr. Timm Starke, Präsident der Bundesnotarkammer, Dr. Oliver Vossius, Präsident des Deutschen Notarvereins – beide aus Berlin – sowie Dr. Gabriele Müller vom Deutschen Notarinstitut aus Würzburg.

Auch der Präsident des Landgerichts Hildesheim, Dr. Ralph Guise-Rübe, würde die Neuerungen begrüßen, da sie "eine Entlastung für die Gerichte" sind und somit die "Effizienz steigern". Für die Bürger würden sich die "Wege verkürzen", da sie etwa für einen Erbscheinsantrag nicht mehr zum Gericht, sondern zum Notar gehen oder fahren müssten. Dieses Argument wiesen Mario Blödter, stellvertretender Bundesvorsitzender und Bundesgeschäftsführer des Bundes Deutscher Rechtspfleger aus Hohenmölsen bei Halle an der Saale, und Gerhart Reichling, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Zweibrücken und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Richterbundes, entschieden zurück.

"Erbscheine werden in der Regel bei Gericht beantragt und abgeholt, nicht beim Notar, obwohl das ja bereits möglich ist", sagte Blödter. Er spreche aus Erfahrung. Er appellierte an die Politik: "Belassen Sie es bei diesem seit Jahrzehnten funktionierenden Prinzip." Und Reichling fügte hinzu, dass der Weg zum Notar vielleicht kürzer ist, aber davon auszugehen sei, dass Todesfälle nicht allzu regelmäßig auftreten und die Betroffenen eben nur selten den Gang zum Gericht auf sich nehmen müssten. Bei der eineinhalbstündigen Anhörung sprachen außerdem Professor Dr. Nicola Preuß von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Professor Dr. Johannes Hager von der Ludwig-Maximilian-Universität München und der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Gerichtsvollzieher, Walter Gietmann aus Krefeld.

Der Bundesrat machte in seinem Gesetzentwurf allerdings deutlich, dass eine Übertragung derartiger Aufgaben an die Grenzen des geltenden Verfassungsrechts stoße. Deshalb bedürfe es einer Änderung des Grundgesetzes, die klarstelle, dass Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare übertragen werden können (17/1468). Der Bundesrat hatte denselben Vorstoß schon einmal unternommen (16/9022, 16/9023), scheiterte jedoch. Die Bundesregierung begrüßt jedoch das Vorhaben. Die Übertragung der Aufgaben der Nachlassgerichte erster Instanz auf die Notare durch die Länder sei auch Ziel des Koalitionsvertrags. (deutscher Bundestag: ra)


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