Strafrecht als Verhaltenssteuerungsansatz?


Compliance im Gesundheitswesen: Korruption soll besser bekämpft werden
Vorschläge der Opposition würden sich zu Unrecht zu stark auf die Vertragsärzte konzentrieren und nicht den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht werden

(16.05.13) - Alle Fraktionen im Bundestag und Experten aus verschiedensten Bereichen des Gesundheitswesens sind sich einig darin, dass es Regelungslücken bei der Korruption im Gesundheitswesen gibt, die dringend geschlossen werden müssen. Dissens besteht in der Frage, ob es dafür eigene Straftatbestände – so wie es die Opposition will – oder von der Koalition favorisierte Regelungen im Sozialgesetzbuch V geben soll.

In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses zu drei Anträgen der Opposition (17/12213, 17/12451, 17/12693) betonte Sören Kleinke, Rechtsanwalt aus Münster, nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, nach der Ärzte weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenkassen seien, gebe es noch immer "erhebliche Regelungslücken". Kleinke befürwortete den Vorschlag der Regierungskoalition, im SGB 5 eine "klare Grundnorm" zu formulieren, die korruptives Verhalten definiere. Die Vorschläge der Opposition dagegen konzentrierten sich zu Unrecht zu stark auf die Vertragsärzte und würden nicht den tatsächlichen Gegebenheiten gerecht.

Auch der Heidelberger Jurist Wolfgang Spoerr sagte, das Strafrecht allein springe bei diesem Thema "viel zu kurz". Es gehe um eine dringend nötige Abgrenzung erwünschter Kooperationen im Gesundheitswesen von korruptiven Praktiken. Das Strafrecht sei als "Verhaltenssteuerungsansatz ungeeignet", nötig sei eine "behördenorientierte Vollzugsflankierung".

Auf die schwierige Abgrenzung von erwünschten Kooperationen und nicht erwünschtem Verhalten wies auch Stefan Gräf von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung hin. Etwa bei Praxisnetzen und integrierter Versorgung müsse es Absprachen über die Aufteilung der Vergütung geben. Gräf betonte zudem, das ärztliche Disziplinarrecht könne unter Umständen einschneidender sein als das Strafrecht: Der Entzug der Zulassung könne "eventuell einschneidender" sein als ein Bußgeld.

Andreas Wagener, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, betonte, das Strafrecht müsse für alle Bereiche gelten. Er sehe, dass sich die Koalition in dem Grundsatz, für alle müsse der gleiche Strafrahmen gelten, einig sei. Er wies zudem darauf hin, dass "angstfreie Kooperationen" möglich sein müssten.

Klar für einen eindeutigen Straftatbestand plädierte Dina Michels, Referatsleiterin der Kaufmännischen Krankenkasse. Dieser müsse für alle Leistungserbringer und Akteure gelten. Freiberufler und Privatärzte sollten nicht ausgenommen sein.

Jörg Engelhard vom Landeskriminalamt Berlin betonte, Berufsrecht allein könne Fälle von Korruption nicht aufklären. Dafür müsse es Durchsuchungen von Praxen, Konten und E-Mails geben: "Das Delikt blüht im Heimlichen." Oft hätten selbst die Leistungserbringer eine nur geringe Ahnung, was ihre Rechts- und Pflichtstellung sei. Das SGB V regle nur den Umgang mit Kassenärzten. Es gehe aber nicht, dass der Staat Korruption nur da bekämpfe, wo er selbst betroffen sei – dies sei ein "falsches Signal".

Gefragt nach dem Ausmaß des Problems sagte Christine Fischer, Geschäftsführerin der Initiative unbestechliche Ärzte, es sei eine Minderheit, die korruptiv handele. Das Ausmaß sei aber "beachtlich". Transparency International spreche hier von 15 Milliarden Euro pro Jahr. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

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    Zum Stichtag 31. Dezember 2023 befanden sich 380 Verdachtsfälle zur Steuergestaltung bei Cum-Ex-Geschäften bei den Obersten Finanzbehörden der Länder und beim Bundeszentralamt für Steuern mit einem Volumen nicht anrechenbarer/erstatteter Kapitalertragssteuer inklusive Solidaritätszuschlag von rund 3,8 Milliarden Euro in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/548) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion die Linke (21/310).

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    Keine konkreten Angaben zu den Kosten, die ihre Pläne zur Vermeidung von CO2-Emissionen verursachen, macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/715) auf eine Kleine Anfrage (21/296) der AfD-Fraktion. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Deutschland zur Erreichung der Klimaschutzziele auf ein "breites Spektrum aufeinander abgestimmter Klimaschutzmaßnahmen" setze. Diese dienten neben der Minderung von Treibhausgasen auch der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, dem sozialen Ausgleich sowie der langfristigen Transformation hin zur Klimaneutralität. Die Ausgestaltung der Klimaschutzmaßnahmen gehe dabei über eine "kurzfristige, rein statische Betrachtung der CO2-Vermeidungskosten" hinaus.

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    An der von den Koalitionsfraktionen geplanten Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses zu dem Gesetzentwurf "zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2023/2413 für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und dem Wasserhaushaltsgesetz, zur Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, zur Änderung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes und zur Änderung des Baugesetzbuchs" (21/568) deutlich.

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