Gefahr durch Überwachungstechnologien


Beim Export von Überwachungstechnologien müsse der Schutz der Menschenrechte immer Vorrang haben
Mehr Transparenz bei der Exportkontrolle: Europäischer und nationaler Rechtsrahmen zur Kontrolle des Exports von Überwachungs- und Spionagesoftware sei löchrig

(26.01.16) - Überwachungstechnologien stellen immer öfter ein Werkzeug für Menschenrechtsverletzungen dar. In dieser Einschätzung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses Digitale Agenda geladenen Experten einig. Sie sprachen sich für eine Effektivierung der Exportkontrollen für Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) aus. Basis dafür könne das Ende 2013 verabschiedete sogenannte Wassenaar-Abkommen sein, hieß es. Die dort gelisteten Güter dürfen seit 2014 auf Beschluss der die EU-Kommission nur noch mit Genehmigung der nationalen Aufsichtsbehörden ausgeführt werden.

Der Export von IKT-Gütern müsse bei begründeten Zweifeln über die menschenrechtliche Lage im Empfängerland untersagt werden, forderte Professor Michael Waidner vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie. "Beim Export von Überwachungstechnologien muss der Schutz der Menschenrechte immer Vorrang haben", sagte er. Andere IKT-Güter, wie etwa Verschlüsselungstechnologien, sollten frei exportierbar sein, was derzeit entsprechend der EU-Regelung über Dual-Use-Güter nicht der Fall sei, verlangte Waidner. Daher dürfe die Definition von Dual-Use-Gütern, also Gütern, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt werden können, nicht zu weit gefasst sein.

Überwachungstechnologien würden von totalitären Staaten genutzt, um Oppositionelle und Journalisten zu beobachten und zu identifizieren, sagte Sandro Gaycken von der European School of Management and Technology (ESMT) in Berlin. Seiner Ansicht nach war der arabische Frühling für totalitäre Staaten eine Art Warnsignal, "was alles durch das Internet möglich ist". Eine erste Reaktion darauf sei gewesen, das Internet einzuschränken oder abzuschalten. Inzwischen aber werde das Internet sogar zu Kontrollzwecken genutzt. "Das Internet ist kein Werkzeug mehr für Demokratisierung sondern stellt eher eine Gefahr dar", urteilte er. Big-Data-Analysen seien zum Überwachungswerkzeug schlechthin geworden. Das Wassenaar-Abkommen sei richtig, um dagegen anzukämpfen, müsse aber erweitert werden, forderte Gaycken.

Auch Professor Götz Neuneck, stellvertretender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), sieht im Wassenaar-Abkommen und in den Dual-Use-Regelungen mögliche Gegenmaßnahmen für exzessive Überwachung. Wichtig sind aus seiner Sicht Strafandrohungen und Reputationsverluste für diejenigen, die dem zuwiderhandeln. Neuneck beklagte eine fehlende internationale Regelung. Aber auch der europäische und nationale Rechtsrahmen zur Kontrolle des Exports von Überwachungs- und Spionagesoftware sei löchrig. "Entscheidend dürfte hier die Handhabung der Praxis, die Koordination und die Überprüfung deren Effektivität durch die Ursprungsländer sein", sagte er.

Derzeit sie ein Anwachsen von Mini-NSAs in aller Welt zu beobachten, sagte Ben Wagner, Direktor der Forschungsstelle Internet und Menschenrechte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Es sei daher besonders wichtig, den Technologieexport aus Deutschland und Europa zu regeln. Ein erster Schritt dazu sei das Wassenaar-Abkommen, welches aber weiterentwickelt werden müsse. Außerdem sollte statt der Frage, ob es sich um eine zivile oder militärische Technologie handelt, gefragt werden, ob die Technologie für Menschenrechtsverletzungen genutzt werden kann, forderte Wagner, der zudem mehr Transparenz bei der Exportkontrolle anmahnte.

Nach Aussage von Christian Mihr, Mitglied der Geschäftsführung von Reporter ohne Grenzen, sind Hermes-Bürgschaften für deutsche Exporte von Überwachungstechnologien belegt. Auch gebe es Hinweise, dass deutsche Unternehmen auch nach Verabschiedung des Wassenaar-Abkommens Überwachungstechnologien nach Uganda und Ägypten geliefert hätten, kritisierte er. (Deutscher Bundestag: ra)


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Stand zum Emissionshandel für Gebäude und Verkehr

    Die Bundesregierung wird ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen, das im Zeitraum bis zum Jahr 2030 auch Maßnahmen zur Treibhausgasminderungsquote im Bereich der durch die EU-Lastenverteilungsverordnung (ESR) erfassten Sektoren Gebäude und Verkehr enthalten wird. Die Maßnahmen für das Programm werden derzeit entwickelt. Das geht aus der Antwort (21/1072) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/762) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor.

  • Fluggastrechteverordnung für reformbedürftig

    Die Bundesregierung lehnt die Erhöhung von Zeitschwellen für Entschädigungen in der Fluggastrechteverordnung der EU ab. Sie stellt sich damit gegen einen entsprechenden Beschluss des Rates der EU-Verkehrsminister, wie aus einer Antwort (21/962) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (21/749) hervorgeht. Eine solche "Abschwächung des Verbraucherschutzniveaus" lehne die Bundesregierung ab. Sie trete für einen "ausgewogenen Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen sowie der Reisewirtschaft" ein.

  • Digitalisierung des Gesundheitswesens

    Der Petitionsausschuss hält mehrheitlich an der Widerspruchslösung (Opt-out-Lösung) bei der elektronischen Patientenakte (ePA) fest. In der Sitzung verabschiedete der Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Beschlussempfehlung an den Bundestag, das Petitionsverfahren zu der Forderung, die elektronische Patientenakte nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen anzulegen (Opt-in-Lösung), abzuschließen, weil keine Anhaltspunkte für parlamentarische Aktivitäten zu erkennen seien.

  • Angaben zu Cum-Cum-Geschäften

    Derzeit befinden sich 253 Cum-Cum-Verdachtsfälle mit einem Volumen in Höhe von 7,3 Milliarden Euro bei den obersten Behörden der Länder und dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) in Bearbeitung. Diese Angaben macht die Bundesregierung in ihrer Antwort (21/915) auf eine Kleine Anfrage (21/536) der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zu den rechtswidrigen Steuergeschäften.

  • Konformitätsbewertung von Produkten

    In einer Kleinen Anfrage (21/946) möchte die AfD-Fraktion von der Bundesregierung wissen, wie die EU-Maschinenverordnung (EU/2023/1230) im Hinblick auf KI-basierte Sicherheitssysteme angewendet und begleitet werden soll. Die Verordnung, die ab dem 20. Januar 2027 gilt, stellt laut Vorbemerkung der Anfrage neue Anforderungen an Maschinen mit eingebetteter Künstlicher Intelligenz.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen