EU-konforme Organschaftsregelungen
Unionsrechtskonforme Weiterentwicklungen der Organschaftsregelungen
Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Finanzverwaltung derzeit Gewinnabführungsverträge nicht als wirksam anerkennt, die eine unbeschränkt steuerpflichtige und im EU-Ausland bzw. EWR-Ausland wirksam errichtete Kapitalgesellschaft vereinbart hat?
Die Regelungen zur ertragsteuerlichen Organschaft verstoßen nach Ansicht der Bundesregierung nicht gegen Unionsrecht. Dies teilt die Regierung in der Antwort (19/18624) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/18240) mit. Eine umfassende steuerliche Organschaftsreform oder eine grundlegende Änderung der Voraussetzungen für die ertragsteuerliche Organschaft sei derzeit nicht geplant, heißt es in der Antwort weiter.
Vorbemerkung der Fragesteller
Nach alter Rechtslage setzte § 14 Absatz 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) einen sog. doppelten Inlandsbezug voraus. Danach konnten Tochterkapitalgesellschaften in den ertragsteuerlichen Organkreis nur dann einbezogen werden, soweit sie ihren Sitz und den Ort ihrer Geschäftsleitung im Inland hatten.
Eine nach dem Recht eines anderen EU- Mitgliedstaates bzw. EWR-Mitgliedstaates wirksam errichtete Tochterkapitalgesellschaft, deren Sitz nicht in Deutschland lag, hatte mithin keinen Zugang zu den steuerlichen Vorteilen einer körperschaftlichen Organschaft (Boller/Hackemann, in: IStR 2020, 41). Die EU-Kommission bewertete diese deutsche Regelung als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, weil sie ausländische Gesellschaften im Vergleich zu deutschen Gesellschaften benachteiligte.
Am 3. Juni 2010 leitete die Kommission ein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein (Nr. 2008/4909) und forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, den doppelten Inlandsbezug aufzugeben.
Das Vertragsverletzungsverfahren wurde jedoch wieder eingestellt, da die Bundesregierung von CDU/CSU und FDP die Rechtslage mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl. I 2013, 285) an geltendes Unionsrecht angepasst hat.
Problematisch ist heute allerdings die Umsetzung in der Praxis: Trotz der nunmehr eindeutigen Gesetzeslage, erkennt die Finanzverwaltung Gewinnabführungsverträge (im Folgenden: GAV) nicht an, soweit diese mit einem ausländischen Rechtsträger vereinbart worden sind. Infolgedessen hat die EU-Kommission am 25. Juli 2019 erneut ein formelles Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet (Nr. 2019/4053): Die Gesetzesänderung läuft ins Leere, solange die Finanzverwaltung nicht auch solche GAV anerkennt, die mit Gesellschaften geschlossen wurden, deren Sitz im Ausland liegt (ebd.).
Damit kann eine nach dem Gesellschaftsrecht eines anderen Mitgliedstaates gegründete Tochtergesellschaft mit Sitz im Ausland und Geschäftsleitung in Deutschland die für deutsche Unternehmen geltende Organschaft nach wie vor nicht in Anspruch nehmen, obwohl sie in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dies wirft nicht nur im Lichte der Niederlassungsfreiheit Fragen auf (Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/4909), sondern ist geeignet, Investitionen oder Unternehmensstandorte von Deutschland in andere Mitgliedstaaten zu verlegen (FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 13. März 2019 – Az. 1 K 218/15 et al.).
(Deutsche Bundesregierung: ra)
eingetragen: 27.05.20
Newsletterlauf: 18.08.20
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