Geldwäsche-Prüfung unter Pandemiebedingungen
Geldwäscheaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht bei Instituten mit Freistellung nach § 2 Absatz 4 und 5 des Kreditwesengesetzes
Der Fall Wirecard hat nach Ansicht der Fragesteller gezeigt, dass für Finanzunternehmen i. S. d. § 1 Absatz 24 des Geldwäschegesetzes (GwG) geldwäscherechtliche Aufsichtslücken in Deutschland bestehen
Seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 fanden geldwäscherechtliche Sonderprüfungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nur in Ausnahmefällen als Vor-Ort-Prüfung statt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (19/31401) auf eine Kleine Anfrage (19/30896) der Fraktion Die Linke hervor. Die Bundesregierung schreibt, die BaFin sei ihrem gesetzlichen Auftrag durch zielgerichtete Nutzung der Digitalisierung nachgekommen, um keine Prüfung ausfallen lassen zu müssen.
Ab März 2020 habe die BaFin zunächst telefonisch geprüft und dann sehr schnell Remote-Lösungen entwickelt. In Ausnahmefällen sei vor Ort geprüft worden. Im Zuge der sich ändernden Pandemielage werde die BaFin wieder verstärkt von der Möglichkeit von Prüfungen vor Ort Gebrauch machen.
Vorbemerkung der Fragesteller
Der Fall Wirecard hat nach Ansicht der Fragesteller gezeigt, dass für Finanzunternehmen i. S. d. § 1 Absatz 24 des Geldwäschegesetzes (GwG) geldwäscherechtliche Aufsichtslücken in Deutschland bestehen. Aufsichtslücken können in der Praxis auch für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute vorhanden sein, sofern diese Institute aus besonderen Gründen unter den Ausnahmetatbestand des § 2 des Kreditwesengesetzes (KWG) fallen, diese mithin nicht als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut gelten bzw. gemäß § 2 Absatz 4 und 5 KWG freigestellt sind, weil sie wegen der Art ihrer Geschäfte keiner Aufsicht bedürfen. Dies ist u. a. der Fall, soweit sie sich auf das diesen Unternehmen jeweils eigentümliche Geschäft beschränken und dabei keine institutionelle Ausnahme wie etwa bei der Deutschen Bundesbank (§ 2 Absatz 1 Nummer 1 KWG) oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau (ohne die von der BaFin beaufsichtigte Tochter IPEX-Bank) gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 2 KWG vorliegt.
Soweit Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute solvenzrechtlich nicht oder nur eingeschränkt unter den Pflichtenkatalog des KWG fallen, hat dies, was den Rechtsrahmen anbelangt, zunächst keine Auswirkungen auf die geldwäscherechtliche Verpflichteteneigenschaft gemäß § 2 GwG. Dies gilt auch für den Fall einer Freistellung gemäß § 2 Absatz 4 oder 5 KWG. Für diese freigestellten Institute gelten vollumfänglich der Pflichtenkatalog des GwG und die untergesetzlichen Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), worauf die BaFin in Bezug auf Freistellungen in ihrem Merkblatt ausdrücklich unter Buchstabe A Nummer 4 hinweist. Es ist aus Sicht der Fragesteller unklar, inwiefern die BaFin prüft, ob diese geldwäscherechtlichen Pflichten tatsächlich eingehalten werden.
In der bankaufsichtlichen Praxis liegen der BaFin im Rahmen der laufenden solvenzrechtlichen Aufsicht im Falle des Vorliegens eines Ausnahmetatbestands und einer von der BaFin gewährten Freistellung kaum Daten über die Geschäftsaktivitäten des Instituts vor, die u. U. auch für die geldwäscherechtliche Aufsicht und die Bewertung geldwäscherechtlicher Risiken von Bedeu tung sein können. Was die unmittelbar für eine ordnungsgemäße geldwäscherechtliche Aufsicht benötigten Daten und Informationen anbelangt, besitzt die BaFin in der Regel überhaupt keine Informationen über die Einhaltung der geldwäscherechtlichen Vorschriften durch das jeweilige Institut (vgl. Hartmut Reschke in Beck, Samm, Kokemoor: Kreditwesengesetz mit CRR, 218. Aktualisierung, Stand 2021, § 2 KWG). Es ist nach Ansicht der Fragesteller zu befürchten, dass eine tatsächliche geldwäscherechtliche Aufsicht über mehrere Hundert Unternehmen, die Verpflichtete nach § 2 Absatz 1 und 2 GwG sind, nicht stattfindet.
Im Jahresbericht 2019 der BaFin (S. 127) wird die Zahl der freigestellten Institute nach § 2 Absatz 4 KWG mit 361 angegeben. Geschäfte, die der Art nach aus solvenzrechtlichen Gründen aufgrund der Atypizität der Geschäfte nicht der Aufsicht bedürfen und deshalb aufgrund eines fehlenden Aufsichtsbedürfnisses freigestellt werden können, können im Einzelfall jedoch durchaus ein hohes geldwäscherechtliches Risiko und Risiken durch strafbare Handlungen, wie sie etwa bei Zentralen Abrechnungsstellen für Ärzte und Apotheker jüngst bekannt geworden sind, aufweisen.
Die Freistellung nach § 2 Absatz 4 Satz 1 Halbsatz 1 KWG erfasst die Gesamtheit der Normen, die den Kern der laufenden Solvenzaufsicht über ein Institut ausmachen. Hierunter fallen auch die Prüfung und Prüferbestellung (§§ 28, 29 KWG). In den Fällen der Freistellung liegt der BaFin also in der Regel kein Jahresabschlussbericht über das freigestellte Institut mit einem Berichtsteil "Darstellung und Beurteilung der getroffenen Vorkehrungen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie sonstiger strafbarer Handlungen" vor (§ 27 Prüfungsberichtsverordnung – PrüfbVO). Nach aktueller Aufsichtspraxis der BaFin ist dieser Berichtsteil das wichtigste Erkenntnisinstrument über die Umsetzung des GwG und der getroffenen internen Vorkehrungen gegen strafbare Handlungen durch das jeweilige Institut.
(Deutsche Bundesregierung: ra)
eingetragen: 28.07.21
Newsletterlauf: 20.10.21
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